Als „eine große Herausforderung für die EU“ wird von der westlichen Presse der ungarische Premier Viktor Orban bezeichnet, der am vergangenen Wochenende einen „Lawinen“-Sieg über seine Gegner errungen hat.
Die Partei Fidesz von Viktor Orban (die in den westlichen Medien ausschließlich als Anti-Migranten-, Nationalisten-, Fremdenhass-Partei bezeichnet wird) erhielt fast die Hälfte der Stimmen und verbesserte damit ihr Ergebnis im Vergleich zu den vorherigen Wahlen. Auf Platz zwei landete mit rund 20 Prozent die rechtsextreme Jobbik-Partei. Die EU-ausgerichteten Sozialisten und Grünen gehören zu den Außenseitern.
Warum handelt es sich dabei um eine Tragödie aus der Sicht der ideologischen Offiziellen des Westens? Wie die britische Zeitung „The Guardian“ schreibt, „verdrängen Orban und seine Partei das demokratische ‚Checks and Balances‘-System, beschränken die Unabhängigkeit der Gerichte und unterdrücken unabhängige Medien. Das Abweichen Ungarns von der Demokratie wird begleitet von Fremdenhass-Rhetorik, die gegen Flüchtlinge, Brüssel und George Soros gerichtet ist. Die EU, die gegen den Brexit kämpft, hat es nun mit einem Land mitten im kontinentalen Europa zu tun, welches den liberalen Werten der EU abgeneigt ist, jedoch die Boni der Mitgliedschaft nutzt“.
Das heißt, dass es im Zentrum Europas ein Land gibt, das im Prinzip nicht von außen gesteuert wird — also ein Land, das sehr viel Souveränität hat (besonders für ein osteuropäisches Mitglied der EU und der Nato). Und das eine Politik zur Festigung dieser Souveränität umsetzt.
Die “Checks and Balances”, deren Verlust in der Zeitung bedauert wird, sind keine Mechanismen der Demokratie, sondern ein System für ihre Einschränkung. Das ist es eben, was die Demokratie liberal macht – also nicht den Willen der Mehrheit, sondern die Freiheit aller Gruppen verteidigt. In der Praxis bedeutet dies die Umwandlung der Demokratie in eine leere Hülle, die auf die Macht der privilegierten Minderheiten ausgerichtet wird.
„Unabhängige Gerichte“ – ist ein Mechanismus zur Einschränkung der Volksmacht. George Soros und unzählige „zivile Institutionen“ und „gemeinnützige Organisationen“ sind ein Mechanismus zur Einschränkung der Demokratie. Sogar die berüchtigten Flüchtlinge, also Träger einer prinzipiell anderen Kultur, können auch als Instrument zur Einschränkung betrachtet werden.
Davon befreit sich nun Orban und erklärt offen, dass in Ungarn eine „nichtliberale Demokratie“ aufgebaut werde.
Das ist an sich unangenehm, weil Ungarn ein zu wichtiges (geografisch und strategisch) Land ist, um unabhängig zu bleiben. Ungarn befindet sich genau zwischen der EU und dem Balkan, zwischen der EU und der Ukraine. Würde es aus dem politischen Gespann herausfallen, würde die ganze Karte Europas umgemodelt.
Dabei kann man der jetzigen Führung Ungarns nichts vorwerfen. Dass sie Soros nicht mag, ist kein Verbrechen. Dass sie nichts gegen russische Gaspipelines hat, kann ebenfalls nicht bestraft werden. In Ungarn gibt es sogar keinen „wahren Anführer der Nation, einen extrem populären Blogger, der zu den Wahlen nicht zugelassen wird“. Denn es gibt eine solche Satire-Partei „Hund mit zwei Schwänzen“, die populärste im ungarischen Facebook, die auf 1,78 Prozent kam. Es gibt kaum jemanden noch, auf den man setzen kann. Vor dem Hintergrund der zweitstärksten Partei Jobbik wirkt Fidesz eher als Partei der Menschenrechtler, Linken und Feministen.
Zudem erfüllt Ungarn formell alle Verpflichtungen als „Mitglied des westlichen Blocks“. Es gehört zur Nato, erlaubt die Eröffnung von Kommandostellen der Allianz auf dem eigenen Territorium. Ungarn zeigte sogar Solidarität mit den Verbündeten beim „Skripal-Fall“. Während andere osteuropäische Länder im Wettbewerb standen, wer mehr russische Diplomaten ausweisen wird (da gewann natürlich die Ukraine mit 13 ausgewiesenen Diplomaten), wies Ungarn nur einen Diplomaten aus.
Ungarn kann man also keinen prorussischen Kurs vorwerfen.
Deswegen wird Budapest etwas anderes vorgeworfen – es sei zu pragmatisch. Also statt sich nach einer „liberalen Bewusstheit“ zu richten, richtet es sich nach nationalen Interessen. Während liberales Denken beispielsweise erfordert, ein Auge bei allen Aktionen Kiews zuzudrücken, nutzt Ungarn seine Nato-Mitgliedschaft als Instrument und blockiert die Kooperation der Allianz mit der Ukraine, weil dort die Rechte der ungarischen Minderheit nicht gewahrt werden. Während das liberale Denken fordert, russische Gasprojekte zu verhindern, erdreistet sich Ungarn, mit Russland die Verlängerung der Pipelines auf dem eigenen Territorium zu vereinbaren. Besonders alarmierend ist, dass Ungarn beschlossen hat, der größte europäische Hub des chinesischen Megaprojekts „Ein Gürtel, ein Weg“ zu werden.
Das alles erscheint den Ideologen der geschlossenen liberalen Gemeinschaft als eine große Herausforderung.
Deswegen können wir heute gut bekannte Vorwürfe hören: „Den Wählern wurde zwar ein breites Spektrum von Parteien angeboten, die einschüchternde Fremdenhassrhetorik, medialer Druck und undurchsichtige Finanzierungen verengten den Raum für wahre politische Debatten“. Das stand in dem Bericht der OSZE zu den ungarischen Wahlen.
Britische und amerikanische Medien drücken den Wunsch aus, dass Ungarn ernsthaft in die Mangel genommen werden muss. Dass nach dem Wechsel der EU-Spitze Brüssel härter gegenüber Budapest vorgehen wird und es vor die Wahl stellt – entweder Ergebenheit oder Sanktionen.
Doch einige geraten bereits in Panik und meinen, dass ein weiterer Sieg Orbans ein Zeichen dafür ist, dass der Traum von einer globalisierten Welt geplatzt ist.
sputniknews
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