Offiziell hat keiner der Öl-Giganten aus den USA diese Meldung bestätigt. Es ist ja auch naheliegend, das nicht zu tun. Bestimmt aber werden Agenturen wie „Reuters“ oder Analyseblätter wie „The Hill“ mit ihren Einschätzungen der Lage nicht allzu grob danebenliegen.
Die größten Ölfirmen der Vereinigten Staaten versuchen womöglich in der Tat, die antirussische Sanktionspolitik einzuhegen – einfach, weil sie damit im eigenen Interesse handeln würden. Obwohl man auf den ersten Blick natürlich denken könnte, es wäre für die US-Amerikaner vorteilhaft, ihre russischen Konkurrenten vom Markt wegzudrängen.
Die Wirklichkeit ist jedenfalls – wie das häufig der Fall ist – kniffliger, als es die einfältigen Denkmuster über die globale Totalkonkurrenz vielleicht erwarten lassen. Die Sache ist ja die, dass US-Unternehmen an russischen Öl- und Gasprojekten – meist als Minderheitspartner – beteiligt sind. Eine Benachteiligung dieser Joint-Ventures beträfe also unmittelbar die Interessen des amerikanischen Öl- und Gassektors.
Sicher, unter den US-amerikanischen Senatoren gibt es gegenwärtig genug überdrehte Persönlichkeiten, die einen Atomkrieg zu entfachen bereit sind, Hauptsache sie können Trump damit eins auswischen. Vor einer Ölmarktkrise – wenn sie die Möglichkeit böte, die Umfragewerte des Präsidenten zu drücken – würden sie bestimmt nicht zurückschrecken.
Man könnte daher annehmen, die Lobbyisten von Exxon Mobile oder Chevron würden in FBI-Verhöre und Untersuchungssauschüsse gezerrt. Wie solche Versuche enden würden, ist aber ziemlich undurchsichtig. Man soll den Einfluss von Konzernen auf die US-Politik nicht unterschätzen: In den Vereinigten Staaten gehen Konflikte zwischen Politikern und Geschäftsleuten nicht selten, sehr häufig sogar, nicht zum Nachteil der Unternehmer aus.
Doch auch wenn der Wille der US-Konzerne, die eigenen Investitionen in Russland zu schützen, als Erklärung für die Motiive ihrer Lobbyisten taugt, gibt es Gründe zur Annahme, dass sich hinter deren Engagement weitaus mehr verbirgt.
Als der russische Energieminister Alexander Nowak im März dieses Jahres in die USA reiste, um seine Ministerkollegen aus den Opec-Ländern zu treffen und inoffiziell auch mit den Spitzenleuten des amerikanischen Ölsektors zu sprechen, schrieben wir: „Opec und Russland verführen die Fracking-Firmen aus den USA: Auf die Welt wartet ein Öl-Superkartell.“
Damit haben wir gemeint, dass eine Absprache der US-amerikanischen Ölmultis mit Russland und der Opec die beste Strategie sein werde, um „mehr Geld zu verdienen, an Preiskriegen nicht länger teilnehmen und sich keine Sorgen mehr darüber machen zu müssen, dass die Vorkommen mit dem billig verfügbaren Fracking-Öl längst aufgeteilt sind und bald schon erschöpft sein könnten“.
Dass ein russisch-amerikanisch-arabisches Ölkartell Wirklichkeit geworden ist, wird daran zu erkennen sein – so unsere Prognose im März –, dass die Ölpreise in den nächsten sechs Monaten weiter steigen und die Fracking-Firmen ihre Förderpläne zügeln.
Auch wenn die US-Konzerne ihre Beteiligung an einem Kartell mit Russland und der Opec nicht verkündet haben (was sie verständlicherweise niemals tun würden), kann man festhalten, dass die vielen Expertenanalysen über Ölpreise, die wegen amerikanischen Fracking-Öls bald einstürzen würden, bisher ganz offenkundig nicht eingetreten sind.
Bei unserer März-Prognose stand ein Barrel WTI bei 61,35 Dollar – gestern (24. Juli) ist der Preis auf 68,79 Dollar geklettert. Natürlich kann der Preisanstieg auch andere Ursachen haben als eine koordinierte Vorgehensweise der Ölförderer vieler Länder. Aber man kommt an der Tatsache nicht vorbei, dass es keine „Überflutung des Ölmarkts mit billigem Fracking-Öl“ gegeben hat.
Vielmehr ergibt sich ein Lagebild, bei dem alle Beteiligten des mutmaßlichen Kartells – Saudi-Arabien, Russland und die amerikanischen Ölmultis – den größtmöglichen Nutzen erzielen. Auffällig ist dabei Folgendes: Um den Politikern, Experten und Journalisten zu vermitteln, warum denn die Öl-Flut ausgeblieben ist, wird eine lustige Geschichte erzählt.
Es gebe in Wirklichkeit sehr viel Öl, sagen US-Konzerne. Nur seien die Möglichkeiten begrenzt, dieses Öl zu den Abnehmern zu bringen. Es gebe halt „logistische Engpässe“. Erst in der zweiten Hälfte 2019 sei mit einer Entspannung der Situation zu rechnen (wobei bisher genannte Fristen bereits verschoben wurden).
Halten wir also fest: Firmen, denen Milliarden zur Verfügung stehen und die sehr komplizierte technische Verfahren beherrschen, sind laut dieser Version nicht in der Lage, Pipelines zu bauen, die groß genug wären, um die Tanklager und Raffinerien dieser Welt mit dem Rohstoff zu versorgen, der angeblich in ausreichender Menge vorhanden ist.
Aber schauen wir uns mal an, wie die Teilnehmerstaaten der „Opec+“ ihre Beziehungen ausgestalten, und wie die Medien darüber berichten. Die Agentur „Bloomberg“ zum Beispiel vermeldet, die russisch-arabischen Pläne zur Gründung einer „Super-Opec“ könnten die gesamte Weltordnung „umkrempeln“.
Und das hat seinen Grund, würde doch die „neue“ Opec sich von der „alten“ gleich in mehreren Punkten erheblich unterscheiden. Zum einen hätte sie natürlich mehr Möglichkeiten, den Ölmarkt zu beeinflussen, einfach weil sie einen weitaus größeren Teil der weltweiten Ölförderung kontrollieren würde.
Überdies würde es sehr schwierig werden, auf die „Super-Opec“ durch Drohungen Druck auszuüben. Russland hat ja in Syrien seine Fähigkeit demonstriert, für die eigenen Nationalinteressen fernab der eigenen Grenzen einzustehen.
Die Demonstration war derart wirkungsvoll, dass nicht mal mehr der traditionelle US-Verbündete, Saudi-Arabien, eine Zusammenarbeit mit Russland scheut – ungeachtet eines offen ausgesprochenen Missfallens des US-Präsidenten.
Dass das Interesse, ein solch gewaltiges Kartell zu zerschlagen, groß ist, liegt nun auf der Hand. Der Ölmarkt ist im Grunde ein Nullsummenspiel – das heißt, jeder Dollar, den ein Erdölexporteur verdient, ist ein Dollar, den ein Erdölimporteur – und die USA sind einer – ausgeben muss.
Hält das „Super-Kartell“ längere Zeit, werden Russlands Zusatzeinnahmen beträchtlich sein. Nur kommt es dann auch darauf an, diese Einnahmen sinnvoll einzusetzen. Den bei all der Größe und Macht: Kein Kartell hält ewig.
sputniknews
Tags: