Das sind Merkels Kritiker in der CDU

  14 Februar 2018    Gelesen: 1147
Das sind Merkels Kritiker in der CDU
Die CDU gilt nicht gerade als Partei der Rebellion. Allerdings gibt es durchaus einige Merkel-Kritiker unter den Christdemokraten. Mindestens einer von ihnen rechnet sich Chancen auf ihre Nachfolge aus.
 

Sechs Vorsitzende hatte die CDU seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland, bei der SPD sind es fünfzehn, wenn man Andrea Nahles schon mitzählt. Während Sozialdemokraten gar nicht häufig genug neu anfangen können, setzt die CDU auf Kontinuität.

Das heißt nicht, dass ihre Führung stets unumstritten wäre. Gegen den damaligen CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzler Helmut Kohl gab es im September 1989 sogar einen Putschversuch, der vor allem deshalb scheiterte, weil Ungarn kurz vor dem geplanten Showdown die Grenze zu Österreich öffnete und DDR-Bürger ausreisen ließ.

Ein Putsch gegen Angela Merkel ist bislang nicht in Sicht. Aber es gibt durchaus einige Politiker in der CDU, die gut und gerne auf die Kanzlerin verzichten könnten. Eine Übersicht.

Die Ehemaligen


Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte Hessens Ex-Ministerpräsident Roland Koch, der Verzicht auf das Finanzministerium sende die Botschaft, "dass die CDU fast alles mit sich machen lässt, damit es zu einer Regierung kommt". Koch findet, die CDU "hätte sich nach dem Aus der Jamaika-Sondierungen trauen müssen, für eine Weile eine Minderheitsregierung zu bilden". Unausgesprochen steht dahinter wohl der Gedanke, dass Merkel dann über kurz oder lang weg gewesen wäre: Niemand geht davon aus, dass eine Minderheitsregierung für eine volle Legislaturperiode halten würde. Indirekt gibt Koch Merkel den Rat, vor dem Ende der Legislaturperiode abzutreten, damit ein Nachfolger aus dem Amt heraus Wahlkampf führen kann. Merkel hat dies bislang ausgeschlossen.

Zur Gruppe der Ehemaligen gehört auch Friedrich Merz, der 2002 als Chef der Unionsfraktion im Bundestag von Merkel verdrängt wurde und sich 2009 aus der Politik zurückzog, bei konservativen CDU-Mitgliedern aber noch immer hoch angesehen ist. Anders als Koch rief Merz in der "Bild"-Zeitung dazu auf, den Koalitionsvertrag abzulehnen: "Wenn die CDU diese Demütigung auch noch hinnimmt, dann hat sie sich selbst aufgegeben."

Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach schied erst 2017 aus dem Parlament aus. Bei Markus Lanz kritisierte er kürzlich erneut Merkels Eurorettungs- und Flüchtlingspolitik. Über Merkel sagte er, es sei ein Problem, dass sie keinen "Kronprinzen" aufgebaut habe: "Wenn Sie heute in die Partei hereinhören, wer könnte denn Angela Merkel politisch beerben, schallen Ihnen sofort sechs oder acht Namen entgegen. Darunter ist aber keiner, wo sich die gesamte Partei hinter versammeln würde." Bosbach, der zum "Berliner Kreis" gehört (dazu weiter unten mehr), sagte aber auch, die CDU würde sich mit einer Nachfolgedebatte keinen Gefallen tun.

Die jungen Wirtschaftsliberalen


Angeführt wird diese Gruppe von Jens Spahn. Er hat die Kunst der loyalen Distanzierung perfektioniert. Damit wurde er (gegen Merkels Willen) Präsidiumsmitglied und (mit ihrer Zustimmung) Staatssekretär im Finanzministerium. In der Flüchtlingskrise schaffte er das Kunststück, die Kanzlerin zu kritisieren, ohne sich offen gegen sie zu stellen. "Im Moment arbeite ich jeden Tag dafür, dass sie nach dem 24. September Kanzlerin bleibt", sagte er im letzten Bundestagswahlkampf. Tatsächlich düste er kreuz und quer durch die Republik: 170 Termine absolvierte er außerhalb seines eigenen Wahlkreises.

Nach der Bundestagswahl ließ Spahn den Merkel-Kritiker gelegentlich aufblitzen. Am Abend der Wahl in Österreich tauchte er auf der Party der ÖVP auf und postete ein gemeinsames Foto mit Wahlsieger Sebastian Kurz, der noch sehr viel Merkel-kritischer ist als Spahn selbst. Zuletzt traf er Kurz beim Opernball, auch davon gab es bei Twitter ein Foto. In Wien gab er der Zeitung "Die Presse" ein Interview, in dem er dosierte Kritik an der Kanzlerin übte, den Koalitionsvertrag aber verteidigte. Auf den Hinweis, die Debattenkultur in der CDU sei doch verkümmert, entgegnet Spahn: "Wir können es eigentlich besser, ja." Den Verlust des Finanzministeriums nennt er, wie Merkel, "schmerzhaft", er fragt aber auch, wie Merkel: "Was würde es für Deutschland und Europa bedeuten, hätten wir jetzt immer noch keine Regierung in Aussicht?"

Mit Spahn verbündet sind zwei junge und dennoch einflussreiche Bundestagsabgeordnete, die ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen stammen: Carsten Linnemann, Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, und Paul Ziemiak, der Vorsitzende der Jungen Union. Wie stark das Gewicht der Spahn-Anhänger ist, machte Ziemiak nach dem Merkel-Interview im ZDF deutlich. Sie hatte dort zugesichert, dass sie noch vor dem CDU-Parteitag am 26. Februar mitteilen werde, welche CDU-Politiker ihrem nächsten Kabinett angehören werden. Genau dies habe die Junge Union gefordert. "Sie hat verstanden und hat das gestern Abend im ZDF kundgetan, dass es diese Liste geben wird."

Die Rolle des scharfen Kritikers hatte nach den Koalitionsverhandlungen vor allem Carsten Linnemann übernommen. Als im Vorstand über den Koalitionsvertrag abgestimmt wurde, enthielt er sich - wie schon vor vier Jahren. Dieses Mal klang er jedoch weitaus besorgter: "Für unsere Partei könnte sich der 7. Februar 2018 als Zäsur herausstellen, als Anfang vom Ende der Volkspartei CDU", sagte er. "Denn spätestens seit der neuen Ressortverteilung läuft nun die CDU Gefahr, massiv an Bedeutung zu verlieren." Für Linnemanns Verhältnisse war das sehr weitgehende Kritik; wie Spahn und Ziemiak tritt er normalerweise als wirtschaftspolitischer Mahner auf, nicht als Fundamentaloppositioneller.

In die Gruppe der konservativ angehauchten jungen Wirtschaftsliberalen passt auch der Thüringer Landes- und Fraktionschef Mike Mohring. "Die Menschen wollen wissen, welches Bild von Deutschland ihre Politiker haben, in zehn, in 20, in 30 Jahren. Als Gesellschaft, als Staat, als Nation. Sie erwarten mehr als ein Wortspiel über ein Land, in dem wir gut und gerne leben", schrieb der 46-Jährige im "Focus" in Anspielung auf den Wahlkampfslogan der CDU. Zum diesjährigen politischen Aschermittwoch der Thüringer CDU in Apolda hat Mohring übrigens einen Gast aus Berlin eingeladen: Jens Spahn.

Die Ministerpräsidenten


Unter den sechs Ministerpräsidenten der CDU gelten maximal drei als Merkel-kritisch: Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Daniel Günther aus Schleswig-Holstein und der Sachse Michael Kretschmer, der schon als Bundestagsabgeordneter zum Spahn-Flügel zählte. Auf dem Parteitag, der ihn im Dezember zum sächsischen CDU-Chef wählte, kritisierte Kretschmer die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Für die Vereinbarung mit der SPD fand er jetzt allerdings lobende Worte. Er könne sich an keinen Koalitionsvertrag erinnern, der "mehr auf ostdeutsche Interessen" abzielte. Während der Sondierungen hatte er noch die "Grundtonalität" kritisiert: "Wir reden sehr viel über Geldausgeben."

Auch Reiner Haseloff kritisiert nicht nur, sondern lobt auch. Ihm missfiel allerdings, dass nach aktuell kursierenden Namenslisten kein Ostdeutscher dem nächsten Kabinett angehören soll. Die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin kritisierte er weniger scharf als die CSU, aber doch deutlich. Im Oktober 2017 forderte er einen "Generationswechsel" in der CDU.

Ähnlich äußerte sich kürzlich Daniel Günther. Die CDU müsse ihre Regierungsperspektive über Merkels Amtszeit hinaus sichern, sagte der 44-Jährige dem Deutschlandfunk. "Und ich wünsche mir, dass viele Kabinettsposten von neuen talentierten jungen Menschen, aber vor allem auch zur Hälfte aus Frauen bestehend, von der Union besetzt werden." Im aktuellen "Spiegel" wird er als Kronzeuge für die "Wut" in der CDU über das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen angeführt. Ob er dazu taugt, ist fraglich: Günther sagte dem Deutschlandfunk auch, er unterstützte "absolut", dass Merkel die volle Legislaturperiode Kanzlerin und CDU-Chefin bleiben wolle.

Die Konservativen im Bundestag

Deutlich kompromissloser als die bisher Genannten sind ein paar Bundestagsabgeordnete, die schon seit Jahren immer wieder zitiert werden, wenn belegt werden soll, dass es eine innerparteiliche Opposition gegen Merkel gibt. Zum Beispiel Klaus-Peter Willsch, ein Bundestagsabgeordneter aus Hessen, der in der Eurorettungspolitik zum Merkel-Kritiker wurde. "Der Versuch, mit dem üblichen 'Weiter so' das schlechte Verhandlungsergebnis und die Wahlschlappe von September schönzureden, hat mich nicht überzeugt. Wir müssen uns in der CDU schon jetzt überlegen, wie wir uns ohne Merkel personell neu aufstellen", sagte Willsch vor einigen Tagen der "Bild"-Zeitung.

Willsch ist Mitglied im Vorstand des Parlamentskreises Mittelstand, einer Gruppierung in der Unionsfraktion, der immerhin 190 der 310 Unionsabgeordneten angehören. Vorsitzender des Mittelstandskreises ist Christian von Stetten aus Baden-Württemberg, ebenfalls ein dezidierter Merkel-Kritiker. Nach Abschluss des Koalitionsvertrags drohte von Stetten damit, Gesetze der Koalition zu blockieren: "Die Gesetze werden im Bundestag gemacht, nicht bei Koalitionsverhandlungen", sagte er.

Neben Willsch und von Stetten gibt es eine ganze Reihe solcher Stimmen, Abgeordnete wie Sylvia Pantel, Veronika Bellmann und Arnold Vaatz, die (wie Willsch) Mitglied im "Berliner Kreis" sind, einem Zusammenschluss konservativer Mandatsträger der Union. Oder Olav Gutting, der mit einem Tweet bekannt wurde, in dem er schrieb: "Puuuh! Wir haben wenigstens noch das Kanzleramt!"

Der Einfluss dieser Konservativen ist allerdings überschaubar - sie sorgen eher für das Hintergrundrauschen, das Parteifreunde aus der Riege der Spahn-Verbündeten brauchen.

Der Wirtschaftsrat

Das Gleiche gilt für den Wirtschaftsrat der CDU, der offiziell kein Teil der Union ist, sondern ihr nahesteht. Der Präsident des Wirtschaftsrats, Werner Bahlsen, und sein Generalsekretär Wolfgang Steiger sind immer gut für ein apokalyptisches Zitat. "Dadurch, dass die SPD das Schlüsselressort Finanzen erhält, winkt ein Ende solider Haushaltspolitik", sagte etwa Bahlsen. "Für die CDU ist die Ressortverteilung ein miserables Verhandlungsergebnis", sagte Steiger. Der Koalitionsvertrag atme "den Mief der Umverteilung".

Die Werteunion


Noch weiter weg vom Zentrum der Macht steht die Werteunion, eine Vereinigung konservativer Gruppierungen in der Union. Sie ähnelt in der Radikalität ihrer Forderungen den Jusos in der SPD: Vom CDU-Parteitag am 26. Februar fordert die Werteunion, den Koalitionsvertrag abzulehnen. Dies sei für die Delegierten "eine Frage der Ehre", sagt der Vorsitzende der Werteunion, Alexander Mitsch. Sehr deutlich steht dahinter die Forderung nach einem Rücktritt der Parteivorsitzenden und Kanzlerin: Wenn die CDU erst wieder über Inhalte diskutiere, werde sich schnell herausstellen, dass "eine personelle Erneuerung zwingend notwendig ist", so Mitsch. So viel ist sicher: Mit einem Ministerposten für Spahn und der von Merkel angekündigten "Neuaufstellung" wird die Werteunion nicht zufrieden sein.

Quelle: n-tv.de


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