Alpine A110 fährt mit Charme und PS

  14 Dezember 2017    Gelesen: 1289
Alpine A110 fährt mit Charme und PS
Zweiundzwanzig Jahre ist es her, dass die letzte Alpine gefertigt wurde. Und genauso lange schon hoffen Fans, Entwickler, Ingenieure und Visionäre auf die Wiederauferstehung der einstigen Sportwagen-Ikone. Jetzt endlich hat das Warten ein Ende!
Anfang 2018 kehrt die Alpine zurück, und mit ihr der Name des wohl berühmtesten Modells: A110. Wirklich in Erinnerung dürfte die in den Fünfziger Jahren von Jean Rédélé gegründete Marke aber – abgesehen von den Enthusiasten im Hause Renault – wohl nur noch der Ü60-Generation sein, die quas live dabei war, als 1962 die Original-A110 vorgestellt wurde. Die sorgte mir ihrem sinnlichen Design seinerzeit nicht nur auf der Straße für Begeisterung, sondern konnte auch im Rallye-Einsatz Erfolge, bis hin zum Weltmeistertitel, einfahren. Ob die neue Alpine daran anknüpfen kann, bleibt abzuwarten, und ob ihr der Nimbus der Vergangenheit zu Absatzrekorden in der Zukunft verhilft, muss sich ebenfalls zeigen. Fakt ist: Die ersten 1955 Einheiten der Neuauflage, die "première edition", waren schon nach wenigen Tagen ausverkauft.

Optische Anleihen an der Ahnin

Vielleicht liegt es daran, dass sich die Renault-Designer alle Mühe gegeben haben, so gut wie möglich an die markante Formensprache der 60er-Jahre-Alpine anzuknüpfen. Vor allem, das schmale, flache Heck und die vier auffälligen Scheinwerfer – jetzt natürlich mit LED-Technik und schickem Tagfahrlicht – durften bei der Wiedergeburt nicht fehlen. Auch die kompakten Abmessungen konnte sich die A110 trotz heutzutage deutlich schärferer Crash- und Fußgängerschutzvorschriften bewahren: Gerade mal 4,18 Meter misst die neue Alpine in der Länge, und überragt mit 1252 Millimetern Höhe das Original nur um gut eine Handbreite.

Dass die Kopffreiheit in dem eher eng geschnittenen Cockpit trotzdem ordentlich ist, liegt am sogenannten Double-Bubble-Dach, das über Fahrer und Beifahrer zwei Ausbuchtungen hat. Ansonsten aber geht es tatsächlich eher eng zu: Die nur in der Länge einstellbaren Schalensitze drücken nach einiger Zeit latent gegen Hüfte und Oberschenkel, und wer mit über 1,90 Meter hinterm Steuer sitzt, dürfte irgendwann schmerzen im rechten Knie spüren. Aus Kostengründen setzt Renault bei der Alpine natürlich auf eine Gleichteile-Strategie mit anderen Modellen, und so hat auch die A110 unten rechts am Lenkrad den für das enge Sportwagen-Cockpit schlichtweg überdimensionierten Bedienklotz für die Audioanlage.

Das ist auch nicht das einzige bekannte Bauteil, das in der Alpine auffällt: Die dreigeteilte Tempomatsteuerung – einschalten auf dem Mitteltunnel, aktivieren links am Lenkrad, ausstellen rechts am Volant –, die Klimabedieneinheit, und sogar den etwas angestaubten Schlüssel im Scheckkartenformat kennen wir gut aus anderen Renaults. Zumindest für die Zugangskarte haben sich die Alpine-Entwickler aber was ganz feines einfallen lassen: Statt einen neuen Schlüssel zu entwickeln, haben sie ein Ledermäppchen gebastelt, in dem die Plastikkarte verschwindet.

Leichtbau vom Feinsten

Ansonsten ist eher Zurückhaltung angesagt: Überbordendes Lederdekor gibt es außerhalb der Türverkleidung nicht, ausschweifende Holzvertäfelungen sucht man vergebens und plüschiger Kuschelstoff wäre hier ebenfalls fehl am Platz. Schließlich wiegt all der Zierrat nicht gerade wenig, und die Alpine sollte doch so leicht wie möglich werden – vielleicht gibt es auch deshalb kaum Ablagen, damit man nicht unnötigen Krimskram mit ins Auto nimmt. Aus Leichtbaugründen hat sich Renault sogar gewichtsreduzierte Lautsprecher von Focal anfertigen lassen, und am Ende stehen, fahrfertig, mit Sprit im Tank und Fahrer hinterm Lenkrad, nur 1178 Kilogramm auf der Waage. Ausreichend wenig, um dem wohl schärfsten, selbsterklärten Konkurrenten davon zu fahren: dem Porsche 718 Cayman. Der Zuffenhausener ist in alle Dimensionen ein bisschen größer und wiegt gut 230 Kilogramm mehr.

Die kann auch sein Leistungsplus nicht mehr wett machen: Zwar entwickelt der Zweiliter-Vierzylinder-Boxster im 718 mit 300 PS deutlich mehr Leistung als der aufgeladene 1,8-Liter-Motor in der Alpine, der es auf 252 Pferdestärken bringt. Doch nimmt der leichtfüßige Franzose dem Stuttgarter beim Hundertersprint immer noch stolze zwei Zehntel ab und schnellt nach nur 4,5 Sekunden auf Landstraßentempo. Der Fahrer braucht dafür nicht viel mehr zu tun als Gas zu geben, schließlich fahren alle A110 serienmäßig mit einem superschnell schaltenden Doppelkupplungsgetriebe vor, das ganz James-Bond-Like mit drei Drücktasten bedient wird und gegenüber dem weit verbreiteten Volkswagen-DSG nicht nur flink durch die sieben Gänge rauscht, sondern auch beim Langsamfahren und Rangieren guten Komfort bietet.

Sportlich straff

Komfort, den das Fahrwerk nicht immer bereitstellt. Keine Frage, die Alpine läuft ruhig und geschmeidig gerade aus, doch wenn die Straße nicht mehr ganz plan asphaltiert ist, kommt das Sportlerherz in ihr durch, und statt die Passagiere sanft über die Unebenheit hinweg zu tragen, versucht die A110 auch auf Trambahnschienen und in Schlaglöchern maximalen Bodenkontakt herzustellen. Dass das mitunter recht ordentlich hoppelt, gehört eben dazu, bei einem Sportwagen der Antritt, sich mit den Granden der Branche zu messen.

Das gilt auch für das manchmal etwas nervige Turbosäuseln, das der hinter den Passagieren sitzende Motor bei jedem Gasgeben aufs Neue in die Freiheit entlässt, ehe der Vierzylinder dann kernig losknurren darf. Aber gut, der 1.8er muss eben tief Luft holen, um seine Maximalpower und die bis zu 320 Newtonmeter Drehmoment an die Hinterräder schicken zu können. Den winzigen, aber spürbaren, Zeitverzug, bis die Turboschaufel zu Hochtouren aufläuft, mag man als störend empfinden – auf die Fahrleistungen hat er, wie bereits erwähnt, kaum Einfluss.

Wer noch schneller in den Wohlfühlbereich, oberhalb von 3000 Touren kommen will, braucht nur die rote Sporttaste links unten am Lenkrad drücken. Dann schaltet nicht nur das Doppelkupplungsgetriebe deutlich schneller, sondern auch die Gaspedalkennlinie wird verändert, und die Alpine reagiert bissiger auf Zuckungen des rechten Fuß; gleichzeitig wechselt das volldigitale Kombiinstrument seine Anzeige und signalisiert dem Fahrer optisch, dass er jetzt noch sportlicher unterwegs ist.

Ordentlich zutreten, bitte

Ob der Lenker überhaupt Zeit hat, sich mit dem Display zu beschäftigen, sei dahingestellt. Schließlich kommt die nächste Kurve schneller als man denkt – und trotz Brembo-Bremszangen sollte man frühzeitig anfangen, in die Eisen zu steigen. Die Stopper packen zwar fest zu, brauchen aber schon einen ordentlichen Tritt. Wer das Pedal nur leicht mit der Fußspitze antippt, wird sich wundern: Einerseits über die ausbleibende Verzögerung, andererseits darüber, dass die A110 auch problemlos mit mehr als der eigentlich geplanten Kurvengeschwindigkeit durch die Biegung eilt. Wie es sich für einen Mittelmotor-Sportler gehört, bleibt die äußerst verwindungssteife Alpine lange, sehr lange neutral und folgt artig dem von der elektro-mechanischen Lenkung vorgegebenen Kurs. Und noch ehe das ESP ernsthaft eingreifen muss, beginnt die Französin erstmal sachte über die Vorderräder zu schieben, anstatt sich gleich um die eigene Achse zu drehen.

Bleibt noch eine Frage: Der Preis für all den Fahrspaß? Zum einen sind da die 58.000 Euro, die für die première edition auf den Tisch gelegt werden müssen – beziehungsweise mussten, denn die, und mit ihr die Jahresproduktion für 2018, ist ja bereits ausverkauft; was die "normale" Alpine danach kosten soll, ist bislang noch offen. Deutlich günstiger als ein Porsche 718 Cayman, der mit PDK-Getriebe bei gut 55.500 Euro anfängt, dürfte der Renault-Sportler aber nicht werden. Dazu kommen auf der anderen Seite nicht gerade geringe Unterhaltskosten: Zwar will es Alpine irgendwie geschafft haben, auf dem Prüfstand einen Verbrauch von 6,1 Litern einzufahren. Wer aber auch nur ein wenig Spaß haben will, kommt an der Zehn vorm Komma nicht vorbei.

Verzicht für den Fahrspaß

Und, als drittes, muss man sich natürlich auch noch ein wenig in Verzicht üben, um in den A110-Genuss zu kommen. Die Flunder mag das eigentlich perfekte Auto für einen Wochenendtrip in die Berge sein, nur ist für das Gepäck so gut wie kein Platz: Vorne gehen 96 Liter rein, die mit einem Bordtrolley gut ausgefüllt sind, und die 100 Liter Stauraum im Heck lassen sich eigentlich nur mit einer Aktentasche und ein bisschen Kleinkram füllen. Aber: Verzicht sind Alpine-Enthusiasten ja gewohnt. Schließlich mussten sie schon mehr als zwei Jahrzehnte auf die Neuauflage warten …

Quelle: n-tv.de

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