Am Donnerstag startet in Norwegen die aktive Phase des Manövers „Trident Juncture 2018“ unter Beteiligung von 29 Ländern. Zudem genießt die Allianz Unterstützung seitens Schwedens und Finnlands.
Horden aus dem Norden
Das Nato-Manöver wird bis 7. November dauern – zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Der Umfang ist beeindruckend: der mittlere und östliche Teil Norwegens, die benachbarten Gebiete des Nordatlantiks, Belte und Sunde, das Norwegische Meer und die Nordsee, Island sowie der Luftraum Schwedens und Finnlands. Das Kommando hat US-Admiral James Foggo.
Laut dem Szenario der Übung ist das friedliche Norwegen einer militärischen Aggression seitens des fiktiven nördlichen Landes „Murinus“ ausgesetzt.
Die „Murinus“-Kräfte bzw. „Kräfte des Nordens“ werden von den norwegischen, kanadischen und schwedischen Streitkräften sowie von US-amerikanischen Marineinfanteristen gespielt. Auf dem Meer genießt die Gruppierung Unterstützung von der kanadischen, dänischen, norwegischen, polnischen, britischen und US-Marine. Zwecks Teilnahme an der Übung befindet sich in diesem Raum ein Schiffsverband um den US-Flugzeugträger „Harry S. Truman“.
Der Aggression seitens „Murinus“ widerstehen die vereinigten „Kräfte des Südens“, vertreten durch Marineinfanteristen aus Belgien, Großbritannien, Deutschland, Dänemark, Spanien, Kanada, Lettland, Litauen, Norwegen, Portugal, Finnland, Frankreich, Schweden und den Niederlanden. Die Rolle des Volksheeres spielt die norwegische Nationalgarde. Auf dem Wasser geben ihnen zwei Marinegruppierungen der Nato Deckung – SNMG1 und SNMG2 –, unterstützt von einer Gruppe von Minensuchschiffen.
Nach der Abwehr des ersten „Angriffs“ werden die Seiten die Rollen tauschen: Die „Kräfte des Südens“ werden einen Gegenangriff starten, während sich die „Kräfte des Nordens“ wehren werden. Die Nato-Führung macht kein Geheimnis daraus, dass das Hauptziel des Manövers ist, die schnelle Verlegung von größeren Truppenverbänden über den Atlantik sowie innerhalb Europas zu üben. Wichtig ist auch, im Hohen Norden bei niedrigen Temperaturen zu trainieren.
„Das ist eine sehr gute Möglichkeit für Norwegen, den Empfang eines großen Umfangs von ausländischen Kräften zu üben und gemeinsam mit seinen Verbündeten und Partnern zu kooperieren“, sagte die norwegische Verteidigungsministerin Ine Marie Eriksen Søreide.
Die Nato-Übung ist ziemlich kostspielig: Allein für die Verlegung von Truppen und Technik waren 180 Flüge nötig. Außerdem kamen zu diesem Zweck 60 Schiffe zum Einsatz. Hinzu kommen die Ausgaben für Munition, Brennstoff und Lebensmittel. Die Verträge mit norwegischen Unternehmen, die an der Versorgung rund um dasManövers beteiligt sind, werden auf 159 Millionen Euro geschätzt.
Muskelspiele an der Grenze
Das Manöver verlaufe absolut offen und transparent und verfolge Verteidigungsziele – und „Murinus“ bestünde nur auf dem Papier: Solche Thesen bringen die Organisatoren und Teilnehmer von „Trident Juncture 2018“ immer wieder zum Ausdruck. Sogar Vertreter aller OSZE-Länder, auch Russlands, wurden als Beobachter eingeladen.
Allerdings glaubt man in Moskau nicht an die Harmlosigkeit der Nato-Übung. Das Außenministerium nannte sie „eine antirussische Provokation“ und warnte, dass sie eine negative Rolle für die Sicherheit aller Länder der Region spielen werde. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärte am Mittwoch, dass die militärischen Aktivitäten der Nato im russischen Grenzraum „ein unerhörtes Niveau erreicht“ hätten.
Experten stimmen dieser Auffassung generell zu. Der Politologe Konstantin Siwkow meint, dass die Übung „Trident Juncture“ ausschließlich gegen Russland gerichtet sei: „Die Nato könnte in diesem Gebiet gegen niemanden sonst einen Krieg führen.“ Er schloss nicht aus, dass die Allianz unter dem Vorwand des Manövers „Truppengruppierungen zwecks Invasion auf das Territorium Russlands entfalten könnte“. Der einzige Abschreckungsfaktor sei dabei „Russlands Status als Atommacht. Das ist auch klar: Niemand will eine ‚Ohrfeige‘ mit einer Atombombe bekommen.“
Es sei auch kein Zufall, dass „Trident Juncture“ gerade in Norwegen stattfinde, fuhr der Experte fort: „Sie wollen wahrscheinlich die Suche bzw. Vernichtung von russischen U-Booten und Schiffen in der Barentssee und im nördlichen Teil des Norwegischen Meeres üben.“
Kennzeichnend ist, dass sogar „The Stars and Stripes“, die offizielle Zeitung des US-Verteidigungsministeriums, offen einräumte, das aggressive Land „Murinus“ sei zwar fiktiv, habe aber einen Prototyp. „Die Übung besteht darin, die Befreiung (von eroberten Territorien) zu imitieren – das wäre das schlimmste Szenario für die Nato“, so das Blatt. „Stoltenberg sagte, es gehe dabei um die Übung von Handlungen gegen einen ‚fiktiven Aggressor‘. Aber ‚Trident Juncture‘ wurde geplant, um den ‚nächsten Gegner‘ zu imitieren, und der einzige Gegner in der Nähe ist Russland.“
Illusion des Schutzes
Der Professor der russischen Akademie der Militärwissenschaften, Sergej Sudakow, zeigte sich überzeugt, der Umfang des Nato-Manövers sei ein Ausdruck der schmerzhaften Reaktion der Allianz auf die Übung „Wostok 2018“ der russischen Streitkräfte im September, bei der mehr als 300.000 Soldaten und sehr viel Gerät und Waffen eingesetzt wurden. Eine wichtige Rolle habe dabei auch die Ankündigung des Austritts aus dem INF-Vertrag seitens Washingtons gespielt, ergänzte der Experte.
„Die USA und die Nato müssen jetzt um jeden Preis zeigen, dass sie eine zuverlässige Stütze für ganz Europa sind und bleiben“, betonte er. „Sie müssen ihre europäischen Partner beruhigen und demonstrieren, dass die Stärke der USA und der Allianz so groß wie noch nie ist und Europa zuverlässig beschützt wird. Aber wenn die Europäer beschützt werden, müssen sie dafür zahlen.“
Mit einer dermaßen umfassenden Übung wollen die Amerikaner den Europäern Angst vor einem großen Krieg machen, damit diese möglichst tief in die Geldbörse greifen und die Nato mitfinanzieren, so Professor Sudakow. Unter anderem geht es nach seinen Worten „um den Kauf von immer neuen amerikanischen Waffen und natürlich um die Einrichtung von neuen Militärstützpunkten“. Für die USA sei das „ein etabliertes System: Ihre Gewinne wachsen, und gleichzeitig versklaven sie andere Nationen. Wenn sie einen Militärstützpunkt auf dem Territorium eines Landes unterbringen, verliert dieses sofort seine Souveränität“, stellte der Experte fest.
Zum Schluss verwies Sudakow darauf, dass sich über große Nato-Übungen nur Polen, Rumänien und die baltischen Länder freuen. Alle anderen Europäer, vor allem Deutschland und Frankreich, bleiben in dieser Hinsicht eher skeptisch, weil sie nicht an die angebliche „russische Gefahr“ glauben.
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