Serben bitten Russland um Entsendung von Truppen in den Kosovo

  29 März 2018    Gelesen: 1255
Serben bitten Russland um Entsendung von Truppen in den Kosovo

Die Behörden in Belgrad sind außer sich vor Wut: Albanische Spezialkräfte haben im Kosovo bei absoluter Untätigkeit der EU einen serbischen Minister de facto gekidnappt, wie die Zeitung „Wsgljad“ am Mittwoch in ihrer Onlineausgabe schreibt.

Angesichts dessen verlangen die Serben immer öfter die Truppeneinführung in diese Region, und zwar nicht nur seitens Belgrads, sondern auch seitens Moskaus. De facto beginnt gerade ein neuer Kosovo-Krieg. Und es entsteht der Eindruck, dass man in Belgrad darauf gefasst ist.

Die Situation im Norden des Kosovos hat sich dramatisch zugespitzt, als die albanischen Spezialkräfte den serbischen Minister für den Kosovo und Metochien, Marko Duric, festnahmen. In der Stadt Mitrovica, wo überwiegend Serben leben, klang das Alarmsignal, und die Menschen versammelten sich vor einer Brücke über den Fluss Ibar, um Barrikaden zu bauen.

Die Aktivisten blockierten mehrere Autobahnen mit Lastwagen. Städtische Schulen wurden geschlossen. In Krankenhäusern wurde der Ausnahmezustand ausgerufen. Schüsse sind vorerst nicht zu hören, aber die Menschen verlangen, nach Mitrovica (und in den ganzen Norden des Kosovos) serbische Truppen einzuführen.

Mit dem 2013 in Brüssel getroffenen Abkommen zwischen Belgrad und Pristina hatten sich die albanischen Behörden verpflichtet, innerhalb eines Jahres einen sogenannten Verband serbischer Munizipalitäten zu bilden, was de facto die Entstehung eines serbischen autonomen Gebiets bedeuten würde. Bisher wurde das jedoch nicht getan. Die kosovarische Partei „Serbische Liste“ verlangt eine Beschleunigung dieses Prozesses und fordert von Belgrad, sich in die Situation intensiver einzumischen. In Belgrad bleibt man jedoch vorsichtig und plädiert für Kompromisse, was sich die kosovarischen Serben nicht gefallen lassen, die sich aggressive Rhetorik in Richtung Belgrads erlauben. Dessen Position sollte eine größere Delegation mit dem für den Kosovo zuständigen Minister Duric an der Spitze erläutern – bei einem speziellen Rundtischgespräch in Mitrovica.

Die Albaner waren von Anfang an gegen diese Reise der serbischen Beamten. Der rechtliche Status der administrativen Grenze zwischen Serbien und dem Kosovo ist nach wie vor nicht ganz klar, und jede Seite deutet ihn auf ihre Weise. In Pristina betrachtet man sie als Staatsgrenze (auch wenn nur als provisorische) und behält sich das Recht vor, dort zu tun, was immer man will. Deshalb wurde Duric und vielen anderen Mitgliedern der Delegation, insbesondere dem serbischen Präsidialamtschef Nikola Selakovic, dem Verteidigungsminister Aleksandar Vulin und dem Kulturminister Vladan Vukosavlevic, die Einreise in den Kosovo verboten. Letzterer wollte nicht am erwähnten Rundtischgespräch teilnehmen, sondern den Zustand von mehreren serbischen orthodoxen Klöstern kontrollieren. Aber der kosovarische Außenminister Behgjet Pacolli warnte, dass „jeder, der die Kontrollstelle Jarinje passieren sollte, festgenommen wird“.

Aus Belgrads Sicht gibt es aber eine solche Grenze überhaupt nicht, allerdings gibt es ein wegen einer Verkettung von traurigen Umständen entstandenes Kontrollregime, das mit der EU abgesprochen werden muss. Dafür sollte man Pristina 24 Stunden zuvor benachrichtigen, dass diese oder jene Personen Jarinje passieren würden – und das wäre es. Es wurden insgesamt drei solche Benachrichtigungen über die Reise von Duric & Co. geschickt, aber die albanische Seite reagierte darauf nicht. Die EU warnte ihrerseits die beiden Seiten, dass sie das gültige Abkommen über Besuche von offiziellen Personen einhalten sollten. Das ist nämlich die typische „Strauß-Position“ Brüssels, wenn es um die Willkür der Albaner im Kosovo geht.

Duric und Selakovic debattierten gut vier Stunden mit den albanischen Grenzsoldaten, konnten aber letzten Endes am Rundtischgespräch teilnehmen. Dabei warnte Duric, dass die Kosovo-Frage ohne die Serben – und vor allem ohne die im Kosovo und in Metochien lebenden Serben, die in den letzten 20 Jahren „so viel erleiden mussten“ – keineswegs gelöst werden könne.

„Ich will hier, in Mitrovica, erklären, dass der Nordkosovo und Metochien nie Teil des sogenannten ‚unabhängigen Kosovos‘ wie auch des sogenannten ‚Großen Albaniens‘ war und auch nie sein wird. Solche Projekte unterstützen nur die Kräfte, die einen Konflikt auf dem ganzen Territorium auslösen wollen“, so Duric. „Wir sind heute hierher vor allem deswegen gekommen, weil Serbien hören möchte, was Sie über Kosovo und Metochien sagen. Serbien wird auch weiter mit Ihnen zusammen sein, wie es immer mit Ihnen zusammen war.“ Er versicherte, dass der serbische Präsident Aleksandar Vucic eine Politik ausübe, die auf Kompromisse mit dem Kosovo ausgerichtet sei, wobei die Kosovo-Serben „auch etwas bekommen würden“.

Darauf reagierte der Parteichef der „Serbischen Liste“, Goran Rakic, der gleichzeitig auch der Bürgermeister Mitrovicas ist. Er zeigte sich entschlossen, und verlangte, „den Verband der serbischen Munizipalitäten selbstständig zu bilden“, wenn Podgorica seine Verpflichtungen nicht erfüllen wolle. „Trotz des Drucks auf uns werden wir nicht zulassen, dass wir gespalten werden“, erklärte Rakic.

In diesem Moment wurde aber der Raum von bewaffneten Männern in schwarzen Sturmmasken und in dunkelblauer Uniform mit der Aufschrift „ROSU“ (Regional Operational Support Unit – de facto die albanische Polizei im Nordkosovo) gestürmt. Sie warfen mehrere Blendgranaten und versprühten Tränengas. Es begann eine Schlägerei, wobei Duric verprügelt, dann in einen Wagen gesteckt und in Richtung Pristina weggeführt wurde. Ein Assistent des Ministers erlitt zwei Rippenbrüche und einen Wirbelsäulenschaden. Auch eine TV-Reporterin aus Belgrad, die die Schlägerei aufnehmen wollte, wurde verprügelt. Mehrere andere Personen kamen mit leichteren Verletzungen davon.

In Pristina wurde der serbische Minister in ein Gericht gebracht und einer „Ordnungswidrigkeit“ beschuldigt. Dann wurde er zur Grenzkontrollstelle Merdare gebracht und freigelassen. Der kosovarische Führer Hashim Thaci lobte seine Polizei für die „Professionalität“ und ergänzte: „Dieser Zwischenfall sollte die Kommunikation zwischen dem Kosovo und Serbien, den Dialog zwischen beiden Ländern und die Bemühungen um die Normalisierung der Beziehungen  und um die Aussöhnung der zwei Völker nicht stören.“

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic berief sofort eine Sitzung des nationalen Sicherheitsrates ein.

Den Einsatz zur Festnahme der serbischen Beamten hatte der Kommandeur der kosovarischen albanischen Polizei, Hauptmann Besim Hoti, geleitet. Früher war er Pressesprecher der regionalen Polizei gewesen. Hoti sieht aus wie ein Profi-Killer, und seine Vergangenheit hat viele „dunkle Flecken“. Dabei war seine Ernennung in Übereinstimmung mit dem sogenannten „Thaci-Dacic-Protokoll“ abgesprochen worden, weil Hoti seine Aktivitäten formell mit den serbischen Behörden koordinieren soll. Übrigens ist ausgerechnet er für die Ermittlung des Mordes am serbischen Politiker Oliver Ivanovic zuständig. Vor wenigen Tagen teilte er albanischen Medien mit, dass bisher keine Indizien entdeckt werden konnten.

Hoti sind die albanischen Spezialkräfte unterstellt: zwei Gruppen von je 15 Mann, die von ihren amerikanischen Kollegen trainiert wurden. Diese Männer kamen mit sechs Fahrzeugen zum Haus, wo das Rundtischgespräch stattfand: Je zwei Autos gehörten der kosovarischen Polizei, den Spezialkräften und der EU-Mission im Kosovo (EULEX), also dem europäischen Gremium, das für die Gesetzlichkeit und Rechtsordnung in der Region zuständig ist.

In einem Pressegespräch nach der Beratung des Sicherheitsrates zeigte sich Vucic wütend: „Die albanischen Terroristen handelten unter unmittelbarer Mitwirkung der EULEX – der EULEX, die an der Ermittlung des Mordes an Oliver Ivanovic gar nicht interessiert ist. Warum schikanieren Sie die Serben im Kosovo? Diese Männer haben die Journalisten von RTS (dem serbischen staatlichen Fernsehen – Anm. d. Red.) und von anderen Sendern zusammengeschlagen. Sie Verbrecher, was wollen Sie von ihnen?!“

Plötzlich stellte sich heraus, dass die albanischen Spezialkräfte Hilfe von zwei Kosovo-Serben bekommen hatten. Belgrad kündigte bereits eine besondere Auseinandersetzung mit den beiden an.

„Alle Teilnehmer der Entführung Marko Durics werden sich vor Gericht verantworten müssen. Es werden mehrere Strafverfahren eingeleitet“, versprach Vucic.

Ein Journalist fragte ihn, ob Belgrad von der albanischen Seite eine gewisse Kompromissbereitschaft erwarte. „Natürlich nicht“, erwiderte der Präsident. „Sie alle hatten gelogen, sie waren nie zu Kompromissen bereit – sie warteten nur, bis wir in eine schwierige Situation geraten und die Unabhängigkeit des Kosovos anerkennen.“ Die Suche nach Kompromissen sei sinnlos, stellte Vucic fest.

Eine wichtige Anmerkung: Die albanische Polizei (umso mehr die Spezialkräfte) hätte in Übereinstimmung mit internationalen Vereinbarungen überhaupt nicht in Mitrovica erscheinen dürfen. Um dieses Verbot zu umgehen, brauchten sie offenbar zwei Geländewagen mit der EULEX-Aufschrift. Damit kann die Entführung des serbischen Ministers in Mitrovica durchaus als Aggression seitens der albanischen Behörden im Kosovo unter der Untätigkeit der EU-Strukturen gelten.

Belgrads Geduld bald am Ende


Theoretisch gibt es für Belgrad so gut wie keine Hindernisse für die Entsendung von serbischen Spezialeinheiten nach Mitrovica und in einige andere Orte im Norden des Kosovos. Das wäre zwar der radikalste Weg, aber falls sich noch weitere solche Zwischenfälle ereignen, könnte man sich in Belgrad dazu tatsächlich entschließen.

Aktuell blockieren die Serben nach wie vor eine Autobahn bei der Kontrollstelle Svecani, was die albanische Seite am meisten verärgert, denn das ist ein strategisch wichtiger Weg, den die albanische Polizei unter allen Umständen unter ihrer Kontrolle behalten sollte. Zu diesem Zweck (und möglicherweise auf Hotis Bitte) wurden in den Norden des Kosovos 200 Polizisten aus Pristina und Kosovo Pole verlegt. Laut albanischen Medienberichten bleibt die Situation in Mitrovica im Allgemeinen „normal“, aber die Albaner, die im serbischen Stadtteil arbeiten, zogen es vor, unter dem Vorwand der gesperrten Straßen blauzumachen.

Die Aktion der albanischen Spezialkräfte in Mitrovica war ein beunruhigendes Signal. Der serbischen Bevölkerung wurde klar und deutlich gezeigt, dass sie von niemandem verteidigt wird, dass es hier keine Völkerrechtsinstrumente gibt und dass keine „Kompromisse“ infrage kommen. Die Albaner sind bereit, jederzeit jeden Vertrag zu zertreten, und in letzter Zeit bemühen sich speziell um die Verdrängung der europäischen Kontrollstrukturen aus der Region. In einer solchen Situation radikalisiert sich die serbische Bevölkerung, die auch früher nicht gerade friedlich war.

Inzwischen appellieren die serbischen politischen Kreise im Kosovo direkt (also ohne Rücksicht auf Belgrad) an Russland. (Das russische Außenministerium reagierte übrigens sehr deutlich auf Marko Durics Festnahme in Mitrovica, während Brüssel die ganze Schuld Belgrad zuschob.) Das verärgert jedoch die Behörden in Belgrad, die jetzt ihre ganze Entschlossenheit zeigen müssen. Und die Situation könnte jederzeit außer Kontrolle geraten.

Quelle : sputnik.de


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