Südkorea internationalisiert das Olympiateam

  14 Februar 2018    Gelesen: 1161
Südkorea internationalisiert das Olympiateam
Südkorea ist eine erfolgreiche Wintersportnation - allerdings nur auf dem Eis. Vor dem Olympischen Heimspiel wollte sich das Land breiter aufstellen, ging auf internationale Einkaufstour und lockerte sogar die Einwanderungsgesetze.
 

Auch in Südkorea verbreiten sie ihre Stammtischweisheiten, jenes bierselige Halbwissen über das Gastgeberland der Olympischen Spiele, das, je lauter sie es herausposaunen, mehr und mehr als Fakt gilt. So erzählen sich die internationalen Gäste dieser Tage hier in Pyeongchang gerne, Südkorea sei halt keine Wintersportnation. Am lautesten erzählen sie es, wenn es am leisesten ist. Auf dem Stimmungsfriedhof unterhalb der Skisprungschanzen und auch auf der Intensivstation Biathlonstadion, wo nur vereinzelt Fangrüppchen aus Deutschland, Frankreich, Tschechien und Estland für atmosphärische Zuckungen sorgen.

Den Faktencheck besteht die Parole allerdings nicht pauschal. Im ewigen Medaillenspiegel der Olympischen Winterspiele liegt Südkorea immerhin auf Rang 13 - von 39 gelisteten Nationen. Gleichauf mit China, noch vor Japan, Tschechien und Polen. Allerdings: Keine einzige der 53 Medaillen holten die Ostasiaten auf Skiern, jedes einzelne Gold, Silber und Bronze verdienten sie sich auf Kufen: 42 im höchst populären Shorttrack, neun im Eisschnell- und zwei im Eiskunstlauf. Bedeutet für das Stammtischwissen: Korea ist keine klassische Wintersport-, sondern eine führende Eissportnation.

Aber nur beim Shorttrack und ein bisschen mit Eisschnelllauf und Eiskunstlauf zu glänzen, das reichte dem stolzen Land nicht. Bei den Winterspielen wollten die Südkoreaner dem Heimpublikum mehr bieten und ein Gastgeber sein, der sich nicht blamiert, der nicht in fast allen Disziplinen nicht konkurrenzfähig ist. Und so verpflichteten sie für das international unbedeutende Eishockeyteam sieben Kanadier und einen Amerikaner. Spieler sind das allerdings, die es in ihrer Heimat niemals in die Nationalmannschaft geschafft hätten. Ebenso wie die eingekauften Biathleten, ein Langläufer aus Norwegen und ein amerikanischer Eiskunstläufer.

Beste Koreanerin - oder viertbeste Deutsche


Nur in Sachsen, da gruben die Südkoreaner eine deutsche Rodlerin aus, die ihre Kufen auf internationalem Top-Niveau beherrscht: Sie nennen sie Lim Il Wi. Was übersetzt so viel bedeutet wie: "Gewinnt den ersten Preis". Am Montag und Dienstag rodelte Lim Il Wi erstmals bei Olympischen Spielen. Nicht für Deutschland, wo sie geboren wurde, wo sie Aileen Christina Frisch heißt, wo sie 2012 so erfolgreich war, dass sie Junioren-Weltmeisterin im Einzel und im Team wurde. Sondern für Korea.  Und das mit Stolz. Nicht unbedingt aber mit Nationalstolz. "Ich bin super glücklich, ich freue mich so sehr, dass es geklappt hat", erzählte sie nach Platz acht, als beste Koreanerin. Oder eben als viertbeste Deutsche.

Und das ist der Grund, warum Frisch überhaupt in Pyeongchang ist. Nach der verpassten Olympia-Teilnahme von Sotschi, wollte sie 2015 ihre Karriere beenden, keinen Spaß mehr, keine Perspektive. Doch dann klingelte das Telefon, Korea calling. In Sachsen, dann auch in Norwegen, den USA, Russland und Kanada. Für die Winterspiele 2018 hat Südkorea 19 Sportler eingebürgert. Das olympische Aufgebot umfasst insgesamt 144 Athletinnen und Athleten. Eine offizielle Statistik gibt es zwar nicht, doch laut des amerikanischen Olympia-Historikers Bill Mallon ist es die größte Zahl an eingebürgerten Sportlern, die ein Gastgeberland je hatte.

Um das möglich zu machen, änderte das Land 2011 seine restriktiven Einwanderungsgesetze. Es ist das Jahr, in dem es den Zuschlag für die Winterspiele bekommen hatte. Bis dahin war es im ostasiatischen Industriestaat so, dass nur einen Pass bekam, wer mindestens fünf Jahre ohne Unterbrechung in Südkora lebte und die Spache fließend sprach. Doch seither heißt es: Wer eine "außergewöhnliche Fähigkeit" hat und "einen Betrag zum nationalen Interesse" leistet, kann die Staatsangehörigkeit erhalten, ohne seine alte abzugeben - und ohne koreanische Wurzeln zu haben. Die einzigen Hürden: ein kleiner Test mit Fragen zur Kultur und Geschichte sowie das Singen der Hymne.

"Nicht gut geschlafen"


Doch so einfach der Weg ins Land war, so schwierig war der Weg ins Team: "Am Anfang hatte ich das Gefühl, dass einige Teamkolleginnen nicht wollten, dass ich nach Korea komme. Für sie war ich nur ein Ausländer, der ihnen einen Platz im Team wegnimmt", erzählte Frisch der "New York Times" vor den Spielen. "Sie haben nicht gesehen, dass ich ihnen auch helfen kann sie besser zu machen." Angekommen ist Aileen Frisch in Südkorea aber mittlerweile. Auch emotional, wie sie betont.

Als sie am Freitag während der Eröffnungsfeier ins Olympiastadion einlief, inmitten ihrer neuen Landsleute, da fand sie den Moment "emotional, überwältigend, sehr schön. Aber nicht komisch", wie sie dem Sportinformationsdienst erzählte. Seit einem Jahr lebt die Sächsin nun schon in der Hauptstadt Seoul, trainiert aber viel in Pyeongchang. Und ist beliebt. "Vor meinem vierten Lauf habe ich gehört, wie die Leute im Ziel 'Aileen du kannst das' (auf Koreanisch, Anmerk. d. Red.) gerufen haben. Das hat mich sehr glücklich gemacht. Ich bin echt stolz …" Sie stockt kurz, sagt dann, "… hier daheim zu fahren." Es ist offenbar doch nicht so einfach, die eigenen Gefühle dem neuen Pass anzugleichen.

Das kennt auch Eishockey-Torhüter Matt Dalton. Als er Dezember mit Südkorea gegen sein Geburtsland Kanada spielte, habe er sich "definitiv ein bisschen unbehaglich" gefühlt als die kanadische Nationalhymne erklang. "Ich habe danach nicht gut geschlafen." Das wird ihm am 18. Februar (13.10 Uhr) mutmaßlich wieder so gehen. Dann lautet die abschließende Partie in der Gruppe A des olympischen Eishockeyturniers: Kanada gegen Südkorea.

Quelle: n-tv.de


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