Wieder Krieg um Einflusszonen: Will der Westen die Libyen-Krise ohne Russland lösen?

  18 Oktober 2018    Gelesen: 816
Wieder Krieg um Einflusszonen: Will der Westen die Libyen-Krise ohne Russland lösen?

Mit dem Sturz Muammar Gaddafis durch westliche Regierungen brach Libyen entzwei. Seit 2011 herrschen Chaos und bewaffnete Milizen in dem Land. Mindestens 40.000 Menschen sind in diesem Krieg getötet worden. Russland könnte die Stabilität in Libyen stärken, muss aber umsichtig sein. Für den Westen ist Moskaus Einfluss in Nordafrika ein Horror.

Viele mächtige Länder sind derzeit am Libyen-Krieg beteiligt. Die größten Kräfte sind Großbritannien, Frankreich und Italien. Sie treten dafür ein, den Konflikt im gegenwärtigen Stand einzufrieren. Libyens Nachbarland Ägypten und die Regionalmacht Saudi-Arabien betrachten den zersplitterten Staat indes als eine Plattform für die Offensive gegen den Islamismus.

Dass auch Russland eine zunehmend wichtige Rolle im Libyen-Konflikt übernimmt, ist seit längerer Zeit erkennbar. Unter anderem an den Besuchen von Feldmarschall Chalifa Haftar und seinen Sondergesandten in Moskau. Interessant ist, dass die russische Führung Kontakte auch zum westlich unterstützten libyschen Premierminister Fayiz as-Sarradsch unterhält.

Indes berichten westliche Medien, Russland suche angeblich nach Wegen, das Waffenembargo der Vereinten Nationen zu umgehen und Waffen nach Libyen zu liefern. Auch seien russische Spezialisten an der libysch-ägyptischen Grenze gesichtet worden: An Kampfhandlungen hätten die nicht teilgenommen, sondern Waffensysteme gewartet.

„Russland sieht seine Aufgabe in Libyen nicht darin, das Land zu kontrollieren, sondern darin, die Kräfte zu unterstützen, die am Wiederaufbau dieses leidgeplagten Landes interessiert sind“, sagt Professor Michail Roschtschin vom Institut für Nahoststudien der Russischen Akademie der Wissenschaften.

„Eine Einheitsregierung gibt es in Libyen heute nicht. Das Land war ohnehin seitjeher in einen West- und einen Ostteil gespalten. In der Zeit Muammar Gaddafis wurde diese Spaltung überwunden, inzwischen aber ist Libyen in die Vergangenheit zurückgefallen“, sagt der Wissenschaftler.

In Tripolis ist gegenwärtig eine gemäßigt islamistische Regierung an der Macht, die vom Westen unterstützt und anerkannt wird. Der Einfluss dieser Regierung ist jedoch beschränkt, sie kann lediglich im westlichen Teil Libyens durchsetzen. Im Osten des Landes herrscht der Oberbefehlshaber der libyschen Streitkräfte Chalifa Haftar, gestützt vom libyschen Parlament in der Stadt Tobruk.

„Dass Russland sich auf der Zusammenarbeit mit Haftar orientiert, ist aus meiner Sicht richtig. Der Feldmarschall ist der einzige Politiker in Libyen, der das zu retten versucht, was da noch zu retten ist“, sagt der Nahostexperte. „Leider kursieren neuerdings Informationen, Haftar sei ernsthaft krank.“

Europäische Regierungen scheinen im Bezug auf Libyen sich vor allem für ein Thema zu interessieren: die Migration. Durch das Land verläuft eine der wichtigsten Fluchtrouten in Richtung Europa. Das Geschäft mit dem Menschenschmuggel floriert.

Laut dem Experten besteht das Problem der EU-Regierungen darin, „dass sie im Grunde niemanden haben“, mit dem sie über das Migrationsproblem verhandeln könnten. Haftar regiert ja nur im Osten des Landes.

„Eine Initiative vonseiten Russlands könnte in dieser Hinsicht hilfreich sein, weil dadurch letztlich die Stabilität in Libyen gestärkt werden könnte. Doch ich würde dazu raten, sich dabei Zeit zu lassen und umsichtig vorzugehen. Schließlich ist die Lage in Syrien noch nicht vollends reguliert“, sagt der Professor.

Ob Russland sich eine Einmischung in Libyen überhaupt leisten kann, ist sowieso fraglich. Im Nahen Osten gibt es schließlich mehrere Krisenherde: Jemen, Irak, die Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan…

„Ich bin davon überzeugt, dass es für Russland in keiner Hinsicht vorteilhaft wäre, sich in diese Konflikte einzumischen. Das gilt ganz besonders für Jemen und die pakistanisch-afghanische Grenze. Wenn sich aber russische Sicherheitsfirmen im Ausland betätigen, dann ausschließlich aus Eigeninitiative“, erklärt der Experte.

Währenddessen häufen sich die Anzeichen, dass Libyen das nächste Syrien werden könnte. Ist die syrische Nachkriegsordnung erst einmal geregelt, könnte sich die Großmächte umso intensiver über Libyen hermachen.

Die Teilung des Landes sei ja „faktisch schon vollzogen“, betont Professor Roschtschin. „Diese Spaltung zwischen West- und Ostlibyen wird sich nur vertiefen. Große Länder werden das natürlich ausnutzen, um eigene Einflussbereiche zu etablieren.“

sputniknews


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