"Bundestrainer? Ich würde darüber nachdenken", erklärt Jürgen Klopp freimütig in einem Zeitungsinterview nach dem WM-Debakel der deutschen Nationalmannschaft. Die Aussage ist bemerkenswert, denn sie ist das Gegenteil eines Dementis. Und sie wirkt beim krisengeplagten DFB in Frankfurt wie ein Hoffnungslicht in dunkler Zeit. Plötzlich ist die Personalie Klopp in der Bundestrainerfrage eine ernste Option. Nach WM-Debakel und Özil-Skandal sucht der angeschlagene DFB-Präsident Reinhard Grindel händeringend nach positiven Alternativen für die Zukunft. So aktiviert Grindel den Weltmeisterkapitän Philipp Lahm als Zukunftsoption im Management. Lahm soll Organisationschef der Fußball-Europameisterschaft 2024 werden, falls der Deutsche Fußball-Bund am 27. September den Zuschlag für das Turnier bekommt.
Und nun wird Jürgen Klopp zur Zukunftsoption in der Trainerfrage. Kaum ein Kandidat wäre für den Bundestrainerjob in Deutschland besser geeignet. Millionen Fans mögen ihn, seine Trainerkompetenz ist unumstritten. Seine Persönlichkeit gilt schon seit der Zeit, in der er als Trainer von Mainz und Dortmund durch die Stadien und die Fernsehstudios tobte, als Faszinosum - inklusive Wutausbrüche. Anders als Jogi Löws weiche Sachlichkeit, verkörpert Klopp die reine Leidenschaft des Fußballs. Seitdem er mit dem FC Liverpool halb Europa erstürmt, begeistert und es ins Champions-League-Finale geschafft hat, mehrt er seinen Ruhm als Kult-Trainer.
Viele wollen "Kloppo" nur zu gerne toben sehen
Auf einer Podiumsveranstaltung in Warstein fragte ihn nun sein ehemaliger Spieler Patrick Owomoyela die reichlich direkte Frage, wann er denn bereit wäre, Joachim Löw als Bundestrainer abzulösen. Da jubelte der ganze Saal, denn vor allem in Nordrhein-Westfalen wollen viele ihren "Kloppo" nur zu gerne toben sehen, wenn es das nächste Mal um einen WM-Titel geht. Auch hier lässt Klopp der Idee Raum zur Entfaltung und liebäugelt bereits mit dem Gedanken: "Aber viele, die das wollen, werden meckern, sobald ich’s bin", antwortet er und erzählt von seinen Söhnen, die ihren Vater auch gerne beim DFB sähen. Owomoyela diagnostiziert trocken und treffend: "Er hat nicht Nein gesagt."
In Wahrheit hat Klopp nach dem WM-Debakel der deutschen Nationalmannschaft damit zweimal "Ja" gesagt. Die K-Frage wäre für den DFB wie für Fußballdeutschland vor allem eine des Zeitpunkts. Klopp steht in Liverpool noch längerfristig (bis 2022) unter Vertrag. Und noch bleibt Joachim Löw Coach des DFB-Teams. Doch: Wie lange? Aus DFB-Kreisen in Frankfurt ist zu hören, dass das Jahr 2020 zur Zielmarke für den Wechsel werden könnte. Sollte Löw bei der Europameisterschaft 2020, die in 12 europäischen Ländern und 12 europäischen Metropolen stattfinden wird, einen großen Erfolg erringen, dann würde er von sich aus zurücktreten wollen - und der Weg für Klopp wäre frei. Sollte Löw aber nochmals scheitern, dürfte seine Zeit auf der DFB-Bank ebenfalls endgültig vorbei sein. Auch dann wäre die Zeit für Klopp gekommen.
"Wir sind nicht besser als der Rest der Welt"
Unter den Fans in Deutschland ist der Zuspruch für das Projekt "Klopp 2020" enorm groß. In einer Vergleichsumfrage der Tageszeitung "Die Welt" erhält Klopp 34,1 Prozent der Wunschtrainerstimmen. Joachim Löw genießt immer noch Sympathien mit 22,8 Prozent der Befragten. Hinter den beiden kommen aber alle weiteren Kandidaten nur auf niedrige einstellige Werte. In einer anderen Direktumfrage des Portals "Sportbuzzer" antworten 85, 5 Prozent der Befragten auf die Frage "Wäre Klopp ein guter Bundestrainer?" mit "Oh ja, das würde super passen".
Der Chefcoach des FC Liverpool gibt in dieser Woche sogar Auskunft darüber, wie Deutschland wieder nach vorne kommen könnte. Klopp doziert im Interview mit dem "Kicker": "Wir sind nicht besser als der Rest der Welt, sodass alle nach rechts rennen, wenn wir den Ball nach links spielen und wir dann freie Bahn haben. Du musst dir den Erfolg in solchen Spielen erarbeiten. Das haben wir nicht getan - und fertig aus." Seine Analyse gipfelt in dem Satz: "Wir müssen einfach unseren Drive wiederkriegen." Ein Spezialist für Drive ist er - auch 2020.
Quelle: n-tv.de
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