Der Amokfahrer von Münster ist nach Angaben der Polizei bereits mit Suizid-Gedanken aufgefallen. Der 48-Jährige habe sich Ende März mit einer E-Mail unter anderem an einen Nachbarn gewandt, teilte die Polizei mit. "Aus dem Inhalt ergaben sich vage Hinweise auf suizidale Gedanken, aber keinerlei Anhaltspunkte für die Gefährdung anderer Personen." Derweil gedachten im Dom von Münster Hunderte Menschen bei einem Gottesdienst der Opfer des Anschlags.
Nach Informationen von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" soll der Mann in dem Schreiben an Bekannte aufgearbeitet haben, was in seinem Leben schiefgelaufen sei und wer daran Schuld trage. Dem Sozialpsychiatrischen Dienst in Münster soll er schon länger bekannt gewesen sein, hieß es weiter. Auch bei Polizeieinsätzen sei er bereits als nervenkrank aufgefallen.
Laut Staatsanwaltschaft liefen gegen den Mann 2015 und 2016 mehrere Verfahren unter anderem wegen Bedrohung und Sachbeschädigung, die alle eingestellt wurden. Es habe aber "keine Anhaltspunkte auf eine stärkere kriminelle Intensität" gegeben.
In einer Wohnung des 48-Jährigen im sächsischen Pirna sei außerdem ein älteres, 18-seitiges Schreiben entdeckt worden. Darin verarbeite der spätere Amokfahrer Kindheitserlebnisse und frühe, von ihm als demütigend empfundene Erfahrungen. Dazu zählten demnach gravierende Problemen mit seinen Eltern, Schuldkomplexe, nervliche Zerrüttung und wiederkehrende psychische Zusammenbrüche.
"Klassische Ankündigung eines Suizids"
Auch von "Aggressionsausbrüchen" und Verhaltensstörungen sei die Rede. Eine besondere Rolle spiele in dem Schreiben eine womöglich verpfuschte Operation. Das Schreiben werde "in Ermittlerkreisen im Nachhinein als klassische Ankündigung eines Suizids gelesen", hieß es.
Die Polizei bestätigte den Fund des Schreibens nicht. Sie teilte aber mit, dass Polizisten wegen der Mail die Wohnung des Mannes in Münster aufgesucht, ihn aber nicht angetroffen hätten. Nachbarn in Münster gaben demnach an, ihn seit längerer Zeit nicht mehr gesehen zu haben. Daraufhin sei die Polizei in Sachsen informiert worden. Auch in seinen Wohnungen in Dresden und Pirna sei der Mann aber nicht angetroffen worden.
"Weitere Erkenntnisse über den Verbleib des Täters konnten durch die Polizei bis zum Tatzeitpunkt nicht ermittelt werden", erklärten die Ermittler. Die Stadt Münster teilte demnach mit, er habe zu dieser Zeit Kontakte zum Gesundheitsamt gehabt. Es sei nun wichtig, "ein möglichst umfassendes Bild über das Verhalten des Täters in den Vorwochen zu erhalten", hieß es. So hofften die Ermittler auf eine Spur bei der Suche nach einem Motiv für die Tat.
Das Tatfahrzeug wurde untersucht, nachdem mehrere verdächtige Drähte entdeckt worden waren. Experten gaben später Entwarnung. Bei der Durchsuchung des Campingbusses wurden neben der Tatwaffe eine Schreckschusswaffe und rund ein Dutzend Feuerwerkskörper gefunden. In einer Wohnung des Täters entdeckten die Ermittler weitere Knallkörper und eine unbrauchbar gemachte Kalaschnikow. Zudem wurden in Münster mehrere Gasflaschen sowie Kanister mit Bioethanol und Benzin gefunden. Wozu R. die Stoffe in seiner Wohnung aufbewahrte, werde untersucht, erklärten die Ermittler. Polizeipräsident Hajo Kuhlisch betonte, es gebe weiterhin keine Hinweise auf ein politisches Motiv des Mannes oder mögliche Mittäter. "Wir haben aber Hinweise darauf, dass die Ursachen für die Ausführung der Tat in seiner Persönlichkeit begründet sind", sagte Kuhlisch.
Gedenkgottesdienst im Dom
Mit brennenden Kerzen und gemeinsamem Gebet gedachten Hunderte Menschen im Paulusdom zu Münster der Opfer der Amokfahrt. Die rund 700 Sitzplätze im Dom waren voll besetzt, dicht gedrängt füllten weitere Besucher das Kirchenschiff. Zu den Gästen gehörten auch Rettungssanitäter, Notfallärzte und Feuerwehrleute, die am Samstag im Einsatz waren.
"Lassen Sie sich auch in Ihrem schweren Leid von dieser großartigen Solidarität stützen und tragen", sagte Bischof Genn an die Betroffenen und die Angehörigen der Opfer gewandt. Er zeigte sich in seiner Predigt beeindruckt von der großen Solidarität in der Stadt und rief zum Gebet für die Leidtragenden des "grausamen Geschehens" auf. Auch den Mann, der am Samstagnachmittag mit seinem Campingbus in die Menschenmenge gerast und sich danach selbst getötet hatte, bezog er mit ein: "Und so beten wir für die Toten. Auch für den, der das verursacht hat. Wie mag es den Angehörigen dieses Mannes gehen?", fragte Genn.
Bei der Amokfahrt waren am Samstagnachmittag insgesamt drei Menschen ums Leben gekommen, darunter der Fahrer, der sich nach der Tat erschoss. Bei den anderen Toten handelt es sich um eine 51-jährige Frau und einen 65-jährigen Mann. Etwa 20 Menschen - darunter auch mindestens zwei Niederländer - wurden verletzt, einige von ihnen lebensgefährlich, drei Verletzte schweben weiter in Lebensgefahr.
Am Sonntag besuchten Bundesinnenminister Horst Seehofer, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, Landesinnenminister Herbert Reul und Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe den Tatort. Sie gedachten der Opfer und legten Blumen nieder. Laschet sicherte den Opfern und ihren Angehörigen die Unterstützung des Landes zu.
Quelle: n-tv.de
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