SPD im Hessen-Wahlkampf

  08 Auqust 2018    Gelesen: 971
SPD im Hessen-Wahlkampf

Zum dritten Mal tritt Hessens SPD-Chef Schäfer-Gümbel bei der Landtagswahl an. Im Duell mit Ministerpräsident Bouffier setzt er auf Sachlichkeit und klassische SPD-Themen - aber es sieht nicht gut aus.

 

Der Frust muss raus. Als die ältere Dame den hessischen SPD-Spitzenkandidaten vor ihrem Haus erkennt, strebt sie auf ihn zu. "Das ist doch das Allerletzte hier, Herr Schäfer-Gümbel", ruft sie ihm entgegen. "Ich kann von meinem Fenster aus sehen, wie der Nachbar auf dem Klo sitzt."

Thorsten Schäfer-Gümbel hat gerade in Frankfurt ein neues Mehrfamilienhaus besichtigt, das mit günstigen Mieten wirbt. Bezahlbares Wohnen ist eines der Schwerpunktthemen des Sozialdemokraten im Hessen-Wahlkampf. Doch der Neubau geht den Nachbarn gehörig auf die Nerven.

Schäfer-Gümbel macht also das, was er auf seiner Wahlkampftour durchs Land häufig tut: Er zückt sein kleines schwarzes Notizbuch mit dem Verschlussbändchen, schreibt tief gebeugt Namen und Problem der Anwohnerin auf. Dann verspricht er: "Ich frag mal nach."

Stunden später beschäftigt ihn die Wutrede der Rentnerin immer noch: "Niemand hat gesagt, dass es einfach wird." Schäfer-Gümbel weiß, wovon er spricht. Schließlich fordert er bereits zum dritten Mal einen CDU-Ministerpräsidenten heraus.

Seit 19 Jahren regiert die CDU nun in Hessen. Am 28. Oktober wird ein neuer Landtag gewählt, und nach jetzigem Stand blieben die Konservativen auch weiterhin stärkste Kraft. Die jüngste Umfrage des Hessischen Rundfunks sieht die CDU von Ministerpräsident Volker Bouffier bei 31 Prozent, die SPD läge bei 22 Prozent. Beide Parteien würden damit knapp sieben Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren einbüßen. Die Grünen legen zwar drei Punkte auf 14 Prozent zu - doch das schwarz-grüne Regierungsbündnis wäre abgewählt. Ergänzt um die FDP könnte es für eine Jamaika-Koalition reichen.

Für die SPD aber würde es selbst für ein Dreierbündnis mit Grünen und FDP, zu der Schäfer-Gümbel gute Beziehungen unterhält, nicht reichen. So bliebe derzeit als einzige Machtoption für die Genossen eine Große Koalition. Doch die will Schäfer-Gümbel auf jeden Fall vermeiden. Zu schlecht ist das Verhältnis zu Bouffier. Zu groß die Angst, dass die Partei wie im Bund in einer GroKo unsichtbar werden könnte - und bei der nächsten Wahl die Quittung bekäme.

"Er oder ich" - Der hessische SPD-Chef setzt darauf, dass die Menschen im Land Veränderung wollen, dass die Stimmung in Hessen noch zu seinen Gunsten kippt. "Er oder ich", sagt Schäfer-Gümbel. Doch knapp zwölf Wochen vor der Landtagswahl stellt sich die Frage: Warum sollte es dieses Mal gelingen? Kann TSG, wie er häufig abgekürzt wird, auch Attacke? Kann er mit seinen Themen für die nötige Aufmerksamkeit sorgen?

Wer den 48-Jährigen im Wahlkampf begleitet, der erlebt einen engagierten Politiker, der sich in jedem Winkel hessischer Landespolitik und kommunaler Richtlinien auskennt. Dass das aber reicht, um die Wende herbeizuführen, daran kann man Zweifel haben.

Station in Frankfurt am Main: Damit Wohnen dort wieder bezahlbar werde, brauche es mehr sozialen Wohnungsbau, findet TSG. Dieses Thema habe Schwarz-Grün komplett vernachlässigt. Allein in Frankfurt werden bis 2030 mehr als 70.000 Wohnungen benötigt. Als neuer Ministerpräsident würde der SPD-Mann in einer Sofortmaßnahme zehn Hektar Landesfläche für den Wohnungsbau zur Verfügung stellen - mehr ein Symbol im Wahlkampf als wirkliche Abhilfe.

Das Projekt, an dem sich der Zorn der Anwohner entlädt, ist so eine Idee, wie preiswertes Wohnen in der Stadt möglich sein soll: Unter zehn Euro kalt soll der Quadratmeter in dem neuen Mietshaus kosten, in anderen Stadtteilen sind es 14 oder 15 Euro. Funktionalität statt Luxus. "Ich weiß, was es bedeutet, auf kleinem Raum zu leben", sagt Schäfer-Gümbel, als er in einer der Wohnungen steht. Mit den Eltern und den drei Geschwistern lebte er auf 80 Quadratmetern, teilte mit zwei Brüdern ein Zimmer von acht Quadratmetern.

spiegel


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