EU sieht hohes Risiko eines ungeordneten Brexits

  16 Januar 2019    Gelesen: 905
EU sieht hohes Risiko eines ungeordneten Brexits

Das zwischen der britischen Regierung und der Europäischen Union ausgehandelte Brexit-Abkommen findet in Großbritannien keine Mehrheit. Die Gefahr, dass am Ende kein "Deal" besteht, wird größer. Ob es Nachverhandlungen geben soll, ist umstritten.

Nach der Ablehnung des Brexit-Vertrags im britischen Unterhaus hat EU-Chefunterhändler Michel Barnier vor einem chaotischen Austritt des Vereinigten Königreichs gewarnt. Das Risiko eines Brexits ohne Abkommen erscheine "so hoch wie noch nie", sagte Barnier im Europaparlament in Straßburg. Zehn Wochen vor dem geplanten Austritt Großbritanniens müsse die EU nun die Vorbereitungen auf einen ungeordneten Brexit "beschleunigen". Ein geordneter Austritt bleibe aber "absolute Priorität".

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, sagte, man müsse nun die nächsten Entscheidungen in Großbritannien abwarten. "Aber wir haben auch die Pflicht, uns auf jedes mögliche Szenario vorzubereiten." Selbst mit Vertrag hätte der für den 29. März geplante britische EU-Austritt weitreichende Folgen.

"Niemand sollte sich Illusionen machen", sagte Timmermans. "Der Brexit richtet Schaden an, er schadet Großbritannien, er schadet der Europäischen Union. Wir als Politiker haben die Verpflichtung, diesen Schaden auf das mögliche Minimum zu begrenzen." Der mit Großbritannien ausgehandelte Austrittsvertrag habe dies sichergestellt. Die EU halte daran fest und treibe die Ratifizierung voran. Timmermans schloss mit einem Zitat des irischen Schriftstellers C.S. Lewis: "Man kann nicht zurückkehren und den Anfang ändern. Aber man kann beginnen, wo man ist, und das Ende verändern."

"Schaden durch den Brexit begrenzen"

Das britische Parlament hatte das mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen am Dienstag mit deutlicher Mehrheit abgelehnt: 432 Abgeordnete stimmten am Abend gegen den Austrittsvertrag, 202 votierten dafür. Die EU bedauere diese Entscheidung "zutiefst", sagte Barnier, der mit der britischen Seite anderthalb Jahre den Austrittsvertrag ausgehandelt hatte. Es sei "ein gutes Abkommen", das Sicherheit für Bürger und Wirtschaft bringe, aber natürlich auch einen Kompromiss darstelle.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verlangte von London am Dienstagabend dringend, "seine Absichten so bald wie möglich klarzustellen". Die Zeit dafür sei vor dem geplanten Brexit Ende März "fast abgelaufen". Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk forderte von Großbritannien nun eine klare Ansage, wie es weitergehen soll. Wenn ein Abkommen unmöglich sei, niemand aber einen Austritt ohne Vereinbarung wolle, "wer wird dann letztlich den Mut haben zu sagen, was die einzig positive Lösung ist?", schrieb er auf Twitter.

Die verbleibenden 27 EU-Staaten würden "geeint bleiben" und wie bisher eine verantwortungsvolle Haltung einnehmen, erklärte ein Sprecher Tusks. Die EU werde sich "auf alle" Szenarien vorbereiten. Ziel sei es, "den Schaden durch den Brexit zu begrenzen". Diese Haltung sei mit den Regierungen der 27 verbleibenden EU-Staaten abgestimmt, erklärte Tusks Sprecher.

EU ist uneins über Nachverhandlungen

Barnier wies unterdessen Forderungen aus Großbritannien zurück, die umstrittene Auffanglösung zur Vermeidung von Grenzkontrollen zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zeitlich zu begrenzen. "Der Backstop muss ein Backstop sein, er muss glaubwürdig sein", sagte der Franzose. Nur so lasse sich die Gültigkeit des Karfreitagsabkommens garantieren, das 1998 den blutigen Nordirland-Konflikt beendet hatte.

Nichtsdestotrotz erklärte der Chefunterhändler sich bereit, über einen neuen Austrittsvertrag zu verhandeln. Voraussetzung sei aber, dass die Briten ihre bisherigen "roten Linien" ändern würden. Es müsse aber weiter eine Sicherung geben, die eine physische Grenze zwischen Irland und Nordirland verhindere. Man werde bis zum Schluss konstruktiv an einer Lösung arbeiten, versicherte Barnier. Allerdings stellte er Großbritannien keine weiteren Zugeständnisse in Aussicht. Der Austrittsvertrag sei der bestmögliche Kompromiss.

Die rumänische EU-Ratspräsidentschaft machte dagegen klar, dass es keine Neuverhandlungen geben werde. "Nachverhandlungen sind nicht vorgesehen", sagte Europastaatssekretärin Melania Ciot im EU-Parlament. Auch sie betonte, dass Mitgliedstaaten und EU-Institutionen nun stärker ihre "Notfallplanungen" für einen Brexit ohne Abkommen vorantreiben müssten.

Quelle: n-tv.de


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