Nato bastelt an Afghanistans Luftwaffe

  13 März 2018    Gelesen: 1363
Nato bastelt an Afghanistans Luftwaffe

In winzigen Hubschraubern und alten Propellermaschinen müssen afghanische Soldaten das Fliegen lernen - und zwar schnell. Die Nato erhofft sich von der neuen Luftwaffe den Sieg über die Taliban, die Bundeswehr hilft bei der Ausbildung.

 

Die Hubschrauber für den Kampf gegen die Taliban sind winzig - runde Kugeln, zwei Sitze, viel Glas. In den USA fliegen in solchen Hubschraubern Touristen durch den Grand Canyon. In Afghanistan schießen die Piloten der jungen afghanischen Luftwaffe mit mehr als 200 Stundenkilometern ganz nahe an Feindstellungen vorbei. "Manchmal feuern die Taliban mit Maschinengewehren auf uns", sagt ein Pilot auf dem Luftwaffenstützpunkt im südafghanischen Kandahar. Im letzten Fastenmonat sei er geflogen, bis seine Finger weiß wurden vor Flüssigkeitsmangel und Erschöpfung.

Die afghanische Luftwaffe, die noch kaum fliegen kann, aber schon schießen muss, hat jeden Tag bereits Dutzende Anfragen für Luftangriffe, Verletztentransporte oder Nachschublieferungen. Da draußen kontrollieren die Taliban nach Angaben des afghanischen Militärs wieder mindestens 14,3 Prozent des Landes und kämpfen um 30 Prozent. Fast täglich greifen sie Bezirkszentren an, Polizeistationen oder Armeestützpunkte. Die Luftwaffe kommt kaum hinterher. Bisher hat sie gerade mal 135 Hubschrauber und Flugzeuge zur Verfügung. 47 waren 2017 für Luftangriffe einsetzbar. Bis 2022 soll sich die Flotte verdreifachen. Piloten und Mechaniker müssen eben lernen, während sie kämpfen.

Die afghanische Luftwaffe ist damit das wohl ehrgeizigste Projekt der der Nato-Mission im Land. Seit Anfang 2015 ist die keine Kampfmission mehr, sondern trainiert und berät die Afghanen nur noch. Erst am vergangenen Mittwoch hatte das Kabinett den deutschen Einsatz verlängert und die Obergrenze für die Soldaten im Land von 980 auf 1300 angehoben. Das soll der Bundeswehr helfen, ihren Anteil an der Ausbildung zu erfüllen. Der Aufbau der Luftwaffe gehört dazu.

Keine High-Tech-Luftwaffe

Die Flieger sind die große Hoffnung auf einen Sieg über die Taliban. Sie sind auch so etwas wie ein nachträglicher Einfall. Bis vor zwei Jahren hatte die Nato sie weitgehend ignoriert. Jetzt soll die Luftwaffe das Scheitern von Armee und Polizei aufhalten - weit über 300.000 Mann, die seit dem Ende der Nato-Kampfmission Ende 2014 auf sich allein gestellt sind und atemberaubende Verluste erleiden. Es gibt Warnungen, dass die Luftwaffe zu spät kommen könnte. "Aber sie wächst schnell - sie muss", sagt der Chef der Ausbildertruppe, der amerikanische General Phillip Stewart.

Im Westen dauere "der Aufbau" eines Piloten mindestens vier Jahre. "In Afghanistan sind wir erst seit zwei Jahren dabei - und die Luftwaffe kämpft schon." Ihre Hauptaufgabe sei es, Überfälle der Taliban zu unterbrechen, bevor sie mehr Opfer fordern können, sagt Stewart. Seiner Meinung nach hat das 2017 schon geklappt. Es habe den demoralisierten Bodentruppen außerdem Mut gegeben.

Es ist allerdings keine High-Tech-Luftwaffe, die da aufgebaut wird. Das könnte sich die Wirtschaft des Landes gar nicht leisten, sagt Stewart. Da sind die kleinen Kugel-Helis, die MD-530, die bewegliche Ziele abfangen sollen. Dann sind da zehnsitzige Cessnas 208, um Verletzte rauszufliegen. Die A-29 sehen aus wie von Kindern gemalte Propellerflugzeuge, können aber Bomben abwerfen. Die wohl teuerste Anschaffung werden rund 160 Black-Hawk-Hubschrauber sein. Die ersten acht sind vor ein paar Wochen in Kandahar eingetroffen.

Die Piloten fliegen mittlerweile um die 100 Missionen am Tag, darunter viele Luftangriffe. Sowohl die Afghanen als auch die USA hatten diese 2017 extrem ausgeweitet. Gleichzeitig war allerdings auch die Zahl der zivilen Opfer explodiert. 2017 waren mehr als 630 Zivilisten in Bombardements umgekommen oder verletzt worden, warnen die UN. Die Afghanen, die längst nicht so viele Angriffe fliegen wie die USA, waren gleichwohl für 49 Prozent der Opfer verantwortlich.

"Der Krieg ist ein toller Trainer"

Hier kommt die Bundeswehr ins Spiel. Sie beteiligt sich in ihrem Bereich in Nordafghanistan an dem Training mit einer wichtigen Komponente: Sie bildet sogenannte ATACs aus, die "Afghan Tactical Air Coordinators". Das sind Beobachter am Boden, die den Piloten helfen, Ziele besser zu treffen - und zivile Opfer zu vermeiden. Sie beobachten zum Beispiel, ob Zivilisten in der Gegend sind und rechnen genaue Koordinaten aus, sagt der Ausbilder Michael J. Ende Februar beim Gespräch im Bundeswehrcamp in Masar-i-Scharif.

Mehrere Dutzend solcher Koordinatoren haben die Deutschen schon ausgebildet. "Der Krieg ist ein toller Trainer", sagt Chefausbilder Stewart. Es gebe Funktionen, die die Afghanen schon wunderbar beherrschten - wie das Raketenladen. Kompliziertere Manöver sind ein Problem. Viel Zeit haben die Piloten nicht, um damit fertigzuwerden.

Herr Nuri zum Beispiel, ein junger Kopilot, der gerade erst das Kopilotsein gelernt hat, soll nun so schnell wie möglich "aircraft commander" werden. Während seines zweiten Fluges auf dem Pilotenplatz schlägt der Fluglehrer Herrn Nuri vor, "Touch and Go" zu versuchen - eine kurze Landung und zurück in die Luft aus voller Fahrt. Der Pilot landet wacklig, rast die Landebahn runter, aber weiß offenbar dann nicht, wieviel Gas er geben muss, um wieder abheben zu können. Warnglocken quäken los. Der Trainer mahnt immer lauter "mehr, mehr, mehr!" - in letzter Minute drückt er die Hand seines Schülers auf dem Gashebel nach vorne und übernimmt. Nuri ist blass. "Nächste Woche machen wir mal Nachtflüge", kündigt der Trainer an.

Quelle: n-tv.de 


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