Polen droht Rechtsstaatsverfahren durch die EU

  15 Dezember 2017    Gelesen: 1220
Polen droht Rechtsstaatsverfahren durch die EU
Seit Monaten streiten die EU-Kommission und Polen über die umstrittene Justizreform in dem Land. Nun scheint Brüssel bereit zu sein, ein Rechtstaatsverfahren einzuleiten. Am Mittwoch könnte es soweit sein.
Die EU und Polen steuern auf eine neue Eskalation zu. Nach Informationen des SPIEGEL erwägt die EU-Kommission, in der nächsten Woche das Rechtstaatsverfahren gegen Polen einzuleiten. Das Verfahren nach Artikel 7 sieht im Extremfall vor, dass Stimmrechte eines Mitgliedslandes entzogen werden könnten. In einem ersten Schritt geht es zunächst um die Feststellung, "dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung" europäischer Grundwerte drohe.

Ein entsprechender Beschluss sei "wahrscheinlich", bestätigte ein mit der Angelegenheit vertrauter EU-Diplomat dem SPIEGEL. Es wäre das erste Mal in der Geschichte der Gemeinschaft, dass ein Mitgliedstaat derart an den Pranger gestellt würde.

Auch der neue polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki machte am Rande des EU-Gipfels in Brüssel deutlich, dass er mit einem entsprechenden Schritt der Kommission in der kommenden Woche rechne. "Soweit ich weiß, ist die Entscheidung bereits gefallen", sagte er laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet ebenfalls über entsprechende Pläne. Eine Kommissionssprecherin bestätigte auf Anfrage des SPIEGEL, dass das Thema bei der Kommissionsitzung am kommenden Mittwoch auf der Agenda stehe. Ansonsten könne man der Sitzung nicht vorgreifen.

Das Rechtsstaatsverfahren soll die Einhaltung der europäischen Grundwerte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte gewährleisten. Die EU-Kommission wirft Polen seit Monaten vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu unterminieren und Gerichte, darunter das polnische Verfassungsgericht, unter stärkere staatliche Kontrolle stellen zu wollen.

Regierungschef Morawiecki bezeichnet Vorgehen als "unfair"

So hatte die EU-Kommission bis zuletzt versucht, Polen von der Verabschiedung zweier Gesetze abzubringen, die letztlich dazu führen, dass die regierende PiS-Partei künftig das Gremium dominiert, das die Richter ernennt. Die erste Kammer im Parlament hat diese Gesetze bereits passiert, nun müssen diese Reformen allerdings noch von Präsident Andrezj Duda unterzeichnet werden. Die Hoffnung ist nun, dass das Gesetz zumindest nicht mehr in diesem Jahr zustande kommt, dann könnte auch die EU die Einleitung des Verfahrens nochmal verschieben.

Polens Regierungschef Morawiecki, der erst in dieser Woche die Regierungsgeschäfte in seinem Land übernommen hatte, verteidigte die umstrittenen Justizreformen in seinem Land. Das Vorgehen der Kommission sei "unfair".

Das Verfahren nach Artikel 7 gilt als heikel. In einem ersten Schritt muss eine Mehrheit von vier Fünftel der Mitgliedstaaten unter anderem auf Vorschlag der Kommission feststellen, dass eine "schwerwiegende und anhaltende Gefahr" einer Verletzung" von europäischen Grundwerten bestehe. Wenn die Kommission nun einen solchen Schritt vorschlagen sollte, dürfte sie sich sicher sein, die entsprechenden Stimmen unter den EU-Staaten hinter sich zu haben. Deutschland unterstützt die EU-Kommission in ihrem Bemühen, für rechtstaatliche Zustände in Polen zu sorgen.

Nicht im Sinne von Juncker

Erst in einem weiteren Schritt geht es dann um den Entzug von Stimmrechten. Da dies allerdings nur einstimmig geschehen kann, werden dieser Sanktion wenig Chancen eingeräumt. Am Ende, so heißt es in der Bundesregierung, werde Ungarn zu Polen stehen und einen entsprechenden Beschluss verhindern.

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Auch das Europaparlament hatte zuletzt den Druck auf Polen erhöht und gefordert, ein entsprechendes Rechtsstaatsverfahren einzuleiten. "Wenn es dazu kommt, dass der Artikel 7 ausgelöst wird, finden wir das richtig", sagte die Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament Ska Keller dem SPIEGEL. "Wir müssen den Rechtstaat verteidigen, und die Kommission hat bislang viel Geduld bewiesen."

Eine entsprechende Verschärfung im Verhältnis gegenüber Polen ist eigentlich nicht im Sinne von Jean-Claude Juncker. Der Kommissionschef hatte sich in den vergangenen Monaten sehr um ein gutes Verhältnis zu den osteuropäischen Staaten bemüht, und auch in seiner Rede zur Lage der EU im September versuch Brücken zu bauen. Erst gestern sagten die vier Visegrad-Staaten in Brüssel zudem 35 Millionen Euro für den EU-Treuhandsfonds für Afrika zu.

spiegel.de

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