Wenn Michael Schultz von UFO spricht, dann geht es ihm nicht um fliegende Untertassen oder rätselhafte Leuchterscheinungen am Himmel. Schultz denkt dann an ferngesteuerte Flugzeuge, an Flugzeuge ohne Piloten also, und an die Zukunft des Gütertransports in der Luft. Im Projekt "Unmanned Freight Operations" – zu Deutsch unbemannter Frachtbetrieb – haben Schultz und sein Team untersucht, wie sich fernkontrollierte Flugzeuge in den regulären Luftverkehr integrieren lassen. Schultz leitet die Abteilung Luftverkehrssysteme am Institut für Flugführung beim DLR, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
"Ein Frachtflugzeug ohne Piloten an Bord bietet einige Vorteile", sagt Schultz. "So könnte einerseits aufs Cockpit und – je nach Fracht – auch auf die Druckkabine verzichtet werden." Außerdem ließe ein vom Boden aus gesteuertes Flugzeug normale Arbeitszeiten zu: Nach einer Schicht von 8 bis 16 Uhr könnte die Fernkontrolle an einen Kollegen am anderen Ende der Welt übergeben werden. "Der hätte dann ebenfalls einen ganz normalen Arbeitstag", sagt der Luftfahrtexperte.
Effizienter und umweltverträglicher
Ein Pilot am Boden anstatt zwei im Cockpit? Nach großer Effizienzsteigerung hört sich das nun nicht gerade an. "Auf einer Frachtmaschine sitzen je nach Umlauf zwei bis vier Piloten", erklärt Schultz. "Und die dürfen ihre maximale Arbeitszeit nicht überschreiten, müssen sich also abwechseln. Für einen Langstreckenflug, bei dem vielleicht noch an mehreren Unterwegsflughäfen Fracht aufgenommen wird, müssen deshalb 8 bis 12 Piloten vorgehalten werden." Das macht die Personalkosten heute zu einem wichtigen Faktor und erfordert zudem eine recht umfangreiche Personaleinsatzplanung. Beides ließe sich mit fernkontrollierten Frachtflugzeugen tatsächlich reduzieren.
Außerdem sieht Schultz einen großen Vorteil darin, dass Frachtflugzeuge ohne Rücksicht auf Dienstpläne ökonomischer fliegen könnten. "Ist Zeit, genauer gesagt die Arbeitszeit kein limitierender Faktor mehr, könnten beispielsweise langsamere Frachtflugzeuge Treibstoff sparen und damit auch ökologisch effizienter werden."
Militärische Anwendungen machen es vor
Dass sich Fluggeräte über weite Entfernungen routiniert vom Boden aus kontrollieren lassen, haben vor allem militärische Anwendungen gezeigt. Auf den zivilen Luftverkehr lässt sich das aber nicht so einfach übertragen. "Die Sicherheitsanforderungen in der Verkehrsfliegerei sind um ein Vielfaches höher als beim Militär. Das militärisch akzeptierte Risiko kann jedoch kein Maßstab für den zivilen Luftverkehr sein. Da ein Absturz nie gänzlich ausgeschlossen werden kann, gibt es sogenannte Zielwerte für die Luftverkehrssicherheit, welche bei 10-9 liegen – bei einer Milliarde Flügen darf es allerhöchstens zu einem Totalverlust kommen." Ein solcher Vergleich macht deutlich, warum das Personal, die Flugzeuge und alle Abläufe höchsten Sicherheitsanforderungen genügen und speziell zertifiziert sein müssen, um am zivilen Luftverkehr teilnehmen zu dürfen.
Wie sich unbemannte, vom Boden fernkontrollierte Flugzeuge in die vorhandenen Luftverkehrsprozesse integrieren lassen, haben Schultz und seine Kollegen anhand von drei Szenarien untersucht. Bei einem stand der Transport von Gütern zwischen verschiedenen Standorten im Fokus. Die Rahmenbedingungen: Eine kleine Cessna legt relativ kurze Strecken zurück. Sehr viel größere Entfernungen legte die fiktive Frachtversion einer Boeing 777 im zweiten Szenario zurück, dass den Langstreckenfrachttransport unter die Lupe nahm. Als Drittes stand der Transport von Hilfsgütern nach Afrika im Fokus. Hier interessierte die Forscher auch, ob sich dabei Formationen aus mehreren fernkontrollierten Frachtflugzeugen realisieren lassen.
Und wenn die Verbindung abbricht?
"Wir haben nachgewiesen, dass nach unserer Expertise alle drei Szenarien schon nach heutigen Standards operationalisierbar sind, sich also in den normalen Luftverkehr effizient einbinden lassen. Natürlich müssen noch einige betriebliche Fragen im Detail geklärt werden", sagt Schultz. Dazu gehören ihm zufolge nicht nur die Fragen nach der zukünftigen Aufteilung von Verantwortlichkeiten, sondern auch die Festlegung von Kommunikationswegen zwischen Piloten und Fluglotsen während eines fernkontrollierten Fluges.
Bis wohin fliegt welcher Pilot? Wie wird die Übergabe geregelt? Kommunizieren Piloten und Lotsen über das Flugzeug als Relaisstation oder direkt per Telefon? Oder sitzen sie vielleicht sogar im selben Raum? Auch die Leistungsfähigkeit und Sicherheit des Datenlinks müssen noch weiter untersucht werden. Wie verhält sich das Flugzeug, wenn die Verbindung zum Boden abbricht? Oder wie muss sie gegen unberechtigten Zugriff gesichert werden? Doch Schultz ist zuversichtlich: Bereits jetzt zeige sich ein reges Interesse der Luftfahrtbranche - trotz des weiteren Forschungsbedarfs.
Quelle: n-tv.de
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