Konkurrenz für Nasa: Türkei gründet eigene Weltraum-Behörde

  12 Dezember 2015    Gelesen: 1660
Konkurrenz für Nasa: Türkei gründet eigene Weltraum-Behörde
Die Türkei will künftig auch im All ein Wörtchen mitreden. Erste Beobachtungssatelliten wurden bereits geschickt. Jetzt steht die Gründung der Türkische Weltraumbehörde (TSA) kurz vor dem Abschluss. Ob die ambitionierten Pläne tatsächlich aufgehen, steht jedoch in den Sternen.
Türkische Pläne für die Erkundung des Weltalls gibt es bereits seit mehr als zehn Jahren. Schon 2001 verkündete die Regierung, schon „bald“ eine nationale Raumfahrtbehörde ins Leben zu rufen. Doch erst am 1. Oktober 2014, ganze 13 Jahre später, erklärte ein Kabinettsmitglied, dass der Gesetzesentwurf für die TSA kurz vor der Fertigstellung sei. Ob sich alle ambitionierten Ziele umsetzen lassen, scheint allerdings fraglich.

Seit der ersten Idee wurden Politiker und Militär-Angehörige nicht müde, die Bedeutung eines türkischen Raumfahrtprogramms zu betonen. Neben Land, Luft und See sollte das Weltall die vierte militärische Kraft des Landes werden. Bis zum 100-jährigen Jubiläum der Republik 2023 solle sogar ein türkisches Spaceship ins All starten.

Neun Jahre vor dem historischen Termin steht jetzt zumindest die Gründung der Türkischen Weltraumbehörde (TSA) kurz vor dem Abschluss, so die türkische Zeitung Hürriyet. Nachdem alle zuständigen Stellen kontaktiert worden seien, stehe der Gesetzesentwurf und sei dem Kabinett zur endgültigen Genehmigung vorgelegt worden. Anschließend werde der Gesetzentwurf für die weitere Debatte und Abstimmung ins Parlament gegeben.

„Die Agentur wird alle Raumfahrtprogramme koordinieren“, so der türkische Verkehrsminister Lütfi Elvan. Er ist überzeugt, dass sie wesentlich zur Beschleunigung der türkischen Weltraum-Ambitionen beiträgt. Die TSA soll im Rahmen einer Studie die Ziele der türkischen Raumfahrt festlegen. „Zudem soll die Behörde Astronauten für die bemannte und unbemannte Raumfahrt ausbilden, einheimische Weltraumfahrzeuge entwerfen und testen“, so das Portal Vaybee. Entstehen sollen außerdem Forschungslabore für Weltraumtechnik und eigene Weltraumfahrzeuge. Zu letzterem gehöre entsprechend auch die Entwicklung jeglicher Treibstoffe und chemischer Mittel.

Dem Minister zufolge soll bereits im kommenden Monat ein türkischer Satellite Launching Center eingeweiht werden. Der so genannte UFS soll als Satelliten-Test und Integrations-Anlage verwendet werden. Betrieben werde das Ganze von der türkischen Luftwaffe, so das Blatt. Begründet werde die Einrichtung damit, die Abhängigkeit der Türkei von ausländischen Institutionen zu beenden. Immerhin verfüge das Land über mehrere Satellitenprogramme. Derzeit konzentriert sich das türkische Militär auf Nachrichtengewinnung, Überwachung-s und Aufklärungsmissionen. Das UFS sei nun von UFS der türkischen Beschaffungsbehörd, dem Unterstaatssekretariat für Verteidigungsindustrie (SSM) und dem Telekommunikationsriesen Türksat finanziert worden.

Nach der Türksat-I,-II und-III-Serie, die in den 1990er und 2000er Jahren ins Leben gerufen wurden, unterzeichnete Türksat nun einen Vertrag mit Mitsubishi für die TÜRKSAT-IV-Serie Kommunikationssatelliten, von denen der erste bereits Anfang dieses Jahres in Umlaufbahn gebracht wurde. Türksat habe aber auch Ambitionen, seinen eigenen Satelliten zu entwickeln und zu bauen, so die Zeitung. Elvan zufolge würde ein Vertrag über Türksat–VIA, dem ersten indigene Satellit, bereits im November unterzeichnet werden. Türksat-VIA würde dann auf dem UFS getestet werden.

Luft-und Raumfahrt-Experten sind jedoch skeptisch, was UFS angeht. Es gebe Warnungen, dass der Satellitenmarkt nicht groß genug sein könnte, um UFS zu unterstützen. „Es gibt eine große Anzahl von Erdbeobachtungs-, Kommunikations-, Frühwarnungs- und Geo-Positionierungs-Satelliten, die geplant sind. Doch viele von ihnen sind noch zehn Jahre entfernt, während das Zentrum nun schon bald in Betrieb gehen soll“, zitiert die Hürriyet einen anonymen Fachmann. Anders als der Erd-Beobachtungssatellit von der italienischen Firma Telespazio, gebe es keine indigenen Satelliten, die Reife genug seien, um ein UFS zu rechtfertigen. Analysten warnen zudemm, dass selbst Türksat–VIA, das modernste aller türkischen Programme, ein paar Jahre brauchen werde, bis es die Integrations- und Test-Center Phase erreichen werde. Alle anderen Projekte seien erst für Mitte der 2020er und darüber hinaus angedacht.

Die Türkei setzt auf Satelliten-Aufträge von ausländischen Kunden. Doch das abschließen von Verträgen könnte auf dem hart umkämpften internationalen Markt alles andere als einfach werden. Die Tüsaş, die Turkish Aerospace Industries (TAI), wird die türkischen Satelliten entwickeln. Doch darüber hinaus ist man ein völliger Newcomer in diesem Geschäft. Dass die TAI ihre Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten kann, wird in Industriekreisen bezweifelt.

Die Türkei plant bis zum Jahr 2020 16 Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen. Die entsprechenden Verträge belaufen sich nach Angaben der Zeitung auf rund zwei Milliarden US-Dollar.

Die türkischen Ambitionen werden jedoch auch von politischer Seite skeptisch beäugt. So sollen einige westliche Verbündete befürchten, dass UFS dazu genutzt werden könnte, um von dort Langstrecken-Raketen abzufeuern. Auch diese stehen mittelfristig auf der türkischen Agenda. Bereits vor zwei Jahren kündigte die Türkei an, Langstreckenraketen mit einer Reichweite von 2.500 Kilometern konstruieren zu wollen (mehr hier). Die Türkei ist jedoch auch Mitglied beim Raketentechnologie-Kontrollregime (MTCR). Ein freiwilliger Zusammenschluss von Staaten, der die Verbreitung von ballistischen Raketen und unbemannten Luftfahrzeugen verhindern soll. Der Bau der neuen Waffen passt nicht zu den Regeln des MTCR, zu denen sich die Türkei bekannt hatte. Seither wurde wenig über dieses Programm bekannt. Erst im Januar 2013 erklärte ein Kabinettsmitglied, dass die Türkei die Fähigkeiten besäße, um eine Rakete mit einer Reichweite von 800 Kilometern zu produzieren.

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