Walter hat einen Plan, aber keine Kohle

  14 März 2018    Gelesen: 886
Walter hat einen Plan, aber keine Kohle

Männer mit Macheten rauben Walter aus Belize aus. Ihn ereilt ein Schicksal wie Tausenden Migranten auf dem Weg in die USA. Ohne Geld strandet er schon im Süden Mexikos.

 

Die Hitze macht Walters Arbeit noch mühseliger: Auf seiner Kreuzung in Villahermosa im Süden Mexikos spendet nur seine schwarze Basecap Schatten. Viel zu wenig bei deutlich mehr als 30 Grad. Walter rinnen Schweißperlen über die Stirn, während er von Auto zu Auto schlendert und um ein paar Pesos bittet. Ein Fahrer nach dem anderen winkt ab. Die Ampel springt auf Grün, Walter geht wieder leer aus.

"Mit der Scheiße musst du fertig werden", sagt er und lacht. Ein oder zwei Tage noch, dann hätte er das Geld für den nächsten Bus schon zusammen.

Walter ist auf dem Weg in die USA. Er ist einer der ersten Migranten, die ich während meiner Recherche in Mexiko treffe. Und mich beeindruckt vor allem sein Optimismus: Denn eigentlich ist der 30-Jährige in einer Situation gestrandet, die wohl die meisten Menschen verzweifeln lassen würde.

Von seinem Küstenort in Belize ist Walter mit ein paar Kumpels zu Fuß aufgebrochen. Schon in Guatemala erwischte es ihn. "Sobald die Leute sehen, dass du ein Migrant bist, bist du Freiwild", sagt er. Walter erzählt von einer Gruppe Einheimischer mit Macheten, selbst "einfache Leute", wie er sagt. Die hätten in ihm die Chance gesehen, ihre nächste Mahlzeit zu ergattern. Die Männer raubten Walter aus. Und so ereilte ihn ein Schicksal, das schon Tausende Migranten auf dem Weg in die USA erfuhren: Nach rund 600 Kilometern steckt er mittellos im Transitland Mexiko fest.

Bestechungsgelder für Polizei und Militär


Walter hatte sich eigentlich gut vorbereitet auf seine Reise. In Mexiko, so sein Plan, sollte es zunächst mit Bussen weitergehen. Walter wollte vermeiden, hier im Bundesstaat Tabasco auf einen der Güterzüge in den Norden aufzuspringen. Orte wie Palenque oder Huimanguillo, die auf der Route liegen, sind berüchtigt dafür, dass dort Gang- und Kartellmitglieder von Migranten besonders rabiat Wegzoll erpressen. Wer nicht zahlen will oder kann, muss um sein Leben fürchten.

Auf seiner Alternativroute rechnete Walter mit niedrigeren Kosten. Er ging von rund 40.000 Pesos, knapp 1800 Euro bis in die USA aus - für Busse und für Bestechungsgeld an Mitarbeiter der Migrationsbehörde, der Polizei oder des Militärs, die in den vergangenen Jahren immer häufiger Kontrollen durchführen. Walter informierte sich, wo er den Ritt auf "La Bestia", dem Güterzugsystem, auf dem Migranten als schwarze Passagiere gen Norden gelangen können, noch ohne allzu großes Risiko möglich wäre. Er entschied sich für den Zugang nach Texas über den Grenzort Piedras Negra. Er brachte auch schon in Erfahrung, wo er in den USA Arbeit finden könnte. Walter war sein Leben lang Taucher und Fischer in Belize, bis er und seine Familie davon nicht mehr leben konnten. In Boston will er auf einem Krebs- oder Hummerkutter anheuern. Dort würde er schon in ein paar Monaten genug Geld verdienen, um seine Frau und drei Kinder durchzubringen.

Wenn Trump Probleme macht, geht Walter nach Kanada


Walter hat sich auch ausführlich über die politische Situation informiert, was keineswegs selbstverständlich ist, wie man feststellt, wenn man sich mit vielen Migranten aus Zentralamerika unterhält. Angesprochen auf die Bemühungen Donald Trumps, möglichst viele illegale Einwanderer abzuschieben, schnalzt er nur mit der Zunge. "Nein Mann, da mach ich mir keine Sorgen." Wer arbeite und keinen Mist mache, falle schon nicht auf. Er hätte viele Freunde, die unbehelligt in den USA lebten.

Die Zahl der festgenommenen illegalen Einwanderer, die nicht im besonderen Maße straffällig geworden sind, ist in den USA ist von 110.000 im Jahr 2016 auf rund 140.000 im Jahr 2017 gestiegen. Die zuständigen Behörden verweisen auf Trumps neue Politik. Die Zahl von Abschiebungen nach Belize war mit 82 allerdings noch überschaubar, sogar geringer als im Vorjahr. "Wenn es in den USA zu schwierig wird, ziehe ich nach Kanada weiter", sagt Walter.

Weiterziehen? Ich frage mich vor allem wann. Walters Versuche, Pesos von Autofahrern zu ergattern, wirken auf mich nicht sonderlich ergiebig. Ich frage ihn, ob er schon einen Schlafplatz hat: Walter zeigt auf die Blumenbeete auf der Verkehrsinsel, auf der er auf die nächste Grünphase wartet. "Wenn das mein Platz zum Schlafen ist, dann ist das mein Platz zum Schlafen", sagt er. Auf die Frage, ob er keine Angst hätte, wie es mit ihm weitergeht, antwortet er: "Ich hab meine Angst zuhause gelassen." Walter pflegt einen lässigen Auftritt, aber er wirkt nicht so, als wäre das nur aufgesetzte Coolness.

Ich bleibe mit ihm im Kontakt. Bis nach Boston sind es 3400 Kilometer Luftlinie. Ich bin gespannt, ob er ankommt, bevor ich meine Recherche in Mexiko beende.

Quelle: n-tv.de

 


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