Folgt man nur den Bildern, war das erste Treffen von Außenminister Heiko Maas mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu ausgesprochen freundlich. Locker federt der Gesandte von Staatschef Recep Tayyip Erdogan am Nachmittag ins Deutsche Haus in New York. Den deutschen Journalisten ruft er sogar grinsend ein kurzes "How are you?" zu.
Oben im Besprechungssaal geht die Charme-Offensive weiter. Vor den Kameras plaudert Cavusoglu mit Maas, fragt ihn, wo er gerade herkomme. Dann stellen sich beide vor die Fahnen, lassen sich halbwegs freundlich ablichten. Wenn man es nicht besser wüsste, schienen sich hier zwei Chefdiplomaten zu treffen, die nur wenig akute Differenzen haben.
Hinter verschlossenen Türen indes dürfte es in den folgenden 45 Minuten ernster zugegangen sein. Trotz der mühsamen Wiederannäherung zwischen Berlin und Ankara, die letztlich den Weg zur Freilassung der meisten politischen Gefangenen ermöglichte, sind die Beziehungen zwischen den beiden Nato-Partnern auch heute alles andere als normal.
Spätestens seit Präsident Erdogan die Wahlen in der Türkei auf Juni vorziehen ließ, steht die Frage von möglichen Wahlkampfauftritten von ihm oder seinen Ministern in Deutschland wieder ganz oben auf der Agenda. Erdogan hat schon angekündigt, um die Stimmen der Millionen von Türken im Ausland werben zu wollen. Ein konkretes Land nannte er nicht.
Für Berlin birgt das Thema mehr als nur diplomatischen Zündstoff. Vor gut einem Jahr verbot man Erdogan per Verbalnote, Wahlkampf vor den 1,4 Millionen Türken in Deutschland zu machen. Das Auftrittsverbot für politische Amtsträger markierte den Höhepunkt des Eklats mit der Türkei. Tagelang wütete Erdogan, sprach sogar von "Nazi-Methoden".
Ausgerechnet Cavusoglu will auf jeden Fall vor der Wahl in Deutschland auftreten. Zwar wusste Berlin schon länger, dass der Außenminister im Mai bei der Gedenkfeier zum 25. Jahrestag des Brandanschlags von Solingen eine Rede halten wollte. Das Vorziehen der Wahl veränderte die Lage, fällt der Termin doch jetzt direkt in die heiße Wahlkampfphase.
Was bei dem Gespräch in New York herauskam, lässt sich nur erahnen. Verbreitet wurden nur diplomatische Floskeln. Von einem "guten Gespräch in konstruktiver Atmosphäre" war die Rede. Übersetzt heißt das wohl zumindest, dass Cavusoglu nicht mit der Tür ins Haus fiel und brachial auf Auftritte seines Chefs in Deutschland bestand.
Außenminister Maas hatte schon vor dem Termin Signale der Entspannung gesendet. Er betonte zwar, das Wahlkampfverbot in Deutschland gelte weiter. Er appellierte aber gleichzeitig an die Vernunft Ankaras. Durch den Streit im vergangenen Jahr hätten beide Seiten nur verloren, sagte Maas, eine solche Eskalation-Spirale dürfe sich nicht wiederholen.
Neuer Anlauf mit mäßigenden Tönen
Den Auftritt seines Kollegen in Solingen verbot Maas ausdrücklich nicht. In Solingen gehe es um eine Trauerfeier, um ein Gedenken an die Opfer, nicht um einen Wahlkampfauftritt, sagte er. Hinter den wohlgewählten Worten versteckt sich der Appell, Cavusoglu möge sich in Solingen doch bitte zurückhalten, sonst drohe wieder Ärger.
Das alles mag wie ein diplomatischer Eiertanz wirken. Aus Sicht des Außenamts ist es eher ein neuer Versuch im Umgang mit dem schwierigen Partner Türkei. Mit Poltern und schroffen Äußerungen in der Öffentlichkeit war man in der Vergangenheit immer tiefer in eine Krise hineingerutscht. Nun also ein neuer Anlauf mit mäßigenden Tönen.
Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht. Man hoffe, dass sich die positiven Signale der vergangenen Monate fortsetzten, hieß es aus der Delegation. Dort weiß man, dass Erdogan ganz allein entscheidet, ob er wieder in die alte Tonlage und die schroffen Vorwürfe gegen Deutschland verfällt - oder eben auf Auftritte fernab der Heimat verzichtet.
spiegel
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