Wegen des Verdachts möglicher islamistischer Angriffspläne auf den Berliner Halbmarathon hat die Polizei sechs Verdächtige festgenommen und mehrere Wohnungen durchsucht. Vor der Sportveranstaltung habe es "vereinzelte Hinweise darauf gegeben, dass die Festgenommenen im Alter von 18 bis 21 Jahren an der Vorbereitung eines Verbrechens im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung beteiligt gewesen sein könnten", erklärte die Polizei.
"Aufgrund dieser Hinweise und der noch nicht vollständig geklärten Hintergründe des gestrigen Attentats in Münster entschlossen sich die Generalstaatsanwaltschaft Berlin und das Landeskriminalamt Berlin zu den Durchsuchungen der entsprechenden Wohnanschriften sowie zwei Fahrzeugen in Charlottenburg-Wilmersorf und Neukölln", hieß es in einer Mitteilung. Weitere Angaben seien wegen der laufenden Ermittlungen derzeit nicht möglich.
Am Abend betonte die Polizei allerdings, man habe keine konkreten Hinweise, dass das Sportereignis Ziel eines Anschlags gewesen sein könnte. "Für die Läufer und Teilnehmer und das Personal bestand zu keiner Zeit eine Gefahr", sagte Polizeisprecher Thomas Neuendorf der Deutschen Presse-Agentur. Die Polizei sei im Vorfeld des Halbmarathons "besonders aufmerksam gewesen". Die Durchsuchungen hätten sich auf Personen bezogen, "die wir dem islamistisch-terroristischen Bereich zurechnen". Die beschlagnahmten Beweismittel, darunter Handys, Computer, zwei Fahrzeuge und ein kleines Messer, würden ausgewertet.
"Lassen uns friedliches Zusammenleben nicht nehmen"
Zuvor hatte die "Welt" berichtet, dass die Polizei vier Männer aus dem Umfeld des Breitscheidplatz-Terroristen Anis Amri festgenommen habe. Der Hauptverdächtige plante demnach, beim Halbmarathon Zuschauer und Teilnehmer mit Messern anzugreifen und zu töten. Zur Durchführung seiner Tat soll er zwei extra scharf geschliffene Messer besessen haben. Er habe damit den Tod Amris rächen wollen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Sicherheitskreise.
Die Behörden bestätigten das ausdrücklich nicht. In Polizeikreisen hieß es, die Tageszeitung sei mit ihrer Darstellung wohl "zu weit" gegangen. Auch der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, wollte auf Anfrage nicht bestätigen, dass es sich um einen geplanten Terroranschlag gehandelt haben könnte. Auch zu einer möglichen Verbindung der Verdächtigen zum Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri äußerte er sich nicht. An dem Halbmarathon nahmen nach Angaben der Organisatoren rund 36.000 Sportler teil. Zahlreiche Zuschauer säumten bei strahlendem Sonnenschein die Strecke.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller dankte den Sicherheitskräften - auch mit Blick auf die Amokfahrt von Münster -, "dass sie durch ihre Umsicht und Polizeiarbeit eine weitere Attacke auf die friedlichen, den Halbmarathon genießenden Zuschauer verhindern konnten". "Ob in Münster, Berlin oder anderswo - wir lassen uns unser friedliches Zusammenleben nicht nehmen", schrieb Müller auf seiner Facebook-Seite.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) äußerte sich zufrieden mit dem Vorgehen der Sicherheitskräfte. "Es ist beruhigend, dass die Berliner Polizei diese mutmaßlichen Gefährder offenbar so unter Beobachtung hatte, dass sie sie jederzeit aus dem Verkehr ziehen konnte", erklärte der GdP-Vorsitzende Oliver Malchow.
Zwei Wochen dauerobserviert
Laut "Welt" soll keine konkrete Gefahr bestanden haben, weil der Hauptverdächtige unter Beobachtung der Sicherheitskräfte gestanden habe. Nach Angaben des Berliner "Tagesspiegels" war der Hauptverdächtige zuvor zwei Wochen dauerobserviert worden. Er sei den Behörden aus den Nachermittlungen zum Amri-Anschlag in Berlin bekannt gewesen, hieß es aus Sicherheitskreisen. Zuletzt gab es offenbar einen Hinweis durch einen ausländischen Geheimdienst, wonach der Mann einen Anschlag auf den Halbmarathon plane. Deshalb hätten die Sicherheitskräfte eingegriffen.
Laut "Welt" wurde auch eine Wohnung im Westteil der Stadt durchsucht, die bereits nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz durchsucht worden war. Im Keller eines Komplizen des Hauptverdächtigen hätten Hunde angeschlagen, die auf die Suche nach Sprengstoff spezialisiert sind. Die Polizei twitterte am Abend, im Zuge der Durchsuchungen sei kein Sprengstoff gefunden worden.
Nach dem tödlichen Zwischenfall in Münster am Samstag hatte Berlins Innensenator Andreas Geisel angekündigt, dass die Polizei noch einmal die schon "extrem hohen Sicherheitsvorkehrungen" für den Halbmarathon überprüfen werde. Laut Polizei bestand keine konkrete Gefährdung. Sie wollte mit 630 Beamten im Einsatz sein, um die Strecke abzusperren und zu sichern.
Der Halbmarathon ging nach Angaben der Veranstalter ohne außergewöhnliche Vorfälle an der Strecke zu Ende. "Wir haben ein ganz normales Rennen durchgeführt", sagte ein Sprecher von SCC Events. "Von Teilnehmerseite ist alles gut gelaufen."
Anis Amri war am 19. Dezember 2016 mit einem Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gefahren. Er tötete zwölf Menschen und verletzte fast 70 weitere. Auf der Flucht wurde der Tunesier einige Tage später in Italien erschossen. Der Fall hat etliche Fehler der Behörden im Umgang mit Amri offenbart.
Quelle: n-tv.de
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