Mit 580.000 Euro notiert ein Lamborghini Countach LP 500 S im Topzustand bei Classic Data. Dagegen wirkt der Aventador S mit seinen 335.050 Euro Grundpreis als Neuwagen geradezu wohlfeil. Unser Fotoauto, Leihgabe einen Neuwieder Oldtimerhändlers, liegt bei 450.000 Euro – was am finanziellen Grundproblem der meisten Fans nichts ändern dürfte. Das gilt übrigens auch für den Kauf eines neuen Aventador. Rund 34 Jahre trennen die beiden Sportwagen-Highlights.
Der LP 500 S
Lassen wir zunächst den LP 500 S wirken. Seit 1982 ist dem 1974 eingeführten Zwölfzylinder-Modell mehr Hubraum (4,8 statt 3,9 Liter) vergönnt – mit dem langsamen Abklingen der Ölkrise konnten sich die Kunden auch wieder über ein Plus an Volumen freuen. Doch leider passte sich auch die Optik des Countach an die Gepflogenheiten der extrovertierten Achtziger an: Die schlicht-schönen Radläufe mit den asymmetrischen Führungen wurden mit feistem Kunststoff belegt, sozusagen als fortführende Schweller-Verbreiterung. Und auch der mächtige Spoiler hinten ist nichts für zurückhaltende Naturen.
Doch nach dem Motorstart mit dem dürren Schlüsselchen scheinen solche Details ziemlich nichtig. Wenn die sechs Weber-Doppelvergaser am Kraftstoff-Tank zehren, um die zwölf Töpfe mit ihrem Lebenselixier versorgen, bebt nicht nur das Gitterrahmen-Gefährt, sondern auch das Herz des Fahrers. Die Drehzahl-Nadel auf dem Jaeger-Instrument steht zitternd über der "10", während der Zwölfender (375 PS) im Rücken sägt und schreit. So ein bisschen wie in Trance drückt der linke Fuß das Kupplungspedal, kurz danach gleitet die zitternde Hand zum sachlich gehaltenen Lederschalthebel mit der offenen Kulisse und legt – ziemlich unspektakulär – den ersten Gang (unten links) ein. Bei kaltem Getriebeöl wandert der Hebel etwas störrisch, und das linke Pedal geht knackig stramm.
Ohne Zickerei
Kupplung kommen lassen, etwas Gas – der betagte Italiener fährt ohne Zickerei an. Die ersten Kilometer ist Zurückhaltung angesagt, sobald das Schmiermittel Temperatur hat (dafür gibt es natürlich eine Anzeige), ist jedoch Zurückhaltung Stufe II an der Reihe. Das heißt: Bei gerader Strecke und trockenem Asphalt ruhig mal Pedal ans Bodenblech bis 4500 Touren, dann aber vom Gas. Bitte keine Sperenzchen in der Kurve – so viel Respekt flößt das Mittelmotor-Coupé mit den 345er-Walzen an der Hinterachse dem Fahrer schon ein. Doch das ist auch rein längs beschleunigt spektakulär, tritt ins Kreuz und geht ins Blut. Und – wir sprechen über ein Auto der Achtziger, das da in fünf Sekunden auf Landstraßen-Tempo gepeitscht wird und auch darüber hinaus Druck ohne Ende hat.
Pause. Runterkommen. Umsteigen in den Aventador S. Den muss man sich im Gegensatz zum Countach so richtig erklimmen. Die Schweller sind breiter und die sportlichen Anforderungen an die Körper der Passagiere höher. Wenn man angekommen ist, fällt der Blick auf das elektronische Cockpit – auch wenn die Klientel wohl meist älter sein und Computerrennspiele kaum interessant finden dürfte: Hier hat das Need for Speed-Zeitalter Einzug gehalten.
Die Macht des Hubraums
Rausgehalten wurde dagegen das Downsizing-Zeitalter. Der 6,5 Liter große Zwölfzylinder ist der Gegenentwurf zur heute erwarteten automobilen Korrektheit. Mit Saugrohreinspritzung sowie der Macht des Hubraums sprudeln hier 740 PS aus dem Quell in der Fahrzeugmitte. Das Triebwerk trompetet und ballert seine 690 Newtonmeter Drehmoment aber an alle vier Räder. Das macht einen schlupffreien Start auch im Regen möglich.
Obwohl der Aventador S werksseitig mit automatisiertem Schaltgetriebe anrollt, ist das Alltagsleben hier nicht ohne Maloche. Häufig angeforderte Übersetzungswechsel bei moderatem Tempo mag das Getriebe nicht und antwortet mit Schaltpausen. Und überhaupt, der Countach ist übersichtlicher und irgendwie einfacher gestrickt, das macht die hohen Bedienkräfte mehr als wett.
Dafür kann man sich beim Aventador ruhig mal etwas mehr Dynamik trauen. Auch hier gilt natürlich: Erst einmal schön das Motoröl warm werden lassen, dann gib ihm freien Auslauf. Schnelles Fahren muss man sich erarbeiten, der Sauger braucht Drehzahl, um in Schwung zu kommen. Dann aber raubt er den gut in den Sitznischen klemmenden Passagieren förmlich die Luft zum Atmen.
Allrad-Lenkung und Vierrad-Antrieb
Dank Allrad-Lenkung und Vierrad-Antrieb pfeilt das Hubraummonster so zackig um die Ecke und schiebt nach der Kehre derart brachial, dass empfindliche Menschen ihre Mahlzeit vertagen sollten. Gegen zu wilde Fahrer sichert sich der Hersteller mit der Trockensumpfschmierung ab –selbst bei maximaler Kurvenfolter auf dem Kurs sollte der Schmierfilm nicht reißen. Auf 100 km/h geht es binnen 2,9 Sekunden, und die Topgeschwindigkeit liegt bei surrealen 350 km/h. Immerhin spielt der Countach bis 290 km/h mit.
Man kann sich kaum darüber beschweren, dass der Aventador nicht konsequent im Sinne der Tradition weiterentwickelt worden wäre. Nur in puncto Exklusivität muss sich er sich gegenüber seinem Vorvorgänger geschlagen geben, von dem während des ganzen, langen Lebenszyklus vermutlich so viele Exemplare gebaut wurden (etwas über 2000) wie vom Aventador binnen zwei Jahren. Menschentrauben weiß er indes ebenso um sich zu versammeln wie der alte Countach.
Quelle: n-tv.de
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