Leise Töne von den einstigen Scharfmachern

  04 Januar 2019    Gelesen: 876
Leise Töne von den einstigen Scharfmachern

Die CSU-Klausur, auf der sonst schon mal Viktor Orbán gehuldigt wurde, ist dieses Jahr ein fast schon demütiger Ort. Besonders der scheidende Parteivorsitzende nutzt die eiskalte Bühne.

 

Draußen liegt das Winterdunkel über dem Chiemgau, aber Horst Seehofer möchte noch nicht raus und abfahren. Seinen Auftritt bei der CSU-Landesgruppe im Bundestag hat er gerade absolviert, ein Abschiedsbesuch bei der Klausur im Kloster Seeon. Parteichef ist er nur noch knapp zwei Wochen. Aber nun legt er einen letzten Stopp im Warmen ein. Seine Sicherheitsleute kennen das schon, die anwesenden Journalisten hoffen darauf: Seehofer veranstaltet eine Pressekonferenz, spontan und für eine Handvoll Zuhörer.

Erkältet klingt er, die Augen sind glasig, aber er redet und redet. Dass ihm zu Unrecht vorgeworfen wurde, einen Polizeistaat zu errichten. Dass der Messerstecher von Nürnberg doch wegen der Polizeidichte gefasst werden konnte. Dass in den letzten Tagen Rettungskräfte, Polizisten und Feuerwehrleute angegriffen worden seien, "aber darüber wurde kaum berichtet". Und dass es ihm egal sei, ob ein Ausländer oder ein Einheimischer zum Täter wurde. "Bei Gewaltdelikten ist meine Toleranz null". Fast 15 Minuten geht das so, es ein Hin- und Herspringen zwischen Rechtfertigung und Klage, zwischen Ankündigung und Coolness. Manchmal schmunzelt Seehofer, einmal stützt sich dieser groß gewachsene Mann im Türrahmen mit einer Hand ab und winkelt das Bein an.

Was die Parole dieser dreitätigen Klausurtagung sei? "Meine Überschrift ist 'Geschlossenheit und Entschlossenheit'", sagt der Innenminister. Einigkeit in der Partei, gutes Regieren in der Großen Koalition. Und ja keinen Zoff mit der Schwesterpartei CDU.

Seehofers Losung deckt sich offenkundig mit den Wünschen der übrigen Parteioberen, inklusive seines liebsten Parteifeindes Markus Söder. Der bayerische Ministerpräsident und künftige Parteivorsitzende klang bei seinem Pressestatement unter freiem Himmel mittags so friedvoll und konstruktiv, als ob er zu Silvester eine Pulle Weihwasser alleine ausgetrunken hätte. Streit müsse man vermeiden, denn "Streit lähmt, Streit langweilt, Streit nervt", so Söder. Entsprechend formuliert CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der mit dreifarbigen Lederschuhen vor die Presse trat.

Der Scharfmacher vom Dienst beschwört die "Schicksalsgemeinschaft" mit der CDU. Dobrindt warnte - etwas nebulös - vor "destruktiven Kräften", die "mit Angst und Manipulation und Panik" das Wahljahr 2019 "zu beeinflussen" und "ins Negative zu bewegen". In einem Satz benennt er als Gegner Grüne, Linke und die AfD als Parteien der Angst. Aber das war es schon mit Attacke. Ansonsten schnurren Söder und Dobrindt von "Optimismus" und einer "Politik der Chancen". Söder verurteilt die Übergriffe von Flüchtlingen in Amberg "aufs Schärfste" und kündigt an, dass man "Abschiebehindernisse" aus dem Weg räumen wolle.

Gleichzeitig kritisiert er mit Blick auf Amberg die Aktionen rechter Gruppen - und nennt dabei die rechtsextreme NPD mit der AfD in einem Atemzug. Aber auch hier fletscht Söder nicht so wie er es könnte. "Besonnenheit", immer jongliert Söder mit diesem Schlagwort, auf dass es auch bei den Medienleuten ankommt. Über den gerupften Koalitionspartner SPD, mehrfach auch in der Formulierung "wir Volksparteien" miterwähnt, kommt von den CSU-Bossen nichts Negatives über die Lippen, kein Spötteln, keine Häme - nicht einmal einen Halbton.

Es ist verblüffend, wie moderat die drei CSU-Großkopferten auftreten. Als ob sie noch bis vor einem halben Jahr nicht ihren eigenen Populismus betrieben haben. Über "Asyltourismus" (Söder), "Anti-Abschiebeindustrie" und eine "konservative Revolution" (Dobrindt) wurde 2018 schwadroniert, im Trio haben sie den Streit um Flüchtlings-Zurückweisungen an der deutsch-österreichischen Grenze so weit getrieben, dass die große Koalition daran fast zerbrochen wäre - von der Causa Maaßen ganz zu schweigen. Hier in Seeon haben sie in der Vergangenheit dem betont antiliberalen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán gehuldigt. Zu all dem Getöse spielte noch die unterhaltsam-destruktive Melodie des Machtkampfs zwischen den in ehrlicher Abneigung verbundenen Seehofer und Söder. Im bayerischen Landtagswahlkampf mobilisierte daraufhin ein breites, bis in konservative Schichten verankertes Bündnis Zehntausende Demonstranten unter dem Namen "ausgehetzt" - mit dem Konterfeis von Söder, Seehofer und Dobrindt. Bei der Landtagswahl schmierte die CSU auf 37,2 Prozent ab.


Alles Schnee von gestern, das wollen die CSU-Häuptlinge in Seeon nach außen vermitteln. Hinter verschlossenen Türen allerdings wurde dann doch zu Beginn Tacheles geredet. Eine halbe bis dreiviertel Stunde habe man über das aus CSU-Sicht desaströse Jahr gesprochen, auch über die "Wortwahl", wie ein Teilnehmer erzählt.

Seehofer selbst räumt bei seiner spontanen Mini-PK ein, dass es falsch gewesen sei, als Opposition in der Regierung zu agieren. "Man kann nicht gegen etwas sein und es gleichzeitig unterstützen", sagt der CSU-Chef. "Dieser Spagat war ein Fehler, das haben wir heute auch festgestellt".


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