Die Opposition will bei den Parlaments- und Präsidentenwahlen in der Türkei an diesem Sonntag mehr als 600.000 Beobachter einsetzen. Ein Sprecher der größten Oppositionspartei CHP sagte, seine Partei schicke an jede der geschätzt 180.000 Wahlurnen je zwei Beobachter. Neben diesen 360.000 Personen will die pro-kurdische Oppositionspartei HDP nach eigenen Angaben weitere 110.000 Beobachter einsetzen, die nationalkonservative Iyi-Partei 130.000 und andere kleinere Oppositionsparteien ebenso.
Auch parteiunabhängige Beobachter akkreditieren sich über die Parteien, weil sie sonst nicht zur Wahlbeobachtung zugelassen sind. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) "Oy ve Ötesi" ("Stimmen und Mehr") will bis zum Wahltag 40.000 Freiwillige ausbilden, die dann auf dem Ticket von Oppositionsparteien die Wahl beobachten. In diesem Jahr organisiert sich die Opposition zum ersten Mal in der Dachorganisation "Plattform für faire Wahlen".
Mitglieder sind Oppositionsparteien, NGOs, Gewerkschaften und Medien. Ziel der Plattform ist es, die Wahlbeobachtung über das Land verteilt zu organisieren und somit faire Wahlen zu gewährleisten. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und die Parlamentarische Versammlung des Europarates schicken eine kleinere Zahl internationaler Wahlbeobachter in die Türkei.
Vor und während der Wahl sind auch internationale Beobachter in der Türkei aktiv, doch sind sie nicht zahlreich genug, um flächendeckend den Wahlprozess zu überwachen. Am Donnerstag verweigerte die Türkei zudem dem deutschen Linken-Abgeordneten Andrej Hunko die Einreise, der für die OSZE-Mission den Wahltag beobachten wollte. Hunko sprach von einem "nie dagewesenen Affront gegen die internationale Wahlbeobachtung" und wertete den Schritt als Zeichen für die Nervosität der Regierung.
Wahllokale aus "Sicherheitsgründen" verlagert
Mit einer Einreisesperre belegte die Türkei auch den schwedischen Grünen-Abgeordneten Jabar Amin, der ebenfalls für die OSZE die Wahlen beobachten wollte. Amin wurde nach eigenen Angaben am Flughafen der türkischen Metropole Istanbul abgefangen und festgesetzt.
Wahlen in der Türkei galten bis vergangenes Jahr als weitgehend sauber, da die Wahlkommission trotz aller politischen Spannungen als unabhängig galt. Doch die Entscheidung der Kommission während des Referendums über das Präsidialsystem im April 2017, auch Stimmzettel ohne offiziellen Stempel anzuerkennen, führte zu Protesten und zu Zweifeln, dass der Wahlprozess noch vor Fälschungen sicher ist.
Der Leiter der Wahlkommission, Sadi Güven, versichert, dass es eine "sehr sichere Wahl" geben werde. Doch die Zweifel darüber wurden noch verstärkt durch eine Reform des Wahlgesetzes im März. Denn neben der Zulassung ungestempelter Stimmzettel wurde auch die Zusammensetzung der örtlichen Wahlkomitees verändert. Die Opposition fürchtet, dass die Regierung damit mehr Kontrolle über die Auszählung erlangen wird.
Außerdem hat die Regierung aus "Sicherheitsgründen" angeordnet, Hunderte Wahllokale im kurdischen Südosten zu verlagern. Die prokurdische HDP wirft der Regierung vor, damit ihren Wählern die Stimmabgabe zu erschweren. Wenn sie über die Zehn-Prozent-Hürde kommt, dürfte die AKP die absolute Mehrheit im Parlament verlieren.
Quelle: n-tv.de
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