Neue Wolkenkratzer in New York

  16 März 2018    Gelesen: 1666
Neue Wolkenkratzer in New York

Mit viel Geld und Ingenieurskunst bekommt New York eine neue Skyline: Extrem schmale Hochhäuser aus sehr edlen Materialien und mit ausgefallenen Silhouetten. Und nur für die Superreichen.

 

Super-slender scyscraper: Wie so oft klingt die englische Bezeichnung cooler und - was noch wichtiger ist - vermarktbarer. Die superschlanken Wolkenkratzer sollen die steigende Nachfrage nach Immobilien mit dem extrem knappen Angebot an New Yorker Baugrund in Einklang bringen.

Es handelt sich jedoch um mehr als eine Marketingphrase."Super-slender" ist eine neue Gebäudekategorie, für alles, was mindestens zehnmal so hoch wie weit ist. Zum Vergleich: Bei normalen Hochbauten beträgt das Verhältnis von Gebäudehöhe zu Grundfläche (Schlankheitsgrad) 4:1 beziehungsweise 5:1. Die Zwillingstürme des World Trade Centers hatten einen Schlankheitsgrad von knapp 7:1.

Mit ihren Dimensionen sind die Gebäude in gewisser Weise eine Reminiszenz an die Vorkriegs-Wolkenkratzer der Stadt. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Umrisse eher klobig. Grundflächen um die 3000 Quadratmeter waren die Regel. Von ihren massigen Vorfahren unterscheiden sich die neuen Gebäude aber nicht nur durch ihren schlanken Fuß.

Die Häuser werden zwar immer noch hochgezogen, um damit Geld zu verdienen. Allerdings für Menschen, die bereits jede Menge davon verdient haben und nicht mehr als Büroturm. Denn Wohnraum ist knapp in Manhattan und dementsprechend profitabel. Die Nachfrage und die Zahlungsbereitschaft in gewissen Kreisen scheint unbegrenzt, anders als die Flächen. Nur nach oben ist noch Platz.

Hier kommt eine New Yorker Besonderheit ins Spiel. Ein Gesetz, das es Investoren erlaubt, die Luftrechte der Nachbargebäude zu kaufen und über ihrem Grundstück zu stapeln. In Folge eines solchen "zoning lot merger" türmte Rafael Viñoly an der Adresse 432 Park Avenue auf einer Grundfläche von nur 28 mal 28 Metern 96 Stockwerke auf (Schlankheitsgrad 15:1). Damit ist der 426-Meter-Bau des aus Uruguay stammenden Architekten aktuell das dünnste Turmhaus der Stadt.

Der Eintrittspreis für die 104 Wohnungen sind 17 Millionen Dollar. Dafür gibt es eine Dreizimmerwohnung in einem weniger repräsentativen Stockwerken. Wer es von den oberen Zehntausend bis ganz nach oben geschafft hat, und das auch zeigen möchte, muss mindestens 95 Millionen Dollar hinlegen. So viel wurde 2015 für das Penthouse bezahlt. Von hier können Oligarchen, Mogule und Aristokraten durch 3,6 mal 3,6 Meter große Fenster auf die Welt herabsehen - und das untere Ende des Central Parks.

New Yorks grüne Lunge ist auch eines der Hauptargumente für die Superlative aus Stahl und Beton. Ohne Blick auf den Park würden sich die Baukosten nicht rentieren. Viñolys Mega-Monolith hat am Ende rund 1,3 Milliarden Dollar gekostet. Der vier Blocks weiter geplante Steinway Tower (435 Meter, Schlankheitsgrad 24:1) wird vermutlich noch teurer, wenn er denn überhaupt fertig wird.

Ursprünglich waren 855 Millionen Dollar veranschlagt. Doch als das an der Adresse 111 West 57 geplante Gebäude gerade einmal ein Viertel gewachsen war, war den Bauherren das Projekt bereits über den Kopf gewachsen. Laut einer Klageschrift der Investmentfirma AmBase wurde ohne die Kosten für Baukräne kalkuliert. Weil die in New York aber horrend sind, sei das Budget im Juli 2017 bereits um 50 Millionen Dollar überschritten worden, schreibt die "New York Post".

Hohe Gebäude brauchen Hightech

Auch die Zukunft des wegen seiner Schachtelbauweise "Jenga Tower" genannten Gebäudes war zeitweise ungewiss. Wegen der Finanzkrise war von 2009 bis 2012 Baustopp. Erst mit einem 350-Millionen-Kredit konnte die vollverglaste Vision des Schweizer Architekten Herzog de Meuron 2015 fertig gebaut werden. Fünf Jahre später als geplant.


Grund für aus dem Ruder laufende Baukosten sind allerdings nicht nur Planungsfehler oder vorübergehende Liquiditätsprobleme. Hohe Gebäude brauchen Hightech. Anders lässt sich beispielsweise das Problem der Schwingungsanfälligkeit nicht in den Griff kriegen. Damit die Häuser sich nicht wie Grashalme im Wind bewegen, ist viel Masse nötig. Gegengewichte in Form riesiger Pendel, die bei starken Böen die Schwankungsbewegungen ausgleichen.

In der Park Avenue 432 wurden 1200 Tonnen Pendelmasse eingebaut - verteilt auf zwei Schwingungsdämpfer, damit nicht ganz so viele Stockwerke kostbarer Wohnraum verlorengehen. Weil das alleine nicht gereicht hätte, mussten zusätzlich fünf Luftdurchlässe eingebaut werden. Nur so konnte sichergestellt werden, dass die Bewohner des Turms so gut wie nichts mehr von den Widrigkeiten der Welt mitkriegen - vorausgesetzt, sie sind Zuhause. Denn die meisten der exklusiven Wohnungen sind Spekulationsobjekte. Sie beherbergen Geld, keine Menschen.

Quelle : spiegel.de


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