Denn dort wächst eine zweite Gefahr heran, wie der EU-Sonderbeauftragte für Afghanistan warnt: Die Extremistenmiliz "Islamischer Staat" (IS).
"In den vergangenen Wochen hat sich der IS in Afghanistan neu formiert, Orte in Nangarhar verwüstet, Stammesführer brutal ermordet, Kämpfe mit den Taliban geführt, ganze Familien gefangen genommen und rigorose Regeln für Frauen verhängt", so Franz-Michael Mellbin in der "Welt". "Die afghanischen Sicherheitskräfte reagieren, aber sie sind überdehnt wegen der Operationen gegen starke Taliban-Offensiven an anderen Orten."
Die Hoffnung, der IS werde in Afghanistan ein Randphänomen bleiben, habe sich als unrichtig erwiesen. "Der Optimismus war verfrüht", ergänzte Mellbin. Auch in Syrien sei der IS zunächst unterschätzt worden. Deswegen müsse die Miliz in Afghanistan jetzt schnell gestoppt werden. "In Afghanistan können wir es noch richtig machen."
Dass der IS mit seinen jüngsten Aktionen seine Präsenz in Afghanistan zementieren könne, sei jedoch noch nicht sicher. Es gebe dort keine Bevölkerungsgruppe, aus der sich automatisch IS-Kämpfer rekrutieren würden, schreibt Melbin in der "Welt". Deshalb werde die Miliz weiter auf Überläufer der anderen extremistischen Gruppen angewiesen sein. "Die große Gefahr ist ein IS, der zum Sammelbecken all jener Taliban wird, die sich von den internen Kämpfen der Bewegung abwenden oder einen Friedensprozess ablehnen, weil sie ihren lukrativen Dschihad lieber fortsetzen wollen."
Taliban erobern Kunduz
Der IS geht mit brutaler Gewalt gegen Andersgläubige vor. Neben Teilen Syriens kontrolliert er auch im Irak ganze Landstriche. Immer mehr Menschen fliehen vor den Gräueltaten der Miliz - oft Richtung Europa.
Die radikalislamischen Taliban hatten am Montag Ku
nduz erobert. Am Dienstag starteten die afghanischen Streitkräfte eine Gegenoffensive.
Der Vormarsch der Taliban löste in Deutschland eine Diskussion über eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Nordafghanistan aus. Die Bundeswehr hatte sich vor zwei Jahren aus Kunduz zurückgezogen, ist aber noch im 150 Kilometer entfernten Masar-i-Scharif stationiert - allerdings nur zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Armee.
Zusammengefasst: Die EU fürchtet ein Erstarken der IS-Dschihadisten in Afghanistan. Die Terrormiliz hat sich demnach in den vergangenen Wochen neu aufgestellt. Da das afghanische Militär im Kampf gegen die Taliban gebunden sei, ergäben sich jetzt Freiräume für den IS. Das müsse sofort unterbunden werden, fordert der Sonderbeauftragte, damit sich nicht die Fehler, die man in Syrien machte, nicht wiederholten.
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