Boom der Weltwirtschaft geht zu Ende

  09 Oktober 2018    Gelesen: 907
Boom der Weltwirtschaft geht zu Ende

Experten sprechen bereits von der Gefahr einer "zweiten großen Depression": Hohe Schulden und die Politik von US-Präsident Trump bedrohen das Wachstum der Weltwirtschaft. Der IWF warnt vor möglichen Folgen. Das erste Opfer steht schon fest.

Argentinien, Pakistan, Türkei: Wenn sich von heutigen Dienstag an die internationale Elite aus Wirtschaft- und Finanzpolitik auf Bali trifft, wird der Sonnenschein der Ferieninsel im Indischen Ozean deutlich getrübt von der Gewitterstimmung in der Weltwirtschaft. "Es nieselt, aber es schüttet noch nicht", sagt die zu wetternahen Sprachbildern neigende IWF-Chefin Christine Lagarde vor dem Jahrestreffen ihres Internationalen Währungsfonds (IWF) mit der Weltbank in Indonesien.

Der Boom der Weltwirtschaft hat ein Ende erreicht. Die Prognose von 3,9 Prozent Wachstum für 2018 und 2019 sei nicht mehr zu halten, kündigt Lagarde schon vor der Tagung an, bei der Finanzminister, Notenbankchefs und Finanzexperten aus 189 Ländern zusammenkommen werden. Auch die G20-Finanzminister halten ein Treffen ab, zu dem der deutsche Ressortchef Olaf Scholz anreisen wird. IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld - der kurz vor dem Ruhestand steht - stellt derweil seinen letzten Weltwirtschaftsbericht vor. Demnach erwartet der IWF für 2018 und 2019 ein globales Wirtschaftswachstum von 3,7 Prozent. Auch für Deutschland wurde der Ausblick abgesenkt.

Donald Trump bereitet dem IWF Sorgen

Es ist nicht nur die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump, die Lagarde, Obstfeld und ihren Kollegen Sorgen macht. Wie einen Intensivpatienten mit einer Adrenalin-Infusion hält Trump mit seiner prozyklischen Fiskalpolitik über Steuergeschenke und protektionistische Maßnahmen die größte Volkswirtschaft der Welt auf einem künstlichen Boomkurs. Das könnte bis zum Jahr 2020 so gehen. Dann steht Trump zur Wiederwahl - und wichtige Teile seiner Steuerreform laufen aus.

"Bisher wachsen die USA stark, gestützt durch eine prozyklische wirtschaftspolitische Expansion und noch immer lockere finanzielle Bedingungen", sagt Lagarde. Das könne aber zum Risiko werden. Die staatlichen Spritzen für die US-Wirtschaft sind großteils über Schulden finanziert. Wie auch das Wachstum in Entwicklungs- und Schwellenländern. Die Schulden von privater und öffentlicher Hand sind auf ein Rekordniveau gewachsen. Mit 182 Billionen Dollar stehen öffentliche und private Haushalte weltweit in der Kreide. Das sind rund 60 Prozent mehr als noch vor der Finanzkrise im Jahr 2007.

"Diese Häufung macht Regierungen und Unternehmen anfälliger für eine Straffung der geldpolitischen Bedingungen", sagt Lagarde. Von der Gefahr einer "zweiten großen Depression" ist gar schon die Rede, weil sich Regierungen und Regulierungsbehörden nicht zu strengeren Spielregeln für die Märkte durchringen können. In den USA lockert Trump gerade die Zügel, die sein Vorgänger Barack Obama nach der Finanzkrise angelegt hatte. Auch in der Londoner City machen sich im Brexit-Tumult Lockerungstendenzen breit.

Besonders Entwicklungs- und Schwellenländer wären von Krise betroffen

Die Situation sei so, dass die Finanzmarktakteure "so lange tanzen, wie die Musik spielt", sagt ein Volkswirt zur Lässigkeit an den Märkten. Der frühere britische Premierminister und Schatzkanzler Gordon Brown, der das stark von Finanzdienstleistungen abhängige Königreich durch die Finanzkrise 2008 zu steuern hatte, äußerte sich jüngst in einem Interview mit dem "Guardian" zutiefst besorgt: "Wir laufen Gefahr, in eine bevorstehende Krise hinein zu schlafwandeln", sagte er und sprach von einer "führungslosen Welt".

Mit anderen Worten: Falls die US-Notenbank Federal Reserve noch zügiger die Zinsen hochdrehen muss, weil die Trumpsche Wirtschaftspolitik ansonsten kurzfristig zu Überhitzungseffekten führen würde, könnte es Opfer geben. Weniger bei den reichen Ländern. Vor allem die Entwicklungs- und Schwellenländer, wo Unternehmen ihre Schulden häufig in US-Dollar aufnehmen, wären betroffen.

Argentinien ist das erste Opfer. Der Weltwährungsfonds musste dem südamerikanischen Land bereits mit 50 Milliarden Dollar unter die Arme greifen. Die Türkei und Pakistan könnten folgen - wenngleich beide Regierungen noch abwinken. Der türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan will sich partout nicht die Blöße geben, bei der internationalen Gemeinschaft um Hilfe zu bitten. Und auch Pakistan hofft darauf, den Karren aus eigener Kraft aus dem Dreck zu ziehen.

Quelle: n-tv.de


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