Ob er auch eigentlich auch eklatante Verbesserungen festgestellt habe, fragt eine Journalistin Hans-Peter Bartels, nachdem dieser gut 25 Minuten lang über die vielen Mängel bei der Bundeswehr gesprochen hat. "Die Verbesserung liegt im Bewusstsein der Defizite", lautet die knappe Antwort des Wehrbeauftragten des Bundestags, der als "Anwalt der Soldaten" gerade seinen dritten Jahresbericht über den "Zustand der Bundeswehr" vorgelegt hat.
Über die Mängel der Truppe ist in den letzten Tagen, Wochen und Monaten bereits viel geschrieben und gesprochen worden. Mit bahnbrechenden Neuigkeiten kann Bartels in der Bundespressekonferenz nicht aufwarten:
Zum Jahresende waren alle sechs deutschen U-Boote außer Betrieb.
Von 15 Fregatten verfügt die Marine aktuell nur über neun.
Die Einsatzbereitschaft der 14 in den Dienst gestellten Transportflugzeuge A400 M schwankt massiv - zeitweise konnte Bartels zufolge keine einzige Maschine abheben
Alle fliegenden Verbände klagen über fehlende Ausbildungsmöglichkeiten, "weil zu viele Maschinen an zu vielen Tagen nicht einsatzklar sind".
Von 244 deutschen Kampfpanzern sind derzeit nur 40 Prozent einsatzbereit.
Zusätzlich sind laut Bartels noch 21.000 Dienstposten bei Offizieren und Unteroffizieren unbesetzt.
Daneben fehlt es an Zelten und Winterkleidung für die Einsätze in den kälteren Regionen Osteuropas.
Kurzum: Auch 2017 hat sich der Zustand der Bundeswehr nicht verbessert, eher ist das Gegenteil der Fall. Und das, obwohl Bartels jedes Jahr aufs Neue an die immer gleichen Mängel erinnert - ausgelöst von der 2011 begonnen, aber misslungenen Bundeswehrreform.
Dabei sind Wille und Geld im politischen Berlin da, die Bundeswehr zu einer modernen, vielseitig einsetzbaren Armee umzubauen. Die von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen angestoßenen Trendwenden seien zu begrüßen, sagt Bartels dann auch bei der Vorstellung des neuen Berichts. "Nur macht die Proklamation allein noch nichts besser."
Kurz und schnell statt groß und weit
Bei der Vorstellung des Jahresberichts klingt dabei ein gängiges Problem durch, für das die viel kritisierte Verteidigungsministerin auf den ersten Blick gar nicht so viel kann: das "Beschaffungswesen". Oder wie Bartels es am Beispiel der Marine formuliert: "Das Ausmustern alter Schiffe klappt reibungslos, termingerecht. Aber die Indienststellung neuer Schiffe klappert um Jahre hinterher."
Belegen lässt sich das an einer Zahl, die im Bericht auftaucht und mit der Bartels das Problem verdeutlicht: 600 Millionen Euro. Dabei handelt es sich um 17 Prozent der Gesamtsumme, die die Bundeswehr 2017 hätte für neuen Anschaffungen ausgeben können. Hat sie aber nicht, weil das bestellte Gerät seitens der Industrie nicht geliefert wurde oder "Rüstungsprojekte nicht genau so ablaufen, wie sie mal geplant waren". So ist es laut Bartels kein Einzelfall, dass teilweise drei Jahre vergehen, bis dringend benötigte Ersatzteile bei der Truppe ankommen.
Die Ursachen dafür sind zweierlei. Einerseits habe sich die Rüstungsindustrie jahrelang auf den Abbau der Bundeswehr eingestellt und ziehe ihre bestehenden Aufträge deswegen in die Länge, erklärt Bartels. Dadurch verzögert sich die Auslieferung des bestellten Geräts. Als Ausgleich schlägt die Industrie weitere Verbesserungen vor, wodurch sich die die Auslieferung weiter in Verzug gerät. Am Ende sei das Gerät technisch deutlich anspruchsvoller als ursprünglich gedacht und habe mehr Kinderkrankheiten als nötig, mahnt der SPD-Politiker. "Da muss die Industrie jetzt wieder schneller fertig werden mit den Aufträgen, die sie hat."
Andererseits sorgt laut Bartels schon das Beschaffungsverfahren der Bundeswehr selbst für massiven Verzug: Aus Sorge vor dem EU-Recht werde häufig der "ganz große Weg" genommen, obwohl ein "schnellerer, kürzerer, kleinerer Weg" möglich wäre, sagt Bartels und erklärt, warum es bei simplen Ausrüstungsgegenständen wie Schutzwesten oder Zelten daher zu Engpässen kommt.
GroKo erhört Bartels
Die gute Nachricht lautet, dass die Beschwerden des Wehrbeauftragten im politischen Berlin erhört wurden. So ist im Entwurf des Koalitionsvertrags von Union und SPD auf Seite 158 festgehalten, dass "insbesondere das Beschaffungswesen" für eine "mordern ausgerüstete Bundeswehr" beschleunigt werden soll. Um den Bedarf schneller decken zu können, nennt die Koalition ausdrücklich den Verzicht auf EU-weite Ausschreibungen bei den Bestellverfahren.
Kann Bartels nächstes Jahr also erstmals einen positiven Jahresbericht zum Zustand der Bundeswehr vorstellen oder immerhin mit Verbesserungen aufwarten? Das ist unwahrscheinlich, denn zum einen können die SPD-Mitglieder die Große Koalition noch auf der Zielgeraden stoppen - dann würden vorerst keine der versprochenen Verbesserungen umgesetzt. Schaffen es Union und SPD ins Amt, soll die "Untersuchung der Beschaffungsorganisation" immer noch bis Ende 2019 dauern - also fast zwei Jahre.
Die Soldaten müssen sich also auf ein weiteres Jahr voll von "Überlast und Frustration" einstellen - Hans-Peter Bartels wird der Öffentlichkeit in einem Jahr davon erzählen.
Quelle: n-tv.de
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