Markus Söder und Horst Seehofer sprechen an diesem Abend im Abstand von knapp 40 Minuten im selben Saal - aber unter sehr unterschiedlichen Bedingungen: Den Auftritt des Spitzenkandidaten und Ministerpräsidenten im voll besetzen CSU-Fraktionsraum am Wahlabend beklatschen die Parteifreunde tapfer, er wird auf der Bühne umringt von Kabinettsmitgliedern und Wahlkämpfern von der Jungen Union. Als Seehofer gegen 19 Uhr eintrifft, ist der Saal fast leer, als der Vorsitzende schließlich zu reden beginnt, gerade einmal halbvoll. Neben ihm stehen nur Generalsekretär Markus Blume und Stellvertreterin Daniela Ludwig.
Der Parteivorsitzende dankt dem Ministerpräsidenten für dessen Einsatz im Wahlkampf. "Es war famos", sagt Seehofer. Er sei "betrübt" über das Ergebnis, das gelte es nun "genau aufzuarbeiten". Doch vor allem sollten seine Christsozialen "geschlossen für den Auftrag arbeiten", den die Wähler ihnen erteilt hätten.
Geschlossen ist die CSU in Wirklichkeit schon lange nicht mehr - die Frage ist allerdings, ob da nun endgültig etwas aufbricht in dieser merkwürdigen Koexistenz zwischen Ministerpräsident und Parteichef. Mit anderen Worten: Wie geht es weiter für Seehofer?
Der große Aufstand der Basis ist erst einmal ausgeblieben. Aber nun kommt am Montagmorgen um 10 Uhr der Parteivorstand in der CSU-Landesleitung zusammen. Dann dürfte es mit der Fehleranalyse losgehen, von der Seehofer schon am Abend zuvor sprach. "Da wird es dann zu Sache gehen, zur inhaltlichen Sache", sagt etwa die noch amtierende Landtagspräsidentin Barbara Stamm mit Blick auf die vermutlich viele Stunden dauernde Gremiensitzung.
Aber bedeutet das auch schon eine Debatte über die Frage, wer eigentlich welchen persönlichen Anteil an dem Wahldebakel trägt? Es geht um das R-Wort: Rücktritt.
Denn dass der Parteichef die Hauptschuld an dem CSU-Absturz trägt, darin dürften sich die meisten Mitglieder des Parteivorstands einig sein - abgesehen von einigen verbliebenen Stützen des Vorsitzenden wie dem Berliner CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, einst wie Dobrindt Generalsekretär von Seehofer. Aber das heißt noch lange nicht, dass man Seehofer deshalb sofort loszuwerden versucht.
Erwin Huber, von Seehofer 2008 als Parteichef abgelöst, forderte von dem Vorsitzenden bereits am Sonntagabend indirekt den Rücktritt, ebenso konnte man die Äußerungen von Ex-Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer verstehen.
"Wir können rechts gar nicht so viel holen, wie wir in der Mitte verlieren"
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich macht Seehofer verantwortlich für die Pleite bei der Landtagswahl. "Wir brauchen einen anderen Stil, eine verbindende Sprache und gutes Regieren", sagt der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe. "Unionsinterner Streit oder der Versuch, rechts zu gewinnen, sind gescheitert." Innenminister Seehofer hatte den Streit mit Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel wegen geplanter Zurückweisungen von Asylbewerbern vom Zaun gebrochen und immer wieder versucht, seine Partei beim Flüchtlingsthema mit markigen Forderungen zu positionieren.
Auch die CSU-Politikerin Stamm, lange eine Unterstützerin Seehofers, erneuerte am Wahlabend ihre Kritik am Parteichef: "Wir können rechts gar nicht so viel holen, wie wir in der Mitte verlieren", sagt sie. Zu lange habe die Flüchtlingsdebatte dominiert. "Es ist wichtig, dass wir die ganze Bandbreite als Volkspartei darstellen."
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Stefinger formuliert seine Kritik eher allgemein: "Ich möchte einen neuen Stil, ein neues Miteinander und Köpfe, die alle Bereiche abdecken", sagt Stefinger. Aber auch dabei dürfte es um Seehofer gehen, weil er nach Meinung seiner Kritiker insbesondere in der Flüchtlingspolitik viele liberale Wähler vergrätzt hat.
Doch nach dem Ergebnis des Wahlabends, das für die CSU nicht ganz so schlimm kam wie erwartet, spricht nun wohl einiges dafür, Seehofer eher schrittweise das Vertrauen zu entziehen.
sputniknews
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