US-Ermittler finden Russlands furchtbare Waffe

  18 Dezember 2018    Gelesen: 869
US-Ermittler finden Russlands furchtbare Waffe

Wenn man sich anschaut, was kürzlich im US-Senat aufgeführt wurde, dann muss man sich schon sehr wundern, dass der Westen immer noch keine neuen Anti-Russland-Sanktionen verhängt hat. Ein Anlass für neue Strafmaßnahmen wurde den US-Senatoren jedenfalls schon in aller Eindringlichkeit vorgelegt. Das sind „gnadenlos mächtige Bilder“.

Hätte der werte Leser kürzlich bei der Sitzung des Senats-Ausschusses für Nachrichtendienste anwesend sein können, wäre er sich vorgekommen wie in einem Hollywood-Thriller: Einer nach dem anderen sprechen aufgeregte Experten vor besorgten Senatoren, deuten auf Dutzende Fotos und Diagramme an den Wänden, reichen dicke Aktenordner hin und her. Da drin – in den Aktenordnern – sind vertrauliche Infos enthalten: Auswertungen und Analysen dessen, wie die Russen eine Geheimwaffe eingesetzt haben, welcher bereits viele, viele Bürger in den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich zum Opfer gefallen seien.

Anzunehmen, den US-Senatoren würde abermals über Giftstoffe à la Nowitschok oder über neueste Atomwaffen berichtet, über die Präsident Putin einst gesprochen hat, wäre angesichts solcher dramatischen Bilder absolut naheliegend. Aber nichts da! Die schlagkräftigste Waffe, die Russland heimlich und erfolgreich gegen die USA und deren Verbündete eingesetzt haben soll, sind… Internet-Meme, diese scherzhaften Bildchen mit den knackigen Botschaften, die im Netz umherschwirren.

Bei dieser Flut von Bildern, Berichten und „Beweisen“ könnte ein empfindsamer US-Senator wirklich zu dem Schluss kommen, Donald Trump sei nur wegen russischer Scherze ins Amt gewählt worden, die laut den Experten aus dem Untersuchungsausschuss einen enormen Einfluss auf Millionen (!) amerikanischer Wähler gehabt haben sollen.

Wenn man dann noch den Bericht bedenkt, in dem die BBC allen Ernstes behauptet, „Putins Russland hat den Humor zu einer Waffe gemacht“, dann müsste man sich nicht wundern, wenn die nächsten Anti-Russland-Sanktionen mit der Begründung verhängt würden, dass irgendwer den US-Bürgern lustige Bildchen im Internet gezeigt habe.

Wäre die Lage nicht so verstörend und frustrierend, könnte man den Politikern im Westen einen guten Slogan zum Kampf gegen den Einfluss russischer Scherze auf amerikanische Hirne anbieten. Lauten könnte die Kampfparole etwa so: „Gestern noch im Netz amüsiert, heute schon von Putin engagiert.“

Die Agentur Bloomberg hat sich mit den Ergebnissen der Untersuchung im Senat befasst. Demnach seien hauptsächlich dunkelhäutige Amerikaner der russischen Scherzwaffe zum Opfer gefallen. Seit Jahren schon zerbrechen sich Fachleute den Kopf an der Frage, warum Millionen Afroamerikaner nicht für Hillary Clinton gestimmt haben. Die war doch gegen Donald Trump angetreten, dessen Image auf immer und ewig durch Rassismusvorwürfe beschmutzt ist.

Jetzt ist des Rätsels Lösung da: Schuld daran sind russische Trolle, die den dunkelhäutigen Wählern lustige Bildchen gezeigt haben. Die Bloomberg-Journalisten zählen auch die Kernaussagen der russischen Meme auf. Was daran erstaunlich ist, ist vor allem deren Einfältigkeit: „Politiker lügen“, „Alle Politiker sind schlecht“, „Die dunkelhäutigen Wähler braucht Clinton nur für die Wahl“, „Wahlen bringen nichts“ – so lauten deren Botschaften.

Und genau diese Meme sollen den US-Wahlkampf von 2016 maßgeblich beeinflusst haben, ergab eine Studie der Oxford University – das Oxford University Computational Propaganda Research Project. Noch nie sind britische Forscher so tief gesunken.

Die zweite Wählerschicht, gegen die die allmächtige russische Scherzwaffe gerichtet worden sein soll, waren die Konservativen. Ihnen sollen positive, bestärkende Botschaften angeboten worden sein, was von den Forschern und US-Journalisten als eindeutiger Beleg dafür gesehen wird, dass Russlands Einmischung zum Ziel gehabt habe, Donald Trump den Wahlsieg zu sichern.

Glaubt man diese Version, dann ist Trumps politischer Erfolg von Anfang bis Ende (bis zur Präsidentschaft) nichts als das Ergebnis der russischen Propaganda, die den einstigen Outsider und Politikerclown erst in den offiziellen Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei und schließlich in den Präsidenten verwandelt haben soll.

Der Haken an dieser Geschichte ist nur, dass sich unter anderem der Beraterstab von Hillary Clinton intensiv dafür ausgesprochen hatte, Trump zum Kandidaten der Republikaner zu machen. Darüber berichten US-Medien seit Jahren – auch solche, die eindeutig mit Hillary sympathisieren.

Was wir also sehen, ist eine widersinnige Situation: Wenn die Oxford-Forscher, die vor den US-Senatoren sprachen, mit ihrer Studie rechthaben, dann waren die russischen Trolle im Interesse der Verliererpartei – des Clinton-Clans – im Einsatz.

Doch leider wird niemand aus dem US-Establishment auf diese offensichtliche Lücke im Szenario hinweisen, aus der nachvollziehbaren Angst heraus, sich in einer Verhörkammer des FBI oder zumindest auf der Anklagebank als „Agent des Kremls“ wiederzufinden.

Das Aufregendste an der Geschichte ist aber etwas Anderes. Sehen Sie selbst: In der Oxford-Studie heißt es, die russische Propaganda bei Twitter, Instagram, Facebook und YouTube habe in den Jahren 2015 bis 2017 insgesamt 300 Millionen Interaktionen ausgelöst, also Likes, Shares, Views und Kommentare.

Nehmen wir an, diese Angaben entsprechen der Realität. Allerdings sagte Google-CEO Sundar Pichai jüngst bei einer Anhörung im US-Kongress, die russischen Accounts hätten für die Förderung ihrer Inhalte bei Google gemäß gut begründeten und sehr genauen Einschätzungen der Internetfirma insgesamt 4.700 Dollar ausgegeben (das ist kein Tippfehler).

Selbst wenn wir annehmen, dass für die Content-Förderung bei Facebook und anderswo zehn oder 100 Mal mehr ausgegeben wurde, liegt hier immer noch ein unglaubliches Missverhältnis zwischen eingesetzten Mitteln und der erzielten Reichweite vor. Wenn wir immer noch davon ausgehen, dass die Oxford-Angaben richtig sind, dann hat dieses Ergebnis nur zwei logische Erklärungen.

Die erste: Die angeblichen Hintermänner der russischen Einmischung in den US-Wahlkampf sind nicht einfach nur Könner ihres Fachs, sondern wahre Zaubermeister aus dem Reich der Vermarktungs- und Informationskampagnen. Schließlich muss es ihnen gelungen sein, aus jedem eingesetzten Dollar ein Ergebnis herauszuholen, von dem ihre US-Kollegen nur träumen können. Wie wahrscheinlich ist das?

Die zweite Erklärung ist eine realistischere, aber für die Vereinigten Staaten sehr bittere: Die gigantische Reichweite rührt daher, dass die User in den USA die russischen Meme und Wahlwitze von sich aus und unentgeltlich unter ihren Freunden, Bekannten und Verwandten weiterverbreiteten. Das taten sie, weil sie in den russischen Infos die Wahrheit gefunden haben, die sie in den amerikanischen Leitmedien vermissten.

Ergo: Russland stärkste Waffe ist nicht der an die digitalen Medien angepasste Witz, sondern die mit einem Lächeln auf den Lippen ausgesprochene Wahrheit. Das ist in der Tat eine sehr russische Waffe. Und einen Schild dagegen hat nicht mal der US-Kongress.

sputniknews


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