Die neue G-Klasse - Ausritt auf dem Schöckl

  04 Januar 2018    Gelesen: 1361
Die neue G-Klasse - Ausritt auf dem Schöckl
Wer eine Mercedes G-Klasse fährt, der weiß, dass es eigentlich kein Gelände gibt, das er nicht durchfahren kann. Doch auch Ikonen müssen mit der Zeit gehen. So auch das dicke G, dessen Neuauflage derzeit die letzten Abnahmefahrten auf dem Schöckl hat.
Es war der iranische Herrscher Mohammad Reza Pahlavi, der mit 18 Prozent der Daimler-Aktien im Rücken Anfang der 70er-Jahre darauf drängte, dass die Stuttgarter doch ein Auto bauen sollen, das sowohl für Grenzpatrouillen als auch zum Jagdwagen taugt. Unter der Maßgabe, dieses kommende Fahrzeug auch an die Bundeswehr verkaufen zu können, vereinbarte Mercedes 1972 mit dem österreichischen Hersteller Steyr-Daimler-Puch den Bau eines echten Geländekrachers. Den Zuschlag vom Bund erhielt man in Stuttgart am Ende dennoch nicht. Der ging seinerzeit an den wesentlich preiswerteren Iltis von VW. An den erinnert sich heute aber kaum noch jemand, während die Mercedes G-Klasse in 38 Jahren zu einer Ikone geworden ist.

Und das betrifft aus heutiger Sicht nicht nur die kantige Optik, sondern auch die Offroad-Tauglichkeit. Denn mit einer G-Klasse kommt man dorthin, wo andere Geländewagen sich einfach nur die Achsen brechen. Doch damit sie das kann, was andere nicht können, wird sie seit nunmehr 40 Jahren an einem ganz besonderen Ort auf die Prüfung gestellt: auf dem Schöckl. Dem mit 1445 Metern bedeutendsten Gipfel im Grazer Land in Österreich. Etwa 15 Kilometer von der Landeshauptstadt der Steiermark entfernt, dort wo inzwischen unter der Ägide von Magna Steyr die G-Klasse gebaut wird, treiben Entwicklungschef Oliver Metzger und seine Ingenieure das dicke G in Summe 2000 Kilometer über Furchen, Felsbrocken und Querverschränkungen. Hinzu kommen weitere 4000 Kilometer auf sogenannten Schlechtwegstrecen.

Die Ikone im Blick
Doch bevor die neue G-Klasse über den Schöckl reiten durfte, wurde entwickelt. Seit März 2014 sitzen Metzger und seine Leute daran, die alten Attribute des Offroaders in ein völlig neues Konzept zu schmieden. "Die größte Herausforderung war", erzählt Metzger, "dass wir ein Fahrzeug völlig neu entwickeln mussten ohne dabei die Ikone aus den Augen zu verlieren." Fahrwerksseitig gehört dazu auf jeden Fall der Leiterrahmen, das Untersetzungsgetriebe und das Thema hundertprozentige Differenzialsperre vorne, Mitte, hinten. "Ikonisch ist aber auch, dass Sie das Fahrzeug, wie kein anderes, an einem physikalischen Limit bewegen können", sagt Metzger und schiebt das noch getarnte G über Felsbrocken, dass es wankt wie ein Fischkutter bei Windstärke zehn.

Noch während der Entwicklungschef über das zu erhaltene Komfortniveau referiert, packt der Autor reflexartig den neu designten Haltegriff an der Armatur. Aber tatsächlich wirkt der Überlauf trotz einer Seitenneigung von bis zu maximal 35 Grad angenehm leichtfüßig. Das mag zum einen an dem bekannten 4,0-Liter V8 liegen, der mit stolzen 422 PS und 610 Newtonmetern maximalem Drehmoment für reichlich Schub sorgt, zum anderen an der neuen Einzelradaufhängung an der Vorderachse die zusammen mit AMG entwickelt wurde.

Der Zielkonflikt

Der Hauptgrund ist aber wohl die neue Verstelldämpfung, die in Zukunft optional in die G-Klasse gebucht werden kann. Während der Fahrt über Stock und Stein errechnet ein Offroad-Regler aus den gemessenen Parametern eine Dämpferrate und stellt sie selektiv ein. "Sie sehen, das funktioniert wenn wir langsam fahren anders als wenn wir schnell durchs Gelände fahren", doziert Metzger und tritt aufs Gas, dass hinter dem Wagen die Steine fliegen. Natürlich haben sich Metzger und seine Jungs auch etwas für das normale Fahrwerk mit Stahlfeder einfallen lassen. Um den Komfort hier auf ein höheres Niveau zu bringen, sorgt ein frequenzselektives Element, das je nach Gelände den Zug im Dämpfer einstellt, für ein weicheres Ausfedern.

Natürlich gibt es neben dem Offroad-Programm, das über den sogenannten "G-Mode" angewählt wird, auch entsprechende Onroad-Programme. Das war auch genau der Punkt, an dem es das gab, was Metzger diplomatisch einen "Zielkonflikt" nennt. "Wenn Sie mit einem Fahrzeug wie der G-Klasse auch auf der Straße richtig Dampf machen wollen, lässt sich das mit den Geländeeigenschaften irgendwann nicht mehr in Einklang bringen." Also musste ein Kompromiss her: Zum Beispiel bei den Stabilisatoren, die es wegen möglicher Verschränkungsfahrten ohnehin nur an der Vorderachse gibt. Wenn die zu viel Spiel liefern, dann sorgt das dafür, dass sich das Wankverhalten bei dynamischen Kurvenkombinationen an einer Grenze bewegt, die man für inakzeptabel hält. Letztlich war die Lösung einfach: Die Stabilisatorrate an der Vorderachse wurde einfach erhöht. Wie sich das jetzt auf der Straße bemerkbar macht, kann heute noch nicht gesagt werden und muss an anderer Stelle nachgetragen werden. Bei der Mitfahrt im Gelände zeigte sich das neue G jedenfalls souverän wie eh und je.

Die Kardanwelle ist weg

Allerdings hat sich bei der neuen G-Klasse noch etwas verändert, was vor allem diejenigen freuen dürfte, die ihr 2,5-Tonnen-Gefährt mal so richtig über den Asphalt peitschen wollen: die Momentenverteilung. War die bei allen Vorgängermodellen 50:50, geht die Kraft jetzt zu 60 Prozent an die Hinterräder. "Letztlich hat das im Gelände aber auch nur einen Nachteil, wenn Sie rückwärts am Berg anfahren", erklärt Metzger grinsend und tritt wieder mit Schmackes aufs Gas, dass das dicke G über den Schöcklkalk nur so dahinfliegt.

An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch der komplette Antriebsstrang der G-Klasse neu entwickelt wurde. Statt der alten Siebengangautomatik sorgt jetzt eine Schaltautomatik über neun Stufen für die Kraftverteilung. Das hat den entscheidenden Vorteil, dass die Spreizung erhöht werden konnte und die Übersetzung des ersten Gangs deutlich kleiner ist. Auch das Achsgetriebe wurde entsprechend der Anforderungen angepasst. War beim alten Modell noch eine kleine Kardanwelle zwischen Achs- und Verteilergetriebe, ist es jetzt direkt angeflanscht. Deshalb mussten auch die Gelenkwellen zum Vorder- und Hinterachsdifferential modifiziert werden.

Vorderachsgetriebe höher gehängt

Das Vorderachsgetriebe ist jetzt so weit nach oben gehängt worden, dass es - sollte das G im Gelände wirklich mal aufsetzen - lediglich auf dem Leiterrahmen landet, aber nie auf mechanischen Teilen. Das musste auch gemacht werden, weil die Starrachse vorn verlorengegangen ist. Hier federte das Achsgetriebe nämlich automatisch mit ein. Das kann es bei der Einzelradaufhängung nicht. Wenn die G-Klasse sich nun bei Verschränkungsfahrten weit nach vorne neigt und die hinteren Federwege, die weitere zehn Zentimeter zugelegt haben, bis zum Anschlag ausreizt, dann sieht man lediglich das Hinterachsdifferential. Alles andere ist verschwunden.

Während die Einzelradaufhängung an der Vorderachse ein Gemeinschaftsprojekt mit AMG war, sind die Veränderungen an der Starrachse in Eigenregie entwickelt worden. "Die Starrachse am Heck war uns wichtig, weil man kaum kinematische Veränderungen hat, wenn durch Zuladung Last daraufkommt", erklärt Metzger. Die Führung ist aber komplett neu. Auf jeder Seite befinden sich jetzt zwei Längslenker, was bedeutet, dass es sich hier eigentlich um eine Fünflenker-Hinterachse handelt. "Das gibt eine deutlich bessere Radführungspräzision zur Vorderachse", sagt Metzger, während er zielsicher den nächsten Felsbrocken anpeilt, um ihn dann mit viel Gefühl zu überfahren.

Am Ende der Testfahrt über den Schöckl kann festgestellt werden, dass die G-Klasse bei allen Veränderungen nichts von ihrer Geländetauglichkeit eingebüßt hat. Aber sie bewegt sich gefühlt viel leichtfüßiger und geschmeidiger durch grobes Geläuf. Man darf also gespannt sein, wie sie sich auf der Straße macht und wie das leicht veränderte Design bei der Fangemeinde ankommen wird.

Quelle: n-tv.de

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