Syrien demobilisiert Rekruten von 2010

  22 Juni 2018    Gelesen: 1189
Syrien demobilisiert Rekruten von 2010

Im Jahr 2010 treten junge Syrer ihren vermeintlich zweijährigen Wehrdienst an. Doch dann bricht der Krieg aus. Seitdem sind acht Jahre vergangen und die ersten Soldaten dürfen zurück nach Hause. Doch nicht für alle ist die Heimkehr eine Freude.

Acht Jahre hat Sunil Ali Uniform tragen müssen - nun kann er endlich wieder zivile Kleidung anziehen. Der 34-Jährige war 2010 wie Tausende junge Syrer zum Wehrdienst eingezogen worden. Doch statt der geplanten zwei Jahre musste er acht Jahre in der Armee Dienst tun. Vor einer Woche schließlich entschied die Armee, die Wehrdienstleistenden von 2010 zu demobilisieren. Sunil Ali konnte endlich seine Taschen packen und aus der Kaserne nach Hause zurückkehren.

"Endlich lasse ich Gewehre und Sandsäcke hinter mir", sagt der junge Mann aus Homs euphorisch, der zuletzt im Süden des Landes eingesetzt war. Während er seine Taschen packt, klingelt ständig sein Telefon. Freunde und Verwandte wollen ihm gratulieren. "Wir sind die ersten, doch ihr werdet bald nachkommen", versichert er einem Kameraden, der noch nicht entlassen worden ist. "Die größten Schlachten sind vorbei."

Seit 2015 hat die syrische Armee mit russischer Luftunterstützung und der Schützenhilfe schiitischer Milizen aus dem Libanon und dem Irak den Großteil Syriens zurückerobert. Nach schweren Kämpfen hat die Armee zuletzt auch die Vororte von Damaskus unter ihre Kontrolle gebracht. Neben den Kurdengebieten im Norden bleiben damit nur noch die Rebellenbastionen in Idlib im Nordwesten und Daraa im Süden.

"Der Krieg hat mich zehn Jahre gekostet, doch heute wurde ich demobilisiert", sagt Mohammed Damur, während er durch den Markt von Damaskus streift und Süßigkeiten fotografiert. Eigentlich war der Journalistik-Student für 18 Monate eingezogen worden, doch wurden daraus acht Jahre. "Ich hätte mit 22 meinen Abschluss machen sollen", sagt Damur. "Heute bin ich 27 und noch immer im ersten Jahr der Journalistenschule."

"Wer in den Krieg zieht, ist verloren"


Als der Bürgerkrieg 2011 begann, mussten alle Männer über 18 bis zu zwei Jahre Wehrdienst leisten. Doch da Zehntausende Soldaten zu den Rebellen überliefen, getötet oder verletzt wurden, verlängerte die Armee die Dauer des Wehrdiensts immer weiter. Erst jetzt, da die Kämpfe nachlassen und die Ränge mit neuen Rekruten aus den eroberten Rebellengebieten aufgefüllt werden, entlässt sie die ersten Soldaten.

Maher Daro ist stolz auf seine Zeit als Soldat, aber auch froh, dass sie vorbei ist. "Es ist wie eine neue Geburt. Wer in den Krieg zieht, ist verloren. Wer heimkehrt, wird wiedergeboren", sagt er bei der Rückkehr nach Aleppo, wo ihm seine Familie einen Heldenempfang bereitet. Kaum ist er aus dem Auto gestiegen, erklingt ein Trommelwirbel, Freudenschüsse werden abgefeuert und seine Verwandten beginnen zu tanzen.

Doch nicht für alle ist die Heimkehr solch ein Fest. "Wo soll ich hin?", fragt Mohammed Ala wieder und wieder in einer Kaserne bei Damaskus, den Kopf in die Hände gestützt, nachdem er seinen Entlassungsbefehl erhalten hat. Der 31-Jährige stammt aus der nordsyrischen Stadt Raka, die erst an die Rebellen fiel, bevor sie von den Dschihadisten eingenommen wurde. Heute wird die stark zerstörte Stadt von einer Kurdenmiliz kontrolliert.

Seine Angehörigen sind in die Türkei geflohen, eine Rückkehr auf das Land seiner Familie ist undenkbar. "Meinen Urlaub habe ich immer in der Kaserne verbracht", sagt Ala, der nur unter einem Pseudonym sprechen will. "Wenn der Morgen kommt, werde ich nicht wissen, wo ich schlafen, was ich essen oder trinken soll. Für die ohne Zuhause war der Militärdienst das, was einem festen Job mit einem fairen Gehalt am Nächsten kam."

Quelle: n-tv.de


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