"Das Wissen um Essen und Trinken ist im Familienleben heute geringer als früher", sagt Seitz. "Heute können junge Frauen genauso wenig kochen wie junge Männer, oft ist es zumindest so." Hans Hauner, Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin, sieht das ähnlich: "Viele Deutsche sehen Kochen als verlorene Zeit an, sind beruflich stark eingespannt, wollen für sich allein nicht kochen. Und sie können häufig auch gar nicht kochen."
Die Einschätzung der Experten deckt sich mit den Ergebnissen einer internationalen Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) vom März 2015. Die Statistiker hatten 27.000 Verbraucher ab 15 Jahren in 22 Ländern weltweit am Telefon oder - wie in Deutschland - online befragt. Die Forscher wollten wissen, wie viel Zeit die Leute in der Küche verbringen, wie hoch sie ihr Kochwissen einschätzen und mit welcher Leidenschaft sie Speisen zubereiten.
Frauen gaben an, mehr übers Kochen zu wissen
In allen drei Bereichen zeigte sich im Durchschnitt aller Länder eine deutliche Diskrepanz zwischen Männern und Frauen: Während Frauen nach eigenen Angaben pro Woche im Schnitt 7,6 Stunden in der Küche verbrachten, waren es bei den Männern 5 Stunden, wobei nur Angaben derjenigen berücksichtigt wurden, die berichteten, zu Hause zu kochen.
In der Umfrage gaben die Männer zudem seltener an, ein umfangreiches Kochwissen oder Kochleidenschaft zu besitzen.
Sortiert nach Ländern fällt auf, dass die Menschen in Indien unter den 22 untersuchten Nationen überdurchschnittlich viel Zeit mit Kochen verbringen: Im Schnitt 13,2 Stunden pro Woche. Das entspricht fast zwei Stunden pro Tag. Im Gegensatz dazu gaben die Südkoreaner an, nur 3,7 Stunden in der Woche in der Küche zu stehen. Der Durchschnitt aller Länder lag bei 6,4 Stunden pro Woche, also etwas weniger als einer Stunde täglich.
Die Deutschen verbringen im Vergleich ebenfalls unterdurchschnittlich viel Zeit mit Kochen: 5,4 Stunden pro Woche im Schnitt - im Vergleich mit Frankreich, Italien, Großbritannien und Polen der niedrigste Wert. Über die Kochkünste sagt das allerdings noch nichts aus.
Kochkenntnisse und Wissen über Lebensmittel
Und tatsächlich - hier trauten sich die Befragten in Deutschland etwas zu, zumindest im Vergleich mit den anderen europäischen Nationen. Ein Viertel stimmte der Aussage zu, eine Menge Erfahrung und Wissen zu den Themen Lebensmittel und Kochen zu haben.
Nur in Italien, wo die durchschnittliche Kochzeit pro Woche laut Befragung bei gut 7 Stunden liegt, berichteten mehr Menschen, ein gutes Kochwissen zu haben. Im Vergleich aller 22 untersuchten Länder liegt Deutschland trotzdem unterm Durchschnitt von knapp einem Drittel mit angeblich umfangreichem Kochwissen.
Selbst gemacht ist oft gesünder
Wer sich mit Essen beschäftigt, isst oft auch gesünder. 2013 hatten Forscher etwa Daten von 4400 Probanden einer großen Ernährungsstudie in der Schweiz analysiert. Demnach essen Menschen, die gut kochen können, mehr Gemüse und weniger Fertignahrung. Aus diesem Grund sei es wichtig, Kindern und Teenagern das Kochen beizubringen und sie dazu zu ermuntern, ihre Fähigkeiten zu verbessern, schreiben die Forscher.
Glaubt man der GfK-Umfrage, hält sich die Kochleidenschaft in Deutschland derzeit in Grenzen: Nur gut ein Viertel der Befragten in Deutschland gab an, sich dem Thema Essen mit viel Leidenschaft zu widmen. Ähnliche Ergebnisse gab es etwa in Frankreich, Spanien, Polen, Großbritannien, Schweden und Belgien. In Italien berichteten über 40 Prozent der Befragten, mit Leidenschaft zu kochen, was aber auch der Selbstwahrnehmung geschuldet sein dürfte.
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