Denn bislang haben die Demokraten es versäumt, aus den Unzulänglichkeiten der Republikaner Kapital zu schlagen. US-Präsident Donald Trump hat mit seinem unerwarteten Wahlsieg im vergangenen Jahr die demokratische Partei in einen Selbstfindungsprozess gezwungen, der bis heute anhält. "Bei den Demokraten ist bis jetzt noch keine überzeugende Leitfigur in Erscheinung getreten", sagt der Politologe Robert Shapiro von der Columbia University in New York. "Sie haben es bis jetzt auch nicht geschafft, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass das Wohlbefinden der amerikanischen Mittelschicht höchste Priorität für die Partei hat. Dies gilt besonders für die weiße Bevölkerung."
Das öffentliche Ansehen der Demokraten ist so schlecht lange nicht. Nur 37 Prozent der Amerikaner haben eine positive Meinung zu ihnen, ergab eine Umfrage des Senders CNN im vergangen Monat. Die Mehrheit, 54 Prozent, sieht die Partei eher skeptisch. Es ist der schlechteste Umfragewert seit 1992. Der einzige Lichtblick aus Sicht der Demokraten: Der Beliebtheitsgrad der Republikaner ist mit 30 Prozent sogar noch schlechter. Dass beide Parteien so unbeliebt sind, hat viele Gründe. Nicht zuletzt Trumps Siege in den Vorwahlen und bei den Präsidentschaftswahlen haben gezeigt, dass weder Demokraten noch Republikaner die Sorgen ihrer Landsleute wirklich verstehen.
Wichtige Wahl in Alabama
"Jeder, der im Moment für ein öffentliches Amt kandidiert, muss über die Realität sprechen, die sich den Menschen tagtäglich offenbart. Die Leute sind nicht an abstrakten Zusammenhängen interessiert", sagte Jeff Weaver der "Washington Post". Weaver leitete im vergangenen Jahr den Präsidentschaftswahlkampf von Bernie Sanders. "Natürlich ist Trumps Verhalten in vielen Dingen abstoßend und es wird auch weiterhin ein Thema bleiben. Aber Kandidaten müssen darüber sprechen, wie sie das Leben der Amerikaner verbessern. Und wenn sie das in einer glaubhaften Weise tun, dann wird dies auch auf Resonanz stoßen", glaubt Weaver.
Sanders, der bei den parteiinternen Vorwahlen gegen Hillary Clinton den Kürzeren gezogen hatte, ist Shapiro zufolge einer derjenigen, der die Führungsrolle innerhalb der Demokraten einnehmen könnte. Dabei ist Sanders nicht einmal Mitglied der Partei: Der unabhängige Senator aus Vermont bezeichnet sich selbst als demokratischen Sozialisten. Auch die ebenfalls recht linke Senatorin Elizabeth Warren (die von Trump regelmäßig als "Pocahontas" verspottet wird) und der frühere Vizepräsident Joe Biden könnten eine wichtige Rolle spielen. Die kalifornische Senatorin Kamala Harris und Senator Cory Brookers aus New Jersey gelten als potentielle Kandidaten für 2020. Sie sind mit 53 beziehungsweise 48 Jahren deutlich jünger als der 76-jährige Sanders, der 75-jährige Biden und die 68 Jahre alte Warren.
Zunächst gilt es aber, den Republikanern bei den Zwischenwahlen im November 2018, den sogenannten midterm elections, die Mehrheit im US-Kongress streitig zu machen. "Ich glaube die Demokraten werden im Repräsentantenhaus Sitze zurückerobern und vielleicht sogar die Mehrheit gewinnen", sagt Shapiro. "Sollte sich Doug Jones am Dienstag gegen Roy Moore in der Nachwahl in Alabama durchsetzen können, dann liegt auch der Senat im Bereich des möglichen."
Tatsächlich ist die Wahl in Alabama ungewöhnlich spannend. Normalerweise hätte ein Demokrat in diesem Staat kaum eine Chance. Doch dem Republikaner Roy Moore, der für radikal konservative und christlich-fundamentalistische Positionen bekannt ist, wird von mehreren Frauen vorgeworfen, sie als Jugendliche sexuell belästigt zu haben. Als erwachsener Mann ist er zudem mehrfach mit minderjährigen Mädchen ausgegangen. Doch die Gesellschaft in den USA ist so polarisiert, dass sich Jones' Chancen dadurch zwar verbessert. Insgesamt schätzt der Meinungsforscher Nate Silver Moores Ausgangslage dennoch als besser ein.
Auf seine Anhänger kann Trump sich verlassen
Mehrere Republikaner haben Moore aufgerufen, seine Kandidatur zurückzuziehen. Trump, dem Frauen Ähnliches vorwerfen, unterstützt Moore dagegen im Wahlkampf. Die aktuelle Welle von Vorwürfen der sexuellen Belästigung und sexueller Übergriffe in der Film- und Medienbranche sowie in der Politik hat in der vergangenen Woche mit Al Franken sein bislang bekanntestes Opfer in der US-Politik gefordert. Der demokratische Senator aus Minnesota, ein ehemaliger TV-Komiker, verkündete seinen Rücktritt, nachdem auch er mit diversen Vorwürfen konfrontiert wurde. Franken ließ es sich nicht nehmen, in seiner Rücktrittsrede zum Schlage gegen Trump, Moore und die republikanische Partei auszuholen. "Ich bin mir selbst über die Ironie meines Ausscheidens im Klaren. Immerhin sitzt ein Mann, der in einer Aufzeichnung mit seinen sexuellen Übergriffen geprahlt hat, im Weißen Haus, und ein anderer, der wiederholt jungen Mädchen nachgestellt hat, kandidiert mit voller Unterstützung seiner Partei für den Senat", sagte Franken am Donnerstag.
Da dieses Thema beide Parteien betrifft, wenn sie auch sehr unterschiedlich damit umgehen, ist es nichts, was den Demokraten in Wahlkämpfen helfen wird. Shapiro meint, die demokratische Partei solle sich lieber auf wirtschaftliche und gesundheitspolitische Aspekte konzentrieren, welche die Wähler direkt betreffen - zum Beispiel auf die Sozialversicherung oder die staatliche Gesundheitsfürsorge Medicare.
Auch eine größere Fairness im Steuerrecht sowie das Thema Gleichberechtigung werden laut Shapiro wichtige Punkte im Wahlkampf sein. Vor etwas mehr als einer Woche verabschiedete der US-Senat ein neues Steuerpaket, von dem die Republikaner zwar sagen, es solle der Mittelschicht helfen - das jedoch Experten zufolge vor allem den Besserverdienern und Unternehmen zugute kommen wird. Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage der Quinnipiac University und des Meinungsforschungsinstituts Pew zeigt, dass die Demokraten bei Steuer- und Gesundheitsfragen die Nase vorne haben.
Und natürlich haben Trumps schwache Umfragewerte ebenfalls einen positiven Effekt für die Partei. Zuletzt lag der Präsident bei extrem schlechten 37,3 Prozent Zustimmung. "Die Demokraten befinden sich in einer guten Ausgangslage", bestätigt Shapiro. "Jedoch es ist es keine einfache Aufgabe, das Repräsentantenhaus und den Senat zurückzuerobern. Zudem verfügen die Republikaner über eine Basis von Trump-Wählern." Mit anderen Worten: Nur eine Minderheit der Amerikaner steht auf Trumps Seite. Die aber sind so überzeugt, dass sie auf jeden Fall zur Wahl gehen werden. Um eigene Wähler zu mobilisieren, müssen die Demokraten sich mehr einfallen lassen, als Trump zu kritisieren.
Quelle: n-tv.de
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