Der Osten Deutschlands hat wirtschaftlich aufgeholt, wird einer Studie zufolge aber bald wieder zurückfallen. "Bis 2045 nimmt das Gefälle nach unseren Prognosen wieder zu", heißt es einer Studie der Prognos AG. Grund sind Abwanderung und geringe Geburtenzahlen. Dabei werde es nicht nur ein West-Ost-Gefälle geben, sondern auch ein Süd-Nord-Gefälle.
Während die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Osten einschließlich Berlins derzeit bei drei Vierteln des Westniveaus liege, dürfte sie den Prognosen zufolge bis 2045 auf weniger als zwei Drittel und damit sogar unter den Wert aus dem Jahr 2000 zurückgehen. "Bei einer Fortsetzung der bisherigen Politik werden sich die (materiellen) Lebensverhältnisse zwischen Ost und West nicht angleichen", warnen die Autoren.
Deutschland insgesamt wächst - zumindest noch die nächsten Jahre. Danach dürfte die Einwohnerzahl sinken, wie die Forscher schreiben, allerdings bis 2045 weniger kräftig als lange angenommen. "Die Migrationsbewegungen der letzten Jahre tragen dazu bei, dass lediglich mit einem Rückgang um 2,5 Prozent zu rechnen ist." Das bedeutet: Auch in 27 Jahren werden noch gut 80 Millionen Menschen in Deutschland leben. Heute sind es knapp 83 Millionen.
"Mehr Köpfe - mehr Wirtschaftsleistung"
Länder wie Hamburg, Bayern, Hessen, Baden-Württemberg und Berlin könnten ihre Wirtschaftsleistung demnach bis 2045 um mehr als die Hälfte steigern. Dagegen dürfte das Bruttoinlandsprodukt in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern kaum zulegen, wie Prognos erwartet. Hintergrund ist vor allem die Bevölkerungsentwicklung, bei der sich die Forscher auf Daten des Statistischen Bundesamts stützen.
"Mehr Köpfe bedeuten in der Regel auch mehr Arbeitskräfte und Wirtschaftsleistung", schreiben sie. Die Bevölkerungsentwicklung stellt sich allerdings regional unterschiedlich dar: Sachsen-Anhalt verliert den Erwartungen der Demografen zufolge gut jeden fünften Einwohner, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland jeden siebten. Der Trend zur Verstädterung und einer zunehmenden Landflucht setzt sich demnach fort: Bei der Einwohnerzahl dürfte Berlin in Zukunft die Schwelle von vier Millionen Einwohner erreichen. Immer mehr Menschen zieht es auch in den Großraum München. Deutschland insgesamt kann nach der Studie mit einem Wirtschaftswachstum von jährlich 1,3 Prozent rechnen.
Die Arbeitslosigkeit sinkt
Die jüngsten Tiefstände bei den Arbeitslosenzahlen markieren noch nicht den Höhepunkt des derzeitigen Aufschwungs, wie die Studie annimmt. In zwölf Jahren liege die Arbeitslosenquote bundesweit bei 4,6 Prozent, erwarten die Autoren. Zuletzt war der Anteil der Erwerbslosen auf 5,0 Prozent gesunken.
Das Kräfteverhältnis im Verhältnis der Bundesländer dürfte sich nach Einschätzung der Forscher in den kommenden Jahren nicht grundsätzlich ändern: Bremen behält die rote Laterne, Bayern und Baden-Württemberg liegen auch 2030 noch vorn. Insgesamt dürfte sich die Arbeitswelt weiter verändern: Weniger Menschen werden den Erwartungen zufolge in der Industrie arbeiten, aufgrund der Digitalisierung und der Alterung der Bevölkerung dürfte dagegen der Dienstleistungssektor weiter anschwellen.
Die dahinter stehenden Trends lassen sich schon heute erkennen: Deutschland wird immer älter. Die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre gehen in Rente, die Lebenserwartung steigt. Das mittlere Alter (Median) der Deutschen liegt heute bei 45,8 Jahren, 2045 werden es bis auf 49,5 Jahre steigen, glauben die Wissenschaftler. Die Folge: Außer in den Stadtstaaten Hamburg und Berlin dürfte bundesweit die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter sinken.
Die Rente braucht ein "Update"
Das große Problem dahinter: Wenn immer weniger Menschen in die Sozialkassen einzahlen, aber immer mehr Menschen etwas daraus bekommen wollen, gibt es in naher Zukunft absehbare Schwierigkeiten - zumal wenn die Digitalisierung die Arbeitswelt wandelt, das klassische Angestelltenverhältnis seltener wird und mehr Leute selbstständig und auf Abruf einzelne Aufträge abarbeiten. Denn noch füllen vor allem Abzüge von Lohn und Gehalt der Arbeiter und Angestellten die Sozialkassen.
"Der Sozialstaat braucht ein Update", stellt Prognos fest. Denkbar sind aus Sicht des Instituts andere Finanzierungen wie etwa eine Erwerbstätigenversicherung, in die auch Minijobber, Selbstständige und Beamte einzahlen, oder eine Wertschöpfungsabgabe, um Kapitaleinkommen stärker heranzuziehen.
Die Zukunft lässt sich schwer vorhersagen, das gilt auch beim Deutschland-Report von Prognos. Viele Trends erwarten jedoch auch andere Institute so. Das Institut der deutschen Wirtschaft etwa kommt zu ganz ähnlichen Bevölkerungs- und Abwanderungsprognosen.
Prognos erstellt den Report alle vier Jahre. Das Forschungsunternehmen Prognos gehört mehrheitlich der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck und verdient sein Geld unter anderem mit Beratung für Unternehmen und politische Institutionen. Weitgehend bewahrheitet haben sich unter anderem Vorhersagen zum Wirtschaftswachstum und zur Abwanderung im Osten.
Frühere Bevölkerungsprognosen dagegen wurden Makulatur, als vor wenigen Jahren Hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Noch ist allerdings unklar, ob die Neuankömmlinge überhaupt dauerhaft in Deutschland bleiben und wie schnell gelingt, sie in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft zu integrieren. Festgeschrieben ist daher nichts: Zum Beispiel hatten die Forscher auch nicht erwartet, dass die Arbeitslosigkeit derart schnell sinken würde wie zurzeit.
Quelle: n-tv.de
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