Zwei Monate nach den Attentaten von Paris hat die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bei einem Selbstmordanschlag in Istanbul mindestens acht Deutsche getötet. Neun weitere Bundesbürger wurden zum Teil schwer verletzt. Der 1988 geborene Angreifer sprengte sich am Dienstagvormittag mitten in einer deutschen Reisegruppe in die Luft. Neben dem Attentäter starben im historischen Zentrum der Stadt zehn weitere Menschen, 15 weitere wurden verletzt.
2. Wo passierte der Anschlag?
Der Anschlag ereignete sich an der wichtigsten Touristenattraktion der Türkei. Zu der Detonation kam es am ägyptischen Obelisken, der in der Nähe der Hagia Sophia, der Blauen Moschee und des Deutschen Brunnens steht. Augenzeugen sagten, sie hätten einen Feuerball aufsteigen gesehen. Die Explosion um 10.15 Uhr Ortszeit war noch in einigen Kilometern Entfernung zu hören.
Die Hagia Sophia war einst eine Kirche und wurde nach der Eroberung der Stadt durch Muslime in eine Moschee umgewidmet. Nahezu jeder Istanbul-Reisende besucht diese Prachtbauten und hält sich auf dem Sultan-Ahmet-Platz dazwischen auf. An Dienstagvormittagen ist es hier besonders voll, da die Museen montags geschlossen haben. Die Türkei ist das zweitbeliebteste Urlaubsland für deutsche Touristen.
3. Wer waren die deutschen Opfer?
Die mindestens acht deutschen Todesopfer waren nach Angaben des Reiseveranstalters Lebenslust Touristik auf einer Drei-Länder-Erlebnisreise von Istanbul über Dubai nach Abu Dhabi. Sie kamen aus dem gesamten Bundesgebiet. Insgesamt zählte die Gruppe 33 Menschen. Ein Teil von ihnen habe an einem Gruppenbesuch der Wahrzeichen Istanbuls teilgenommen.
Unter den Toten ist nach Angaben der Potsdamer Landesregierung auch ein Ehepaar aus Brandenburg. Zwei 71 und 73 Jahre alte Eheleute aus Falkensee bei Berlin seien umgekommen, sagte Regierungssprecher Andreas Beese am Dienstagabend der Deutschen Presse-Agentur.
Nach Informationen der "Berliner Zeitung" soll unter den Todesopfern auch ein Urlauber aus Berlin sein. Zudem seien eine Frau aus Berlin schwer, ein weiterer Mann aus Berlin leicht verletzt worden, schreibt das Blatt.
Auch zwei Männer und eine Frau aus Rheinland-Pfalz sind unter den Toten. Dies teilten Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Innenminister Roger Lewentz am Dienstag mit. Den Informationen der Sicherheitsbehörden zufolge sei zudem eine weitere Frau aus Rheinland-Pfalz verletzt worden.
Zwei der zehn Leichen waren bis gestern Abend noch nicht identifiziert - die Zahl der deutschen Todesopfer könnte also noch steigen.
4. Was spricht für einen Anschlag der Terrormiliz IS?
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan machte in Ankara einen "Selbstmordattentäter syrischer Herkunft" für die Tat verantwortlich. Die Nachrichtenagentur DHA berichtete dagegen, der Angreifer stamme aus Saudi-Arabien und sei kürzlich aus Syrien in die Türkei eingereist. Am späten Nachmittag sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu, der Täter sei Mitglied der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Auf welche Quellen sich die türkische Regierung stützt, ist nicht bekannt.
Der IS hat sich bisher noch nicht zu dem Anschlag bekannt. Allerdings hat der IS sich entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, sich zu Anschlägen in aller Welt zu bekennen, auch nicht zu den Terroranschlägen vom Juli in Suruc und im Oktober in Ankara bekannt. Bei denen wurden zusammen 134 Menschen getötet.
Der IS hat die Türkei lange Zeit verschont, um seine Nachschub über die türkische Grenze nicht zu gefährden. Doch im August 2015 hatten die Extremisten der Türkei erstmals gedroht. In einem Video hatten sie zur "Eroberung Istanbuls" aufgerufen. Der "Teufel Erdogan" habe die Türkei "an die USA verkauft", hieß es darin.
Der IS hatte im vergangenen Jahr mehrere Anschläge in der Türkei verübt, sich dabei aber vornehmlich auf kurdische Ziele konzentriert. Touristen waren bislang kein Anschlagsziel des IS.
5. Richtete sich der Anschlag gezielt gegen Deutsche?
Der Anschlag scheint sich in erste Linie gegen die türkische Tourismusindustrie gerichtet zu haben. Vor einem solchen Attentat hat sich das Land seit Langem gefürchtet. Denn der Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes. Bereits nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs durch das türkische Militär im November 2015 hat die Branche erheblich gelitten, da Besucher aus Russland ausblieben.
Grund für die Wut des IS auf die türkische Regierung war, dass sie den USA erlaubt hatte, türkische Luftwaffenstützpunkte zum Angriff auf den IS zu nutzen.
Aus Sicht von Udo Steinbach, der über drei Jahrzehnte das Deutsche Orient-Institut leitete, galt der Anschlag von Istanbul wohl auch der Bundesrepublik: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass Deutschland ganz besonders getroffen werden sollte", sagte der Professor im Gespräch mit der Huffington Post. Denn seit Jahresbeginn startet auch die deutsche Luftwaffe Einsätze vom türkischen Stützpunkt in Incirlik im Kampf gegen den IS in Syrien.
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