Japans Bevölkerung altert, die Einwohnerzahl schrumpft. Eine Folge davon: niedrige Zinsen. Im vergangenen Jahr zeigte die Bank of England in einer Studie, dass die Demografie wesentlich für ein niedriges Zinsniveau mitverantwortlich ist. Alternde Gesellschaften, die nicht wachsen, weisen demnach tendenziell merklich niedrigere Zinsen auf als wachsende Gesellschaften.
Der Hauptgrund liege darin, dass die Menschen immer älter werden und somit auch eine längere Rentenzeit erleben, so die Autoren der Studie. Deshalb werde mehr gespart, und das steigende Geldangebot drücke auf die Zinsen. Das beste Beispiel hierfür sei die Bevölkerung Japans, die mit Abstand älteste weltweit mit einem Seniorenanteil von knapp 30 Prozent.
Die Bank of Japan hält seit Jahren die Zinsen niedrig - und die japanische Wirtschaft brummt, ebenso wie der Aktienmarkt. Der Nikkei kletterte jüngst auf ein 27-Jahreshoch. Auch in vielen Ländern Europas, inklusive Deutschland, sind die Geburtenraten rückläufig, die Zinsen in der Eurozone auf Rekordtief. Dass der deutsche und der japanische Aktienmarkt in unterschiedliche Richtungen laufen, verwundert daher auf den ersten Blick.
Die Europäische Zentralbank kündigte zwar zum Jahresende das Auslaufen des milliardenschweren Anleihenkaufprogramms an, mit dem die Konjunktur in der Eurozone auf Trab gebracht wurde. An der Politik der Null- und Strafzinsen wollen die europäischen Währungshüter aber vorerst weiter festhalten. Zwar könnten weiter steigende US-Zinsen die Zinsen für deutsche Bundesanleihen mit nach oben ziehen. Dennoch dürfte das hiesige Zinsniveau auch künftig deutlich langsamer klettern als jenes in den USA. Ein ernsthafter Gegenwind für den deutschen Aktienmarkt ist deshalb von dieser Seite nicht in Sicht. Ein Teil der Zinsdifferenz zu den USA im Gegensatz zu Japan lässt sich zudem durch die erwähnte Demografie erklären - die US-Bevölkerung wächst nach wie vor.
Auf die Exportmärkte kommt es an
Anders eben in Japan. Auch deshalb will die japanische Notenbank von einer Verschärfung der Geldpolitik nichts wissen, vielmehr kauft die Bank of Japan weiterhin kräftig Anleihen, um so die Zinsen für zehnjährige Anleihen in einer engen Spanne um die Marke von null Prozent zu halten. Die sehr lockere Geldpolitik der japanischen und der europäischem Zentralbank führen dazu, dass sowohl Yen als auch Euro gegenüber dem Dollar deutlich im Rückwärtsgang sind.
Das ist gut für das "Geschäftsmodell" der deutschen und der japanischen Volkswirtschaft: Sie setzen beide stark auf den Export und sind damit vom Welthandel abhängig. Die wichtigsten Ausfuhrschlager Deutschlands sind Autos, Maschinen, Elektronikgeräte und Pharmaprodukte, ähnlich sieht es auch bei Japan aus.
Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen den zwei Volkswirtschaften: Sie sind von einzelnen Absatzmärkten unterschiedlich stark abhängig. So gehen neun Prozent der deutschen Ausfuhren in die USA, womit das Land der wichtigste Handelspartner Deutschland ist, und sieben Prozent nach China. Hingegen liefert Japan jeweils rund 20 Prozent seiner Güter in die USA und nach China. Damit profitiert Japan stärker von der florierenden US-Wirtschaft. Das beflügelt den Nikkei zusätzlich und erklärt, warum sich der japanische Aktienmarkt in diesem Jahr besser entwickelt hat als der deutsche.
Italien-Krise und Brexit-Gerangel
Zusätzlicher Gegenwind für die deutsche Wirtschaft und damit auch den Dax kommt von der Italien-Krise, womit sich die Perspektiven nicht nur für die dortige Wirtschaft, sondern für die der Eurozone insgesamt eintrüben. Die Sorge vor einem "harten" Brexits, also dem ungeordneten Austritts Großbritannien aus der EU, tut ihr Übriges.
In diesem Umfeld ist der Einkaufsmanagerindex für die deutsche Industrie, ein Konjunkturbarometer des Marktforschungsinstituts Markit, im September auf ein 25-Monatstief eingebrochen. Der Tankan-Bericht, der einen Ausblick auf die Entwicklung der japanischen Industrie liefert, fiel dagegen zuletzt recht positiv aus.
An der Zinslage wird all das jedoch nichts ändern. Japan kommt gut mit Nullzinsen klar und hat keine Alternative dazu. Auch in Europa könnte sich nach und nach die Erkenntnis durchsetzen, dass Null- oder Niedrigzinsen der einzige Weg sind in einem demografisch-schwachen Währungsraum. Die klassischen Sparer - vor allem in Deutschland - mögen es nicht gerne hören: Japan zeigt, dass die Welt dann keineswegs zusammenbricht.
Quelle: n-tv.de
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