Der deutsche Außenminister forderte am Dienstag auf einer Konferenz zu Außenpolitik in Berlin von Europa mehr Souveränität. Bestes Beispiel dafür, wie die EU außenpolitisch geschlossen auftreten kann, sei die europäische Aufrechterhaltung des Nuklearabkommens mit dem Iran, so der SPD-Politiker.
„Zusammenhalt oder Untergang“
Heiko Maas stimmte in seiner Eröffnungsrede des von der Körber-Stiftung veranstalteten „Berlin Foreign Policy Forums“ dem Oberthema der Veranstaltung „Unite or Decline“, also „Zusammenhalt oder Untergang“ zu. Für die EU gehe es genau darum, so Maas. „Europa muss sich im geopolitischen Wettstreit der Großmächte behaupten.“, forderte der Außenminister. Sowohl im eskalierenden Handelsstreit der USA mit China, als auch im strategischer Wettstreit der USA mit Russland hätte Europa am meisten zu verlieren, warnte Maas.
Dies gelte insbesondere bei dem sogenannten INF-Vertrag, den die USA im Jahr 1988 mit der Sowjetunion geschlossen haben, aber nun aufkündigen wollen. Vor allem Europa profitiere von diesem Vertrag, sagte Maas. Gerade deshalb habe man großes Interesse daran, das er weiterhin respektiert werde.
Schwer gestalte sich hierbei die Lage nicht nur, weil die USA Russland eine Verletzung des Vertrages vorwerfen, sondern weil nun auch neue relevante Atomwaffen-Akteure erstarkt sind, wie etwa China.
Gleichzeitig verwies Bundesaußenminister darauf, dass das Interesse Washingtons an Europa sichtlich nachgelassen habe. Genau deshalb brauche die EU eine „ausbalancierte“ Partnerschaft: Europa müsse in der Welt immer dann als Gegengewicht auftreten, wenn Amerika «rote Linien» überschreite, so der Kerngedanke.
Der Außenminister unterstrich, dass die transatlantische Partnerschaft in Deutschland tief verwurzelt und eine Notwendigkeit sei. Maas meinte, man müsse mehr in diese Partnerschaft investieren und Deutschland sei auch bereit dazu. Wahrscheinlich spielte der Außenminister auf die von US-Präsident Donald Trump geforderte Erhöhung der Verteidigungshaushalte der europäischen Nato-Mitgliedsstaaten auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes an.
Normandie-Format auch bei Krise im Asowschen Meer?
Zu Russland meinte der Außenminister, dass das Ziel sein müsse, „dass Russland wieder die internationalen Regeln achtet und die territoriale Integrität seiner Nachbarn nicht verletzt.“
In Bezug auf die Krise zwischen Russland und der Ukraine im Asowschen Meer sagte Mass:
„Wir haben Russland und die Ukraine zu größtmöglicher Zurückhaltung aufgefordert und wir haben angeboten, im Normandie-Format an einer Lösung zu arbeiten. Wir müssen alles für eine Deeskalation tun, um zu verhindern, dass aus dieser Krise ein noch größerer Konflikt für die Sicherheit Europas wird.“
Slowakischer Außenminister droht mit Rücktritt
Der slowakischen Außenminister Miroslav Lajčák hielt in der zweiten Eröffnungsrede der Konferenz ein flammendes Plädoyer für Europa, Der Außenpolitiker wies aber auch darauf hin, dass die letzten neiun Jahre bestimmt waren von Krisen: erst die Finanzkrise, dann die Migrationskrise und der Brexit. Die EU hätte dies zwar alles überstanden, aber nicht gelöst, so Lajčák.
In der anschließenden Diskussionsrunde ergänzte der Slowake, dass die EU nur noch mit Krisenbewältigung beschäftigt sei und deshalb nicht mehr dazu käme, Visionen zu entwickeln. Die Führer der EU müssen neue Ideen entwickeln, die die Menschen inspirieren, so Lajčák.
Der slowakische Außenminister drohte sogar mit Rücktritt, falls sein Land nicht dem Migrationspakt der UN zustimmen sollte.
Keine Diskussion über Russland-Sanktionen
In Bezug auf die Russland-Sanktionen der EU meinte Lajčák, dass die Europäische Union diese zwar jedes mal verlängere, aber nicht darüber diskutiert würde, was diese gebracht hätten nach vier Jahren.
Dem widersprach der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Bundesregierung Norbert Röttgen (CDU) energisch. Das Wichtigste sei, dass die EU-Länder bei der Verlängerung der Sanktionen zusammenhielten, so Röttgen.
„Avantgarde-Gruppe” innerhalb der EU
Der Außenpolitiker forderte, dass die EU auch außenpolitisch ein “Global Actor” werden solle. Röttgen sprach sich dafür aus, nicht alle außenpolitischen Aktionen immer erst von allen 27 EU-Mitgliedstaaten absegnen zu lassen. Röttgen sprach sich für eine “Avantgarde-Gruppe” innerhalb der EU aus, die in der EU-Außenpolitik die Initiative übernimmt. Deutschland und Frankreich sollten unbedingt dieser Gruppe angehören.
Röttgen forderte: “Wir müssen uns mehr in unserer Nachbarschaft einmischen. Ob es wieder zu einer Flüchtlingswelle kommt, liegt in der Hand von Mr. Putin und Mr. Erdogan. Wir reagieren immer nur und agieren nicht.”
Jedes Jahr kommen beim „Berlin Foreign Policy Forum“ der Körber-Stiftung 250 hochrangige Politiker, Regierungsvertreter, Experten und Journalisten zusammen, um Fragen der Außenpolitik diskutieren. Gut die Hälfte der Teilnehmenden stammt aus dem europäischen Ausland, dem Nahen Osten, Asien und den USA.
Für den Nachmittag ist ein Auftritt von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen geplant.
Die Hintergründe der Eskalation von Kertsch
Zuvor war berichtet worden, dass die Schiffe der ukrainischen Marine „Berdjansk“, „Nikipol“ und „Jany Kapu“ am 25. November Russlands Staatsgrenze überquert und dadurch gegen das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen verstoßen hatten. Die ukrainischen Schiffe fuhren in das zeitweilig geschlossene Gebiet der russischen Hoheitsgewässer ein, führten dort stundenlang gefährliche Manöver aus und widersetzten sich allen Forderungen der russischen Küstenwache.
Während der Vernehmung gestanden die festgenommenen ukrainischen Soldaten, dass ihre Handlungen provokativ waren.
Russland leitete angesichts des Zwischenfalls ein Strafverfahren ein und beantragte eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates in Bezug auf die Situation im Asowschen Meer. Allerdings wurde der Antrag abgelehnt.
sputniknews
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