BMW 7er - zwei Zwölfender im Vergleich

  12 Dezember 2017    Gelesen: 981
BMW 7er - zwei Zwölfender im Vergleich
Der BMW 750iL trug den ersten deutschen Zwölfzylinder nach dem Zweiten Weltkrieg unter der Haube. Und trotz aller Downsizing-Bemühungen hat der aufwendig konstruierte Maschinentypus bei den Münchenern bis heute überlebt. Hier eine Zeitreise.
Die Zeiten haben sich wahrlich geändert in den letzten 30 Jahren. Wir schreiben das Jahr 2017 und – kein Scherz – BMW bietet die gestandene Mittelklasse-Limousine der Dreier-Reihe in einer Dreizylinder-Version an. Drei Zylinder in der Mittelklasse! Es ist eine Zeit des Hubraum- und Zylinderkampfes und trotzdem rollt da jüngst ein mächtiger V12 von BMW um die Ecke. Nicht irgendein Zwölfzylinder, sondern eine fette Ansage: 6,6 Liter schenken die Bayern neuerdings ein – da hätten sogar die US-Amerikaner zu besten Muscle-Car-Zeiten ihre Augenbrauen hochgezogen. Ein Anachronismus von und bei BMW also, der aber die Augen der Autofans leuchten lässt.

Zylinderkämpfe gab es auch gestern

Doch was viele entweder nicht wissen oder wieder vergessen haben: Der Kampf um große Verbrenner ist keine Erfindung unserer Zeit. Auch das Debüt des E32-Siebeners mit V12 vor 30 Jahren war keine Selbstverständlichkeit. Dem voraus gingen lange Diskussionen und zähes Gerangel – schließlich hatten die Entwickler aus München bereits in den Siebzigern sowohl einen Acht- als auch einen Zwölfzylinder bis zur Serienreife entwickelt, um dann im letzten Moment einen Rückzieher zu machen. So mussten sich die Kunden bis 1987 mit einem Sechszylinder begnügen – die Ölkrise ließ grüßen.

Wie recht doch die Motorengourmets hatten, beweist der Schlüsseldreh im betagten E32. Der fünf Liter große Zwölfender fällt nach dem typisch "einphasig" klingenden Startgeräusch in einen sahnigen Leerlauf, ist derart vibrationsarm, dass eine Münze auf dem Zylinderkopf aufrecht stehen bleibt, wenn man sie in der Mitte der appetitlich angerichteten Ansaugrohre platziert. Dieses längst zur Legende gereifte Experiment funktioniert immer wieder und beeindruckt jedes Mal aufs Neue.

30 Jahre Luxus

Werfen wir einen kurzen Blick auf unser Prachtexemplar. Der silberne 750er kommt gediegen-sportlich daher mit Kreuzspeiche, leichtem Chrom-Zierrat und nobel anmutendem Modellschriftzug. "750 iL" auf dem Heckdeckel ist der chromgewordene Hinweis darauf, dass es sich hier um die luxuriösere Version mit dem Plus an Beinfreiheit handelt. Und der Erstbesitzer hatte einen beherzten Griff in die Sonderausstattungs-Kiste getätigt, denn nicht nur die Vorder-, sondern auch die Rücksitze sind mit E-Motoren bestückt und können elegant per Taste surrend in Position gebracht werden.

Schieben wir also den Wählhebel des damals bereits obligatorischen Automatikgetriebes in Stellung "D". Dezent hebt sich der Bug, wenn der verhältnismäßig simpel konstruierte Zweiventil-Fünfliter (M70) loslegt und seine schwächeren Brüder mit den ebenfalls nicht gerade rau agierenden Reihensechszylindern der M30-Reihe in puncto Laufruhe deklassiert. Und ein beherzter Tritt auf das Gaspedal - bitte nur bei warmem Motoröl - lässt den alten Luxusliner auch für heutige Verhältnisse noch knackig antreten.

Müheloser Antritt damals wie heute

Trotz lediglich vier Fahrstufen und recht großer Übersetzung schiebt das Samt-Triebwerk den aus aktueller Perspektive fliegengewichtigen 1,9-Tonner unter 30 Sekunden auf 200 km/h, wie Fachmedien seinerzeit ermittelten. Den Standard-Sprint auf 100 km/h schafft er natürlich bereits nach 7,4 Sekunden. Doch das faszinierende hier sind gar nicht mal die schieren Werte, sondern die Mühelosigkeit, mit der sich das große Schiff durch den Straßenverkehr bewegt.

Selbst unter Komfort-Gesichtspunkten leistet der Siebenfuffziger auch heute noch gute Arbeit: Auch wenn die Armaturen verhältnismäßig karg anmuten, die Sitze samt Armlehnen zierlich wirken und die Innenarchitektur insgesamt mehr sachlich denn nobel aussieht, würde man keine Sekunde zögern, ihn auf einer langen Strecke einzusetzen. Man sitzt kommod in den feinen Lederfauteuils, während der säuselnde Siebener sanft nachschwingend über Autobahnwellen fließt und dank Tempomat die zuvor eingestellte Geschwindigkeit penibel einhält. Schlechten Straßenbelag in jeglicher Form verarbeitet die Oberklasse angesichts von 15-Zöllern und 60er-Querschnitt ebenso geschmeidig.

Gegen den kompakt und schlicht aussehenden 750er kommt der aktuelle M760Li wie ein muskelbepackter Bodybuilder daher, vor dessen Fahrwerten man überdies Ehrfurcht bekommen kann: Der stets vierradgetriebene Kraftprotz soll in 3,7 Sekunden auf Landstraßentempo sprinten. Und der matte Braunton des Vergleichsfahrzeugs – im BMW-Jargon "Frozen Dark Braun" – verstärkt den Muskelmann-Charakter genauso wie die unter Code 754 bestellbare Abrisskante auf dem Heckdeckel. Doch keine Sorge, wer nicht so arg auffallen möchte, kann diese selbst in Verbindung mit dem optionalen M-Paket weglassen. Die vierflutige Abgasanlage bleibt hingegen als Erkennungsmerkmal. Der neuzeitliche Über-V12 mit 610 PS lässt sich übrigens auf 305 Sachen beschleunigen.

Komplexe technische Welt

Das mit anderen Felgen und anders akzentuierter Innenausstattung daherkommende Excellence-Modell regelt klassischerweise bei 250 km/h ab. Den Sprint auf 200 km/h erledigt der M760Li binnen kaum mehr als elf Sekunden – mehr Sportwagen im Businessdress geht kaum. Wer wegen des obligatorischen "M" im Modellnamen gedacht hat, der aktuelle Top-Siebener sei schroff oder hart zu seinen Passagieren – nein, das ist er nicht. Im Gegenteil, der M760Li ist maximal samtig, hebt seine Stimme selbst unter Volllast nicht, benimmt sich trotz 275/35 20er-Walzen dank Hightech-Fahrwerk wie ein fliegender Teppich und tritt dennoch ganz schön dynamisch an.

Das 2,3-Tonnen-Dickschiff liegt auf variabel steuerbaren Luftbälgen, tastet die Straße per Kamera noch vor der Vorderachse auf Unebenheiten ab, lenkt auch mit der Hinterachse und gleicht Wankbewegungen aus. Die Sitze belüften, heizen und massieren – spenden mit anderen Worten maximalen Komfort. Der Siebener parkt automatisch ein, ja, lässt sich sogar fahrerlos per Schlüssel aus der Parklücke bugsieren. All diese Features zeigen, wie komplex und technisiert unsere Welt geworden ist.

Dem Neuen fehlt der Sound

Dabei fasziniert der Siebenhundertsechziger schon alleine mit seinem Zwölfzylinder-Triebwerk und dem sämigen Antriebskomfort. Er schiebt bei aller Flauschigkeit urgewaltig, zoomt den 5,24 Meter-Brocken zusammen mit der Achtgangautomatik im Handumdrehen auf jede Geschwindigkeit innerhalb der Werksangabe. Nur schade, dass er sich ein paar der früher gesetzten V12-Spezifika verkneift: So haben BMWs Klang-Designer ihm eine irgendwie künstliche Soundnote verpasst – vorbei das typisch turbinenhafte Säuseln. Wer nicht weiß, in welcher Ausführung er sitzt, würde ihm auch einen Achtzylinder abkaufen.

Doch Schwamm drüber. Schön, dass der Zwölfender bisher überlebt hat. Zum Grundtarif von 171.800 Euro plus den sündhaft teuren Unterhaltkosten wird er auf deutschen Straßen eine Rarität bleiben. Und sicherlich einmal ein beliebter Klassiker werden – genauso, wie der 750iL der Baureihe E32 einer geworden ist.

Quelle: n-tv.de

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