Der sinkende Bierverbrauch wird für deutsche Brauer zum Problem

  17 Januar 2018    Gelesen: 562
Der sinkende Bierverbrauch wird für deutsche Brauer zum Problem
Der Biermarkt in Deutschland schrumpft stark. Etliche Hersteller geraten deshalb in Not. Großbrauer rechnen nun mit einer neuen Konsolidierungswelle. Finanzinvestoren kaufen angeschlagene Marken.
Die Deutschen trinken immer weniger Bier. 2017 haben die heimischen Brauereien Branchenschätzungen zufolge nur noch 92,6 Millionen Hektoliter Bier gebraut und damit so wenig wie zuletzt in Vorfeld der Wiedervereinigung. „Der große Unterschied zu damals ist aber, dass es heute 17 Millionen Konsumenten mehr gibt“, sagt Michael Huber, der Generalbevollmächtigte der Sauerländer Großbrauerei Veltins. Und das Ende des Abwärtsschwungs scheint längst noch nicht erreicht.

„Die Brauer müssen der Realität ins Auge blicken: Auch in den kommenden Jahren wird es kontinuierlich bergab gehen“, prognostiziert Huber. Das aber werde längst nicht jede Brauerei überleben. Um 2,4 Millionen Hektoliter oder umgerechnet rund 2,5 Prozent sind die Verkäufe bundesweit eingebrochen, meldet Veltins auf Grundlage der bislang vorliegenden Daten des Statistischen Bundesamtes, ergänzt durch Branchenschätzungen für den Dezember.

In neun von zwölf Monaten liegen die Werte im Minus, besonders heftig war es dabei in den für die Brauwirtschaft so wichtigen Zeiträumen September und Dezember. Da nämlich lag der Absatz trotz Biergartensaison und Weihnachtsgeschäft jeweils im zweistelligen Prozentbereich im Minus. Verluste verzeichnen dabei vor allem die großen Brauereien. Während regionale Anbieter mit maximal 100.000 Hektolitern Ausstoß zulegen konnten, liegen die Großbrauer mit einem Produktionsvolumen von über einer Million Hektoliter sogar mit vier Prozent im Minus.

Veltins und Paulaner können mehr verkaufen

Zwar gibt es auch einige Gewinner an der Marktspitze. Branchenführer Krombacher etwa konnte genau wie Veltins und Paulaner bei Ausstoß und Umsatz zulegen: Krombacher um 2,5 Prozent auf 7,1 Millionen Hektoliter, Veltins um ein Prozent auf 2,9 Millionen Hektoliter und Paulaner um drei Prozent auf knapp 2,4 Millionen Hektoliter, wie die Marken-Hitliste des Branchendienstes „Inside“ zeigt.

Oettinger, Bitburger und Beck’s dagegen liegen genau wie Warsteiner, Hasseröder, Radeberger und Erdinger zum Teil deutlich im Minus. „Es gibt einige wenige erfolgreiche Marken, denen man guten Gewissens auch in Zukunft Wachstum zutrauen kann, und es gibt jene Marken, die den Zenit ihres Lebenszyklus schon sichtbar überschritten haben“, analysiert Volker Kuhl, der Geschäftsführer Marketing und Vertrieb bei Veltins. „Bis 2025 wird es nicht mehr für alle Premiumanbieter im Markt reichen“, sagt Kuhl und prognostiziert angesichts des absehbar dauerhaft rückläufigen Marktes sowohl Übernahmen als auch Pleiten.

Erste Konsolidierungstendenzen gibt es bereits. Weltmarktführer Anheuser-Busch Inbev (AB Inbev) strafft sein Portfolio in Deutschland und verkauft die beiden Marken Hasseröder und Diebels mit den dazugehörigen Braustätten in Wernigerode im Harz und in Issum am Niederrhein für einen ungenannten Betrag an den Finanzinvestor CK Corporate Finance (CKCF). Zwar hatten sich in den vergangenen Monaten auch etliche Brauereien die Bücher und die Produktion der beiden Marken angeschaut, anschließend aber abgewinkt.

Zum einen sei die Technik an beiden Standorten veraltet, was dementsprechend weitere hohe Investitionen nach sich ziehen würde. Der neue Besitzer indes zeigt sich zuversichtlich. Er wolle den „etwas verstaubten Bier-Juwelen“ neuen Glanz verleihen, kündigte CKCF-Chef Daniel Deistler an. Ziel sei es, nachhaltiges Wachstum zu generieren und dabei Arbeitsplätze zu sichern und auszubauen.

CKCF plane langfristige Investitionen in die Biermarken und Brauereistandorte. „Wir wollen uns auf die Stärken von Hasseröder und Diebels konzentrieren, um das Wachstum dieser bedeutenden Traditionsmarken zu fördern und diese in der Öffentlichkeit wieder präsenter aufzustellen.“ Markenbekanntheit und Image seien schließlich gut und in der Vergangenheit lediglich aus dem Fokus geraten.

AB Inbev dagegen traut sich diese Neuaufstellung offenbar nicht mehr zu. Der weltweit größte Brauereikonzern, der dem Vernehmen nach allenfalls die Hälfte des ursprünglich angepeilten Verkaufspreises erzielen konnte, will sich auf dem deutschen Markt stattdessen auf die Weiterentwicklung der nationalen Marken Beck’s und Franziskaner konzentrieren sowie die Verbreitung seiner mexikanischen Tochtermarke Corona, wie Deutschland-Chef Harm van Esterik berichtet.

Immer mehr Menschen trinken Alkoholfrei

Und Beck’s scheint Pflege nötig zu haben. Denn Verluste gab es bei den Bremern nicht nur 2017. Binnen zehn Jahren ist der Ausstoß laut „Inside“-Zahlen um 430.000 Hektoliter und damit fast 15 Prozent zurückgegangen. Höhere Verluste unter den Premium-Marken hatte lediglich Warsteiner mit 831.000 Hektolitern und damit fast 30 Prozent der Gesamtmenge. Im Plus liegen beim Zehn-Jahres-Vergleich der großen Pils-Hersteller dagegen Veltins und Krombacher.

Als Wachstumstreiber erweisen sich dabei gerade in jüngster Zeit die sogenannten Spezialitätenbiere, die Marke Grevensteiner im Falle von Veltins und die Marke Brautradition bei Krombacher. Beide liegen jeweils über 15 Prozent im Plus.

Dazu gehen die Alkoholfrei-Verkäufe stetig in die Höhe. Krombacher hat dabei nicht zuletzt von der Einführung des Produkts null Prozent profitiert, das anders als die klassischen alkoholfreien Biere allenfalls noch Minimalstmengen an Restalkohol enthält.

Veltins zieht nun nach und bietet ab April ebenfalls Alkoholfrei null Prozent an, zum einen als Pils und zum anderen als Radler. Dafür haben die Sauerländer für rund 6,5 Millionen Euro in eine neue Entalkoholisierungsanlage investiert. Bis 2024 sollen zudem weitere gut 400 Millionen Euro in neue Technik investiert werden. „Damit erhöhen wir die Produktivität und damit auch die Wertschöpfung“, sagt Brauerei-Chef Huber. „Das müssen viele andere auch, die meisten können es aber nicht.“ Die Konsolidierung in der Branche werden daher in den nächsten Jahren kräftig Fahrt aufnehmen.

Quelle : welt.de

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