Die Umschlagbagger von Sennebogen eignen sich auch für schwieriges Terrain. Davon ist der Hersteller aus dem bayerischen Straubing überzeugt. Einige Versionen der grünen Riesen fahren auf Rädern, andere auf Ketten und wieder andere auf Schienen. Maximales Einsatzgewicht: 350 Tonnen. Maximale Reichweite der Schaufel: 45 Meter. "Robuste" Maschinen für den "anspruchsvollen" Einsatz, heißt es auf der Webseite des Unternehmens. Robust genug auch für den Einsatz in Syrien? Offenbar.
Derzeit verkauft das Unternehmen zwar keine Bagger in das kriegsgeschundene Land. Internationale Sanktionen verbieten die meisten Geschäfte in Syrien. Im vergangenen Jahr warb aber ein libanesischer Partner der Firma auf der Messe "Rebuild Syria" für die leistungsfähigen Bagger. An diesem Wochenende geht nun schon die vierte Auflage der Messe zu Ende. Und wieder ist ein Händler beteiligt, der auch Produkte von Sennebogen im Sortiment hat.
Der Krieg in Syrien neigt sich dem Ende zu. Und das Land ist ein gewaltiges Trümmerfeld. Homs, Aleppo, Rakka - in den vergangenen sieben Jahren wurden ganze Städte zu Ruinenlandschaften gebombt. Straßen sind zerstört, Strom- und Wasserleitungen gekappt. Syrien wird Produkte, wie die Bagger von Sennebogen, dringend brauchen, um das Land wieder aufzubauen. Die Messe "Rebuild Syria" ist denn auch nicht die einzige, auf der die Staatsführung rund um Präsident Baschar al-Assad dieser Tage nach Investoren sucht.
Für Betriebe aus dem Maschinenanlagenbau, dem Energiesektor, der Elektrotechnik und etlichen anderen Branchen könnte der Wiederaufbau ein gutes Geschäft werden. Die meisten Firmen halten sich äußerst bedeckt. Auf Anfragen an Pressestellen folgen schwammige Antworten. Doch Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, sagt n-tv.de: "Wir haben immer wieder vorsichtige Anfragen von unseren Mitgliedsunternehmen zu Syrien. Sollte der Krieg vorbei sein, ist die deutsche Wirtschaft grundsätzlich bereit, beim Wiederaufbau des Landes zu helfen."
Schon die Rückkehr zu den wirtschaftlichen Beziehungen aus Vorkriegszeiten wäre für viele Unternehmen ein Gewinn - vor allem, wenn sie in Syrien noch Anlagen oder Fabriken haben, die seit Jahren brach liegen. Das Handelsvolumen Deutschlands und Syriens betrug einst zwei Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 95 Millionen. Treier spricht von einem "beachtlichen Marktpotential" und "gewaltig Luft nach oben." Denn natürlich geht es jetzt um viel mehr als um die Rückkehr zu den Wirtschaftsbeziehungen aus Vorkriegszeiten.
Die Industrie wartet auf das Startsignal der Politik
Der Internationale Währungsfonds schätzt die Gesamtkosten für den Wiederaufbau Syriens auf bis zu 200 Milliarden US-Dollar. Die Vereinten Nationen gehen von knapp 300 Milliarden aus, das syrische Regime sogar von 400 Milliarden. Längst macht sich ein gewisses Konkurrenzbewusstsein breit. Russland weitet nicht nur seine militärische Präsenz in Syrien aus, sondern buhlt um Aufträge und Zugänge zu Rohstoffen. China gilt als großer Herausforderer. Auf der Messe "Rebuild Syria" sind derzeit nach Angaben der Betreiber Aussteller aus 25 Nationen vertreten, neben syrischen Unternehmen sind darunter viele aus dem Iran und dem Libanon. Ihnen geht es darum, frühzeitig einen Fuß in die Tür zu bekommen. "Wo deutsche Unternehmen rausgehen, füllen andere Staaten das Vakuum", sagt Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Er erinnert sich an die Zeiten, in denen die deutsche Wirtschaft einen eigenen Vertreter in Damaskus hatte. Er spricht von einem "nützlichen Referenzpunkt für die Zukunft", hofft, bald wieder daran anknüpfen zu können. Noch, das macht Treier allerdings deutlich, ist es dafür aber zu früh.
Zunächst müsste ein offizielles Friedensabkommen stehen, sagt Treier. Aber auch das allein reiche nicht. "Bevor sich die deutsche Wirtschaft wieder in Syrien engagiert, muss die Politik ein Startsignal setzen - zum Beispiel im Rahmen einer Investoren- und Wiederaufbaukonferenz." Die Industrie will auf keinen Fall den Eindruck erwecken, das Geschäft stehe an erster Stelle. Wäre das so, wäre die Frage des Wiederaufbaus einfach zu beantworten: Behörden und Zivilbevölkerung brauchen Häuser, Straßen und Strom. Die deutsche Industrie hat die Technik und das Know How, um sie damit zu versorgen. Win-Win. Doch mit Blick auf Syrien gilt das Primat der Politik. Und auf dieser Ebene ist die Frage des Wiederaufbaus unendlich kompliziert.
"Orte des Verbrechens dürfen nicht einfach überbaut werden"
Grundsätzlich gibt es zwei sich widersprechende Positionen zum Wiederaufbau: Russland, der wichtigste Verbündete Assads, fordert eine Ende der Sanktionen, damit Unternehmen sich wieder in Syrien engagieren können. Der Kreml pocht darüber hinaus auf Direktinvestitionen, die insbesondere aus Deutschland kommen sollen. Das Hauptargument des Kreml: Russland hat viel Geld und Energie eingesetzt, um zusammen mit der syrischen Regierung den Terror im Land zu bekämpfen. Den Wiederaufbau sollten jetzt andere übernehmen, vor allem die Bundesrepublik. Berlin wolle schließlich die vielen Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz gesucht haben, irgendwann auch wieder loswerden. Der Wiederaufbau sollte besser heute als morgen beginnen – bedingungslos. So sieht das auch Damaskus. Die syrische Führung weiß, dass seine Verbündeten Russland und Iran sich den Wiederaufbau allein kaum werden leisten können. Andere Staaten sollen einspringen - aber bitte ohne politische Bedingungen daran zu knüpfen.
Für die zweite Position stehen vor allem Syrer im Exil. Ihrer Meinung nach haben Moskau und Damaskus in Syrien nicht in erster Linie Terroristen bekämpft, sondern die politische Opposition Assads. Der Präsident zeichnet demnach für den Tod Hunderttausender Syrer verantwortlich. Ein Großteil der rund sechs Millionen Flüchtlinge, die in Syriens Nachbarschaft und Europa Schutz gesucht haben, floh vor Bomben und Unterdrückung seines Regimes. Endet der Krieg in Syrien, bleibt nicht nur ein Trümmerfeld zurück. Alles deutet darauf hin, dass auch Präsident Assad bleibt – samt seines berüchtigten Sicherheitsapparats. Unter diesen Bedingungen dürfe es eine deutsche Beteiligung am Wiederaufbau nicht ohne Weiteres geben, sagt Christin Lüttich von "Adopt a Revolution" n-tv.de.
Der Verein "Adopt a Revolution" wurde 2011 von syrischen und deutschen Aktivisten ins Leben gerufen, um den friedlichen Widerstand gegen das Assad-Regime zu unterstützen. "Die Orte, um die es beim Wiederaufbau geht, sind Orte, aus den Menschen vertrieben, an denen sie hingerichtet oder durch Fassbomben getötet wurden", sagt Lüttich. "Diese Orte können nicht einfach überbaut werden." Die Aktivistin pocht darauf, zuerst Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufzuklären. Dafür bräuchten unabhängige Ermittler Zugang zu diesen Orten – bevor die Bagger kommen.
Lüttich listet eine ganze Reihe weiterer Bedingungen auf: "Wir müssen uns fragen, welche Regionen wir für welche Leute aufbauen wollen." Wenn in den vergangenen Jahren Geld aus dem Ausland nach Syrien geflossen sei, sei es oft in den Händen der Lieblinge des Regimes gelandet, sagt sie. Lüttich berichtet von zerbombten Stadtteilen, in denen jetzt Luxus-Wohnprojekte entstehen sollen, die sich nur die syrische Upper-Class leisten kann. Geld sei auch bei Milizen-Chefs und Warlords gelandet, die mit Assad kooperieren. "Im schlimmsten Fall, würden wir mit deutschen Steuergeldern nicht nur Kriegsverbrechen vertuschen, sondern die Kriegsökonomie in Syrien weiter finanzieren und so den Konflikt verlängern."
Aus Deeskalationszonen werden Kriegsschauplätze
Womöglich ist das Ende des Krieges auch noch viel ferner, als es derzeit erscheint. Zwar ist die akute Gefahr einer Schlacht um die Provinz Idlib vorerst gebannt. Rund um die letzte verbliebene Rebellenhochburg soll eine "Deeskalationszone" entstehen. Russlands Präsident Wladimir Putin versicherte am Donnerstag, dass er deshalb keine großen Kampfhandlungen mehr erwarte. Doch bisher gilt: Aus allen Regionen, die in Syrien in den vergangenen Jahren zu Deeskalationszonen erklärt wurden, sind Kriegsgebiete geworden. Assad lässt wenig Zweifel daran, dass er die vollständige Kontrolle über Syrien zurückgewinnen will. Und er macht keinen Hehl daraus, dass er den Tod Hunderttausender und die Flucht von Millionen Menschen eher als einen Reinigungsprozess versteht denn als Tragödie. Assad sprach schon von einer "gesünderen und homogeneren Gesellschaft".
Auch deshalb warnt Lüttich von "Adopt a Revolution" davor, eine deutsche Beteiligung am Wiederaufbau mit der Flüchtlingsfrage zu verknüpfen. Zwar heißt es vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, dass mittlerweile schon die Rückkehr von einer Millionen Syrern in ihre Heimat geglückt sei. Doch dabei handelt es sich überwiegend um Binnenflüchtlinge. Unter Exil-Syrern verbreiten sich Geschichten von Menschen, die sich dem Regime unterworfen haben und nun trotzdem diversen Repressalien ausgesetzt sind. Einige sollen sogar in den Gefängnissen von Assads Geheimdiensten verschwunden, gefoltert und hingerichtet worden sein. "Oppositionelle werden nicht zurückkehren", sagt Lüttich. "Syrien ist nicht sicher."
Die Bundesregierung befindet sich in einer schwierigen Lage: In Syrien gibt es Millionen von Zivilisten, die sich nach Frieden und einem Neuanfang sehnen - egal ob unter Assad oder nicht. Die humanitäre Lage ist in vielen Regionen prekär. Beteiligt sich Berlin am Wiederaufbau, hilft die Bundesregierung diesen Menschen in Not. Tut sie das allzu bald, stützt sie wahrscheinlich aber auch das System Assad, dem sie selbst Mord und Vertreibung von Millionen anderer Syrer vorwirft. Ob eine juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen und die Verstöße gegen Menschenrechte aufgeklärt werden können, solange Assad herrscht, ist fraglich. Zumindest dürfte es fast unmöglich sein, die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.
Die USA unter Donald Trump bezeichnen es als "absurd", Syrien für Assad und seine russischen Verbündeten wiederaufzubauen. Das Auswärtige Amt in Berlin gibt sich auf Anfrage von n-tv.de zurückhaltender. Das Haus verweist auf wiederholt vorgetragene Aussagen von Minister Heiko Maas: Deutschland werde sich nur an einem Wiederaufbau beteiligen, wenn "ein glaubwürdiger politischer Prozess" in Syrien in Gang kommt, der unter dem Dach der Vereinten Nationen steht. Deutschland werde nicht Erfüllungsgehilfe eines Regimes, das seine Legitimität längst verloren hat. Maas pocht auf freie und faire Wahlen. Nur was ist, wenn Assad aus diesen Wahlen als Sieger hervorgeht? Ahnt die Wirtschaft, dass ein wie auch immer gearteter Kompromiss greifbar wird? Oder stufen Unternehmer die Lage in Syrien - vielleicht auch befeuert durch die Konkurrenz aus dem Ausland - doch etwas zu optimistisch ein?
n-tv
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