Industrieverband wirft Koalition Stillstand vor

  25 September 2018    Gelesen: 740
Industrieverband wirft Koalition Stillstand vor

Die Regierung beschäftige sich zu sehr mit sich selbst, schimpft der Industrieverband BDI. Es müsse wieder mehr regiert werden, so sein Chef Kempf auf dem Industrietag in Berlin. Kanzlerin Merkel hört aufmerksam zu und nimmt "diese Bitte sehr positiv an".

Die deutsche Industrie hat vor einem Abschwung der Konjunktur gewarnt und die Bundesregierung zu deutlich mehr Tempo bei Reformen aufgefordert. Eine Regierung in einem permanenten "Selbstgespräche-Modus" bedeute Stillstand, kritisierte BDI-Chef Dieter Kempf beim Tag der Deutschen Industrie in Berlin.

Die Große Koalition sei zerstritten und zu sehr mit hausgemachten Krisen beschäftigt. "Wir brauchen eine Politik, die nicht nur verwaltet, sondern beherzt den Kurs unseres Landes bestimmt." Die Regierung solle ihre Kraft fürs Regieren einsetzen und nicht fürs Opponieren innerhalb der Regierung, kritisierte Kempf. Eine zögerliche Wirtschaftspolitik sei "Gift" für die Konjunktur.

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte Verständnis für die Kritik des BDI, dass sich die Große Koalition zu sehr mit sich selbst beschäftigt habe. "Ich nehme diese Bitte sehr positiv an und werde alles daran setzen, um da zu Verbesserungen zu kommen", sagte die CDU-Chefin. Merkel betonte, die Stärke der deutschen Wirtschaft sei auch in den Krisenjahren immer das "breite industrielle Rückgrat" gewesen.

Merkel hatte erst am Montag ungewöhnlich offen Fehler im koalitionsinternen Streit um Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen eingeräumt. Sie habe sich bei der ursprünglich geplanten Beförderung Maaßens zum Staatssekretär "zu sehr mit der Funktionalität und den Abläufen im Innenministerium beschäftigt, aber zu wenig an das gedacht, was die Menschen zu Recht bewegt", sagte Merkel und drückte ihr Bedauern aus.

"Konjunktur läuft nicht mehr so rund"


Derweil senkte der BDI seine Konjunkturprognose für das laufende Jahr von 2,25 auf 2,0 Prozent. Der hohe Exportanteil der deutschen Wirtschaft werde immer stärker bedroht, sagte Kempf mit Blick auf Handelskonflikte mit den USA oder den Brexit. Außerdem habe sich die Investitionstätigkeit der Unternehmen abgeflacht.

Die deutsche Industrie sei zwar noch in einer robusten Verfassung, die Konjunktur laufe aber nicht mehr so rund wie erwartet, sagte Kempf. "Unsere Stärke ist angreifbar." Deutschland müsse sich auf einen wirtschaftlichen Abschwung gefasst machen. "Die Politik ist gefordert - sie muss mehr Wirtschaft wagen." Viele in der Politik hätten sich an Konjunkturrekorde in Deutschland gewöhnt. Es komme aber nun auf "Wachstumsvorsorge" an.

"Wir sind bunt, nicht braun"

Kempf forderte eine Innovationsoffensive bei Schulen und Straßen sowie für ein schnelles Internet bis in abgelegene Landkreise. In der Steuerpolitik müsse es Entlastungen für Unternehmen geben. In den USA und anderen Ländern seien die Unternehmenssteuern gesenkt worden, die Bundesregierung aber schaue diesem Treiben tatenlos zu. "Das grenzt fast schon an unterlassene Hilfeleistung."

Kempf verlangte außerdem mehr Tempo beim Ausbau der Digitalisierung. Der BDI-Präsident verurteilte außerdem die fremdenfeindlichen Übergriffe in Chemnitz. "Deutschland ist ein weltoffenes Land", sagte Kempf. "Wir sind bunt, nicht braun. In unserem Land ist kein Platz für Hetze und Fremdenfeindlichkeit."

Quelle: n-tv.de


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