Allein am vergangenen Wochenende wurden mehrere Artikel zu diesem Thema veröffentlicht.
Der Professor Robert Farliob vom Military College der US-Armee zählte in einem Artikel für die Zeitung „The National Interest“ die „heißesten“ Regionen des kommenden Jahres auf, in denen der Dritte Weltkrieg ausbrechen könnte. Ihm zufolge handelt es sich dabei um das Südchinesische Meer, die Ukraine, den Persischen Golf und die Koreanische Halbinsel.
Laut der deutschen Zeitung „Telepolis“ könnte sich der Vorfall in der Straße von Kertsch in der Arktis wiederholen, weil die Handlungen der USA zur Gewährleistung der Meeresnavigation in dieser Region wahrscheinlich in Gebieten erfolgen werden, die von Russland beansprucht werden, das die Kontrolle über das Küstengewässer aus wirtschaftlichen und militärischen Gründen verstärkt.
Die britische Zeitung „Daily Express“ veröffentlichte einen Artikel unter dem Titel „Dritter Weltkrieg: Russland schickt ein Raketenschiff ins Asowsche Meer und bereitet sich auf eine Schlacht vor“. Dass sich ein Vorfall an der Grenze in einen Dritten Weltkrieg verwandeln könnte und dass der Artikel mit vielen faktischen Fehlern gespickt ist, ist Sache der Autoren. Doch die Besorgnisse über die wachsenden militärischen Möglichkeiten Russlands sind tatsächlich sowohl für ernsthafte sowie anerkannte Medien als auch für Boulevardzeitungen typisch.
Russland hat sich daran gewöhnt, die westliche Paranoia wegen der „russischen Bedrohung“ nicht mehr ernst zu nehmen. Das ist in den meisten Fällen auch begründet, aber nicht immer.
Die zunehmenden Besorgnisse der westlichen Politiker wegen der militärischen Stärke Russlands haben anscheinend reale Gründe, auch wenn sie manchmal in lächerlichen Formen erscheinen.
In den 30 Jahren der globalen Führungsrolle der USA hat sich der Status quo gebildet, bei dem dem Westen de facto das Monopol auf die Anwendung der militärischen Stärke in der Welt gehörte. Es gab natürlich verschiedene Situationen, doch jede Ausnahme (wie die russische Operation zur Erzwingung des Friedens in Georgien 2008) wurde so dargestellt, dass der Hegemon einfach viel zu beschäftigt war und es nicht schaffte, überall für Ordnung zu sorgen und die Verletzer zu bestrafen.
Dabei sind die Methoden der militärischen Gewalt in diesen 30 Jahren Usus geworden. Die Nato-Maschinerie wurde weltweit gegen Länder in Gang gesetzt. Die Infrastruktur wurde zerstört, Regierungen wurden demontiert, dem Volk und der ganzen Welt wurde klar gemacht, dass Widerstand sinnlos sei. Die Unterschiede der Militäroperationen der Nato der letzten Jahrzehnte – ob in Jugoslawien, Irak, Afghanistan oder Libyen – sind nicht prinzipiell und verdeutlichen aber das allgemeine Schema bei diesem Vorgehen.
Das jetzige Problem besteht für den Westen nicht nur darin, dass Russland seine Armee modernisiert. Am wichtigsten ist, dass Moskau in den vergangenen Jahren ein absolut anderes Modell der Anwendung von militärischer Gewalt zeigt, das sich vom westlichen Modell unterscheidet. Seine beeindruckende Effizienz hat sich auf jeden Fall bewährt.
Das neue russische Herangehen ist durch hohe Flexibilität und Variabilität gekennzeichnet, doch die Hauptprinzipien bleiben unverändert – punktuelle Operationen und maximale Effizienz im Vergleich zu den unternommenen Anstrengungen und genutzten Ressourcen. Wo die USA viele Billionen Dollar brauchen, braucht Russland nur Millionen. Wo die Nato Dutzend Tausende Soldaten braucht, braucht Moskau deutlich weniger Soldaten. Wo die Amerikaner umfassende Militäroperationen auf die Beine stellen, erreicht Russland seine Ziele mit einem deutlich kleineren Expeditionskorps.
Russland befasst sich damit unter anderem in den Gebieten, die der Westen in den letzten Jahrzehnten als eigene Einflussgebiete betrachtet – Naher Osten, Lateinamerika, Afrika.
Dazu gehören die Krim-Operation, die bereits in Lehrbücher aufgenommen wurde, die Operation in Syrien, wo Russland mit sehr beschränkten Kräften den scheinbar unvermeidlichen Zusammenbruch des syrischen Staates verhindert hat. Fünf russische Militärberater und 150 zivile Instrukteure sorgen in Zentralafrika für Ergebnisse, für die die USA Strukturen, viel Personal und riesige Budgets brauchen würden.
Natürlich kann der Westen die neuen Fakten nicht ignorieren und muss sich die Frage stellen: „Was wird, wenn dieser zwar kleine, jedoch sehr effektive David auf den gewaltigen westlichen Goliath stoßen wird?“. Je mehr Erfolge Russland zeitigt, desto weniger überzeugend wirken die Kennzahlen der Militäretats, Reserveeinheiten und Kampftechnik des Westens.
Doch die Nachrichten aus den USA stimmen die westlichen Beobachter bedenklich. Die Amerikaner wollen den russischen Ansprüchen in der Arktis Widerstand leisten, doch vor wenigen Tagen wurden dort Übungen abgesagt. Der Grund waren Befürchtungen, dass der einzige schwere US-Eisbrecher kaputt gehen könnte. Das kann man verstehen, denn solch eine Schmach hätte sicher für Witze gesorgt.
In diesem Aspekt sollten die Gründe für die oftmals inadäquaten Besorgnisse des Westens wegen der russischen militärischen Bedrohung gesucht werden. Es geht nicht darum, dass dort tatsächlich eine Aggression aus Russland erwartet wird, sondern darum, dass Europa und die USA zum ersten Mal seit mehreren Jahrzehnten das Gefühl der absoluten Sicherheit verloren haben, das sie seit dem Zerfall der Sowjetunion hatten.
Das bringt den Westen zu der unangenehmen Realität zurück, bei der die Anwendung militärischer Gewalt erneut zu einem Instrument wird, das eine enorme Verantwortung erfordert.
sputniknews
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