Studien auf der Detroit Auto Show

  17 Januar 2018    Gelesen: 1151
Studien auf der Detroit Auto Show
Jahr für Jahr ist zu hören, dass es mit Detroit endlich wieder aufwärts geht, doch so richtig in Schwung will die Motorcity nicht kommen. Auf der Auto Show kann man dagegen zumindest für ein paar Tage einen Blick in die Zukunft werfen.
Die Zeiten, in denen das Herz der Autoindustrie in Detroit schlug, sind lang vorbei. Die großen US-Hersteller Ford, GM und Chrysler sitzen zwar immer noch in und um Motorcity und auch so mancher Importeur hat sich hier niedergelassen, doch der Glanz der einst schillernden Metropole am Detroit River wird längst von einer dicken Staubschicht überdeckt. Alle Bestrebungen, den Motor der einzigen Stadt der USA, die von Norden aus an Kanada grenzt, wieder auf Touren zu bringen, verliefen bisher im Sand. Zwar schaffen es einige finanzkräftige Hipster, mit stylischen Bars und veganen Bistros samt eigener Kaffeerösterei Downtown Detroit wieder ein wenig Leben einzuhauchen, in Sachen Automobil tut sich dagegen nicht viel. Das wird auch auf der North American Auto Show (NAIAS) deutlich, die traditionell Anfang Januar das Messejahr eröffnet, aber von Jahr zu Jahr weniger Weltpremieren in die gastgebende Cobo Hall lockt.

Wenn es schon an neuen Serienmodellen mangelt - zumindest für den deutschen Markt sind nur die Mercedes G-Klasse, der BMW X2 und der A7 von Bedeutung -, so haben sich dieses Jahr wenigstens ein paar sehenswerte Studien ins eiskalte Michigan verirrt. Die aber haben alle eins gemeinsam: Sie stammen ausnahmslos aus Asien und bis auf eine sogar aus Japan. Einzig die bei uns noch weitgehend unbekannte Marke GAC hält in Detroit die chinesische Flagge hoch und gibt mit dem Enverge einen Ausblick auf ein Zukunfts-SUV, das gleichermaßen für den Stadtalltag und harten Offroad-Einsatz geeignet sein soll.

China-SUV mit Flügeltüren

So konkret die Pläne des China-Herstellers sind, ab 2019 auch auf dem US-amerikanischen Markt durchzustarten, so futuristisch ist das Concept Car: Vor allem die Flügeltüren des Enverge wirken nicht besonders serientauglich; auch wenn Tesla mit dem Model X das Gegenteil beweist, dürften Hersteller, die einigermaßen gewinnorientiert arbeiten wollen zukünftig weiterhin auf klassische Türen setzen. Während die Karosserie mit den schmalen Scheinwerfern und den tief ins Blech gezogenen Kanten am Heck heutzutage durchaus vorstellbar ist und das vor allem aus großen Displays bestehende Cockpit des Enverge so oder so ähnlich wahrscheinlich problemlos realisiert werden könnte, fallen die von der Decke herabragenden Kopfstützen wiederum in die Kategorie "nur Showcar-tauglich".

Das gilt derzeit auch noch für die in die Seitenscheiben integrierten Displays, die allerdings schon bald Realität werden könnten – nicht nur bei den Chinesen. Der in der Studie verbaute Elektroantrieb ist dagegen kein Hexenwerk mehr: Im Concept Car steckt eine 71-Kilowattstunden-Batterie, die genügend Strom für rund 600 Kilometer Reichweite bereithält und kabellos per Induktion geladen werden kann. Den Antrieb des Allrad-SUV übernimmt ein 177-kW-Motor, der den Chinesen in 4,5 Sekunden auf Tempo 100 wuppen soll; weniger beeindruckend ist die Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h.

Lexus bleibt expressiv

Solch konkrete Daten über den Antrieb verrät Lexus nicht, die Toyota-Tochter verspricht lediglich, dass der LF-1 Limitless sowohl von einer Brenstoffzelle als auch rein batterielektrisch, von einem Verbrenner oder einer Hybrid-Kombination angetrieben werden kann. Mehr als ein technischer Ausblick soll der LF-1 aber auch eine Vorschau auf das künftige Design der Lexus-Crossover-Fahrzeuge sein. Die sind, wie kaum anders zu erwarten, nach wie vor ziemlich expressiv gestaltet und auch von dem überdimensionalen Kühlergrill verabschieden sich die Japaner nicht.

Mit dem GAC Enverge gemein hat der LF-1 die extrem schmalen Scheinwerfer, die sich beim Lexus allerdings zusammen mit den Blinkern nahtlos in die vielen Sicken und Kanten an der Front einfügen. Mindestens genau so viel Aufmerksamkeit zieht auch das Heck auf sich: Der Dachspoiler ist zweigeteilt, die geschwungenen Rückleuchten sitzen dreidimensional ausgestaltet auf den breiten Kotflügeln und die Luftauslässe in der Schürze haben fast schon Laubsauger-Dimension.

Gediegener Lexus-Luxus

Während das Äußere der Fünfmeter-Studie also ausgesprochen extrovertiert daherkommt, setzt Lexus innen eher auf gediegenen Luxus und ein fast schon serienreifes Cockpit: Natürlich kommen auch hier viele Displays und berührungsempflindliche Touchflächen zum Einsatz und herkömmliche Schalter und Tasten wurden fast gänzlich verbannt, von ausgefallenen Sitzkonfigurationen oder Virtual-Reality-Spielereien sehen die Japaner bislang aber ab.

Stattdessen gibt es vier große Sessel, in denen man sich gemütlich zurücklehnen kann, wenn der Autopilot das Steuer übernimmt – wie es sich für eine Zukunftsvision gehört, beherrscht der LF-1 natürlich das autonome Fahren per Knopfdruck. Um das Wohlfühlambiente zu komplettieren, hat Lexus ein ausgefeiltes Beleuchtungssystem ersonnen, das mit vielen Mini-LED in der hölzernen Türvertäfelung für Stimmung sorgt. Lichter rund um den Kühlergrill begrüßen den Fahrer zudem schon, wenn er sich dem Wagen nähert.

Klassische SUV-Form bei Nissan

Eine Nummer kleiner als der Lexus tritt die offiziell noch antriebslose Nissan-Studie Xmotion an, die auf ein mögliches neues Kompakt-SUV hinweist – und nach Herstellerangaben bitte Cross-Motion und nicht X-Motion ausgesprochen werden möchte. Mit kurzen Überhängen, markanten Radhäusern und einer durchaus erkennbaren Kastenform sieht der Xmotion weitaus weniger futuristisch aus als andere Concept Cars und könnte durchaus ein Vorbote für die Neuauflagen von Qashqai oder X-Trail sein. Innen geht es dagegen deutlich visionärer zu: Durch die gegenläufigen Türen entert man einen luftigen Innenraum, in dem sowohl die Einzelsitze als auch die wuchtige Mittelkonsole scheinbar frei schweben.

Auffällig ist der vermehrte Einsatz von hellem, unbehandelten Holz, das vor allem am Armaturenbrett ein wenig nach Meisterstück eines Tischlergesellen aussieht und an traditionelle japanische Handwerkskunst erinnern soll. Darüber spannt sich über die gesamte Breite eine hochauflösende Display-Einheit, bestehend aus fünf Einzelteilen, die Kombiinstrument, Infotainment-Bildschirm und Beifahrer-Bespaßung vereint. Herkömmliche Schalter sucht man auch hier vergebens, lediglich auf dem kleinen, rechteckigen Lenkrad gibt es ein paar angedeutete Tasten und auf dem Mitteltunnel thront ein Touch-Bedienfeld.

Welche Funktion der tatsächlich frei auf der Holz-Armlehne zwischen den Fondsitzen schwebende Kreisel hat, erläutert Nissan nicht. Wahrscheinlich dient er lediglich als Deko-Element, an dem sich die Gäste in Reihe zwei und auch die beiden auf den Notsitzen dahinter untergebrachten Kinder erfreuen können – alternativ empfiehlt Nissan die dritte Reihe für Haustiere, denen eine schwebender Knochen oder ein paar Brekkies aber wahrscheinlich deutlich lieber wären.

Infiniti folgt nicht dem SUV-Trend

Nissan, Lexus und GAC zeigen: SUV liegen nach wie vor im Trend, vor allem in Detroit. Dass es auch anders geht, beweist Nissans Nobeltochter Infiniti, die mit der Studie Q Inspiration Concept anhand einer Limousine ihre neue Designsprache demonstrieren will. Die wirkt deutlich weniger barock als bisher und könnte die Infiniti-Modell optisch tatsächlich endlich in die Neuzeit transportieren. Nicht fehlen darf dabei natürlich die fast schon obligatorische, coupéhafte Dachlinie, die kombiniert mit der hohen Gürtellinie und der schmalen Fenstergrafik für Sportlichkeit sorgt. Besonders kraftvoll wirken die stark ausgestellten Kotflügel am Heck, die zusammen mit den schmalen, Aston-Martin-artigen Rückleuchten für einen knackigen Abschluss sorgen.

Innen präsentiert sich der Q Inspiration ziemlich puristisch und ist voll und ganz auf das Wohlbefinden der Passagiere ausgelegt: Störgeräusche sollen minimiert werden und jeder Fahrgast hat einen eigenen Touchscreen: Die Technik dahinter überwacht die Vitalfunktionen des Fahrgastes und reduziert, wenn sie Stress feststellt, die Anzeigen auf ein Minimum. Auf Wunsch kann man sich vom Infiniti-System auch durch ein Meditationsprogramm führen lassen.

Damit sich auch der Fahrer entspannen kann, beherrscht auch der Q Inspiration natürlich das autonome Fahren. Beim Antrieb dagegen setzt Infiniti auf bekannte Technik: Unter der Haube des Concept Cars steckt der kürzlich präsentierter Zweiliter-Vierzylinder Turbobenziner mit variabler Kompression, der schon bald im QX50 in Serie geht. Eine Aussicht, die der Q Inspiration nicht hat: Schon im ersten Satz der Pressemappe weist Infiniti darauf hin, dass die Studie nicht zum Verkauf angeboten wird. Zum Träumen aber eignen sich alle vier Detroit-Studien hervorragend.

Quelle: n-tv.de

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