Drache in der Arktis: Warum China ins Polargebiet drängt

  15 September 2018    Gelesen: 984
Drache in der Arktis: Warum China ins Polargebiet drängt

China verfolgt seine Interessen in den nördlichen Gebieten mit zunehmendem Nachdruck

China artikuliert nicht nur verstärkt sein Interesse an der Arktis, sondern schreitet mit Tatkraft beim Kampf um deren Rohstoffe voran. Während Chinas Machthaber an einer Strategie zur Erschließung des Nordpols tüfteln, strömen chinesische Touristen in die arktischen Meere, um das Polareis mit ihren eigenen Augen zu sehen – mehr als 80 Prozent der Touristen auf russischen Kreuzfahrt-Eisbrechern sind Chinesen, wie die russische Zeitung „Iswestija“ schreibt.

Als der chinesische Expeditions-Eisbrecher Xuelong im September im Vorjahr die Nordwestpassage passierte, die den Pazifischen und den Atlantischen Ozean entlang der Küste Kanadas und Alaskas verbindet, schrieben chinesische Medien, dass das Schiff „eine neue Meeresstraße für China“ eröffnet hat. Dem ist tatsächlich so. Die Route von Shanghai nach New York über die Nordwestpassage ist knapp 3700 km kürzer als der Weg über den Panamakanal.

Die Route über das Nordpolarmeer von China nach Nord- und Mitteleuropa ist auch attraktiv, weil sie wesentlich kürzer als über den Indischen Ozean, den Suez-Kanal und das Mittelmeer ist. Die russische Nordostpassage, die die westliche Presse immer wieder als „internationales Eigentum“ deklarieren will, wird von Chinesen als eine Art Alternative für die Neue Seidenstraße auf dem Festland bezeichnet.

China bemüht sich stets um mehrere Varianten zur Lösung seiner Probleme. In Bezug auf das ambitionierte Programm „Made in China“, wonach der asiatische Riese in sieben Jahren Europa und Amerika mit noch mehr Waren überfluten will, spielt die Erschließung neuer Handelsrouten um so mehr eine große Rolle.

Eldorado hinter dem Polarkreis

Die chinesische Expedition Xuelong zeigt, dass Peking seine Präsenz in der Arktis trotz der geografischen Entfernung verstärken will. Die von der Klimaerwärmung verursachte Eisschmelze öffnet Türen für neue Wirtschaftsmöglichkeiten in der Region, darunter die Förderung von unterirdischen Öl- und Gasvorkommen und die Errichtung der neuen Handelsrouten.

Laut Schätzungen des Geologischen Dienstes der USA, kann die Arktis bis zu 30 Prozent aller nicht erschlossenen Gasvorräte und 13 Prozent der Ölvorräte bergen.

„Die Situation in der Arktis ist in der Tat breiter, als das Territorium der regionalen Staaten. Sie ist auch von großer Bedeutung für andere Mitglieder der Weltgemeinschaft“, heißt es in einem Dokument der chinesischen Regierung, dem so genannten Weißen Buch. In dem Papier machte China im Januar 2018 erstmals seine Arktis-Strategie publik. Peking beschreibt dabei seine Interessen an Forschungsprojekten und Umweltschutz hinter dem Polarkreis sowie das Streben, die wirtschaftlichen Möglichkeiten zu nutzen, die mit der Erwärmung der Arktis verbunden sind.

„Wir sollten unser Wirtschaftsinteresse nicht verheimlichen, doch es stimmt auch, dass China verantwortungsvoll mit den Ländern der Regionen agieren will“, sagte der chinesische Experte Kai Sun von der Ocean University of China.

„Wir sind bereit, China mit offenen Armen zu empfangen, doch müssen aufpassen und keine voreiligen endgültigen Beschlüsse treffen“, sagte David Balton, ehemaliger Mitarbeiter des US-Außenministeriums. Das bedeutet nichts anderes als: Euer Geld für unsere Projekte ist willkommen, doch mitreden dürft ihr nicht.

„Die Arktis-Anrainer werden über ausschließliche Rechte auf die Ressourcen der Region nach der Bestimmung der Meeres-Einflusszonen verfügen. In dieser Situation will Peking seine internationale Kooperation intensivieren, um sich Zugang zu den Vorräten, besonders in Russland, zu verschaffen“, sagte der Arktis-Experte, Frédéric Laserre, Professor der Université Laval.

Chinesisches Geld

Laut dem Experten hat Russland wegen der westlichen Wirtschaftssanktionen keine andere Wahl als das chinesische Kapital zur Entwicklung der Infrastruktur für die Nutzung der Ressourcen anzunehmen. Andere Staaten werden auch chinesische Investitionen annehmen — aber nur so lange der Einfluss Pekings in der Arktis nicht zu groß wird, also gefährlich im wirtschaftlichen Sinne. Im Dezember 2017 nahm die russische Energiefirma NOVATEK das Flüssiggaswerk auf der sibirischen Jamal-Halbinsel in Betrieb, das zu etwa 30 Prozent von der Nationalen Ölkorporation Chinas und dem Chinesischen Staatlichen Investitionsfonds finanziert wird. An China sollen jedes Jahr vier Mio. Tonnen Flüssiggas geliefert werden.

Einige chinesische Unternehmen beteiligen sich ebenfalls an der Förderung von Bodenschätzen in Kanada und Grönland, allerdings herrscht mitunter noch großes Misstrauen gegenüber China. So schlug Dänemark 2016 das Angebot einer chinesischen Firma aus, einen alten Marinestützpunkt in Grönland zu kaufen – wegen Sicherheitsfragen. Island legte 2011 sein Veto auf den umstrittenen Verkauf eines 300 Quadratkilometer großen Areals an die chinesische Firma Zhongkun ein, die vom ehemaligen chinesischen Spitzenfunktionär Huang Nubo geleitet wird. Norwegen weigerte sich 2014, ein 217 Quadratkilometer großes Territorium auf der Insel Spitzbergen an Nubo zu verkaufen.

In beiden Fällen wurden Befürchtungen geäußert, dass die Absichten des Chinesen nicht wirtschaftlich, sondern geopolitisch motiviert sind – die Einrichtung eines Aufmarschgebiets in der Arktis zur weiteren „Eroberung des Nordens“. Nubo behauptete, er wolle dort Touristen-Zentren für Chinesen und Russen bauen, doch man glaubte ihm nicht.

„Die Einstellung gegenüber chinesischen Investitionen ist nicht dieselbe wie gegenüber Investitionen anderer Länder. Die politische und wirtschaftliche Stärke Chinas alarmiert die Arktis-Staaten, sie wissen nicht genau, ob Peking mit offenen Karten spielt“, sagte Laserre.

In seinem ersten strategischen Arktis-Papier bestätigte China, dass es sich an internationale Regeln, darunter die UN-Seerechtskonvention, halten wird.

Dabei weigerte sich Peking, den Beschluss des Schiedsgerichtshofs in Den Haag 2016 zum Territorialstreit mit den Philippinen im Südchinesischen Meer anzuerkennen, obwohl er auf Grundlage der UN-Seerechtskonvention getroffen worden sein soll.

Polar-Seidenstraße

Auch die Arktis-Eisschmelze beschleunigt die Suche nach alternativen Routen. Sie sollen wesentlich kürzer als die vorhandenen sein. Weitere Fragen beziehen sich auf die Schwierigkeit des Transports, Frachtkosten, Rentabilität.

China will die Lieferwege zwischen Asien und Europa verkürzen. Gerade deswegen zeigt China als größte Exportmacht Interesse an der Entwicklung der Polar-Seidenstraße und will dort eine Infrastruktur entwickeln.

Laut der chinesischen Regierung sind der Seeweg entlang dem russischen Polargebiet und die Seidenstraße-Initiative „Ein Gürtel – eine Straße“ zwei Elemente einer Strategie, deren Umsetzung die Verbindungen Chinas mit dem restlichen Teil Asiens sowie Afrika und Europa verbessern wird.

„Wenn die Arktis-Route hinzukommt, wird es deutlich einfacher sein, Ressourcen zu mobilisieren“, sagte Kai Sun. „Ein Gürtel – eine Straße wird vom Chinesischen Investitionsfonds in Höhe von mehr als 30 Mrd. Euro unterstützt. Zudem zeigte auch die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank Interesse mit ihren mehr als 50 Teilnehmerstaaten“, so der Experte.

sputniknews


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