Neue Pannen im Fall Amri werden offenbar

  09 Dezember 2017    Gelesen: 512
Neue Pannen im Fall Amri werden offenbar
Die Pannenserie im Fall Anis Amri reißt nicht ab. Offenbar wurde der spätere Attentäter nicht korrekt beobachtet. Zudem soll ein Freund Amris trotz Mordermittlungen abgeschoben worden sein. Ein Mitglied des Untersuchungsausschusses wittert einen Vertuschungsversuch.
Wenige Wochen vor dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt im vergangenen Jahr war die Berliner Polizei Medienberichten zufolge nicht über den Aufenthaltsort des Attentäters Anis Amri im Bilde. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) und die "Berliner Morgenpost" berichten, dass die Polizei eine bundeseinheitliche Vereinbarung zur Beobachtung islamistischer Gefährder offenbar nicht korrekt umsetzte. Einem "Focus"-Bericht zufolge wurde zudem ein wichtiger Zeuge abgeschoben und tauchte in Tunesien unter.

Laut RBB und "Morgenpost" fragte ein Ermittler aus dem nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt die Kollegen in Berlin Ende Oktober 2016 per E-Mail, ob ihnen Erkenntnisse zu Amris Aufenthaltsort vorlägen. Ergänzt worden sei dies mit der Bitte um eine "zeitnahe Antwort". Doch eine Antwort auf die Mail gab es offenbar nie.

Den beiden Medien zufolge greift seit den Anschlägen vom 11. September 2001 eigentlich ein sogenanntes Rahmenkonzept, wonach die Sicherheitsbehörden einander jederzeit über den Verbleib von Gefährdern auf dem Laufenden halten. Dadurch soll es möglich sein, bei einem Anschlag deren Aufenthaltsorte festzustellen.

Amri war am 19. Dezember vorigen Jahres mit einem Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz gerast. Bei dem Attentat starben zwölf Menschen, 67 wurden verletzt. Auf seiner Flucht wurde Amri von der Polizei in Italien erschossen.

Gemeldet war Amri in Nordrhein-Westfalen, deshalb waren die dortigen Behörden formal für ihn zuständig - doch Amri war in Berlin untergetaucht. Mehrfach waren in seinem Fall Abstimmungsprobleme und andere Pannen bei den Sicherheitsbehörden bekannt geworden.

"Die Zeit" berichtete unter Berufung auf einen internen Bericht der Berliner Polizei, dass die Einsatzführung in den ersten Stunden nach dem Anschlag chaotisch verlaufen sei. Die Beamten am Tatort hätten deshalb "in weiten Teilen intuitiv" gehandelt und sich auf eigene Initiative Verstärkung besorgt. So sei erst fünf Stunden nach der Tat die bundesweite Fahndung angelaufen.

Zeuge machte Fotos vom Anschlagsort
Einer "Focus"-Vorabmeldung zufolge gibt es in Sicherheitskreisen mittlerweile Zweifel, dass der enge Amri-Freund Bilal Ben Ammar zu Recht so schnell abgeschoben wurde. Der wichtige Zeuge sei bereits am 1. Februar in ein Flugzeug nach Tunesien gesetzt worden - obwohl zu diesem Zeitpunkt noch Mordermittlungen gegen ihn liefen. Mittlerweile ist er dort untergetaucht.

Den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zufolge hatte Ben Ammar bereits im Februar 2016, neun Monate vor dem Anschlag, Bilder vom späteren Tatort gemacht und dabei insbesondere Zufahrten fotografiert. Zudem hatte er gut fünf Stunden vor dem Anschlag noch mit Amri telefoniert.

Marcel Luthe, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und Mitglied im dortigen Amri-Untersuchungsausschuss, hält die Abschiebung offenbar für einen Vertuschungsversuch. "Diese Nacht-und-Nebel-Aktion lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Ben Ammar sollte als Zeuge weder den Ermittlern noch dem Parlament zur Verfügung stehen", sagte Luthe dem "Focus".

Für die FDP im Bundestag bekräftigte Vizefraktionschef Stephan Thomae die Forderung, auch im Bundestag einen Amri-Untersuchungsausschuss einzurichten. Die neuen Berichte zeigten, "dass eine dramatische Schwachstelle bei der Koordination unserer Sicherheitskräfte besteht". Es lägen "erschreckende Lücken in der Sicherheitsarchitektur Deutschlands vor", weshalb "eine gründliche Aufarbeitung unerlässlich" sei.

Quelle: n-tv.de

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