Der 23. Januar 2019 war ein Tag wie eigentlich jeder andere. Ein Tag also, um SPON anzuklicken. Und siehe, die Site baute sich flott auf und gab tatsächlich Nachrichten preis: Das FBI kann, wegen des Shutdowns, der US-Haushaltssperre, seine Informanten nicht bezahlen, sorgt sich SPON. Und barmt, das habe „Folgen auch für den Anti-Terror-Kampf“. Ohne jede kritische Distanz geben die Hamburger Nachrichten-Panscher den schmutzigen US-Propaganda-Satz vom „Kampf gegen den Terror“ weiter. Jenen Satz, mit dem der Dauerkrieg in Afghanistan einst begann. Mit dem der dreckige Krieg im Irak getarnt wurde. Und der seit seiner Erfindung für jede beliebige US-Aggression herhalten muss. Nachricht? Quatsch, bestenfalls Meinung.
Mit der nächsten Schlagzeile, "Trump stellt Pressekonferenzen infrage" wird eine der täglichen Trump-Zicken als Neuigkeit ausgegeben, obwohl jeder weiß, das solches Trump-Bla-Bla so neu ist wie ein Bericht über Hühneraugen im Altenheim. So gelangte man im informationellen Schlafwagen direkt zu einer SPON-Umfrage: "Bürger sehen keine klare Kompetenz bei der SPD". Diese Weisheit hat die Redaktion sicher aus einem gut abgestandenen Kaffeesatz gelesen. Dafür wäre eine Umfrage nicht nötig gewesen. Über die SPD-Kompetenz für Wirrnis, Asoziales und dumme Sprüche weiß an jeder Straßenecke jeder was zu sagen. Doch das SPON-SPD-Orakel eignet sich prima als Übergang für das aktuell übliche Surfen auf der Grünen Welle: Der "grüne Finanzexperte Gerhard Schick legt sein Bundestagsmandat nieder und gründet einen gemeinnützigen Verein für eine nachhaltige Finanzwirtschaft". Diese umwerfend allgemeine Bekanntmachung ist allerdings nur "Exklusiv für Abonnenten". Und das ist auch gut so. Denn wer das Blatt immer noch abonniert, muss mit gähnender grüner Langeweile bestraft werden.
Immerhin erfahren SPON-User noch, dass Putin und Erdogan um Syrien "schachern" würden. Schachern kommt aus dem Jiddischen und meint "Abwägung gewinnsüchtiger Interessen sowie kleinliches, hartnäckiges Streben nach dem größtmöglichen Vorteil". Das käme den vornehmen Außenpolitikern der Bundesrepublik, die lange Zeit und chorisch "Assad muss weg!" gerufen haben, natürlich nie in den Sinn. Und weil die syrischen Trauben weg sind, wissen die Füchse vom SPIEGEL schon, wie das "Schachern" von Putin und Erdogan ausgehen wird: "Ein Deal, der eine Massenflucht aus Idlib auslösen — und für die Kurden verhängnisvoll sein könnte." Nach dieser verheerenden, aber durch nichts belegten Meinung im verschlissenen Gewand einer Information kommt das Intelligenz-Blatt zu einer extrem bedeutenden Nachricht aus der Wissenschaft: "Hautbemalung — Zebramuster schützt Menschen vor Stichen". Das ist für Mücken und Zebras natürlich von eminenter Bedeutung. Und wer hat nicht schon mal ein Zebra getroffen, das im Netz surfte, aber bitterlich weinte, weil ihm die Mücken für ein SPIEGEL-Abo fehlten.
Spiegel Online ist eine der reichweitenstärksten deutschsprachigen Nachrichten-Websites. Und weil nur noch EURO-Zahlen zählen: SPON machte 2006 bei einem Umsatz von 15 Millionen Euro zwei Millionen Gewinn. Und im Jahr 2011 belief sich der Werbeumsatz sogar auf 30 Millionen Euro. Von solchen Profiten kann eine alternative Site wie zum Beispiel KENFM nur träumen. Auch deshalb ist der Nachrichtengehalt-Vergleich am selben 23. Januar 2019 durchaus spannend. Und womit beginnt die Startseite von Ken Jebsen? Mit einem zentralen Medienthema, den Rundfunkgebühren: "GEZ – Was bekommt der Kunde für die Zwangsabgabe?" Man muss kein professioneller Medienbeobachter sein, um festzustellen: Das ist das Thema dieses Jahres. Und während sich SPON Sorgen um die Zahlungsfähigkeit des US-Geheimdienstes macht, widmet sich die alternative Plattform einer neuen "Petition an den US-Kongress", denn die "fordert die Aufklärung von vier politischen Morden in den 1960er Jahren“. Lange her? Nur für Kurz-Denker. Denn das FBI, vom Autor des Artikels mehrfach als Mord-Begleiter erwähnt, gibt es immer noch und Menschen wie Julian Assange sind immer noch vom Tod bedroht. Hier ist die Reise in die Vergangenheit ein Blick in Gegenwart und Zukunft. Gibt man dann eine der Jebsen-Headlines in die SPIEGEL Online-Suchmaschine ein – zum Beispiel "Kindersoldaten im Jemen" – gibt es einfach keinen Treffer. Obwohl die Nachricht ebenso neu wie brisant ist.
Die Zeit, in der das Hamburger Magazin aufklärend und enthüllend unterwegs war, ist vorbei. DER SPIEGEL ist offline, hat längst den Draht zu jenen Usern, Lesern verloren, die an wirklichen Nachrichten interessiert sind. Zwar kann das Produkt immer noch Themen auf die Agenda setzen. Dazu reicht seine Quote allemal. Die Zeit allerdings, in der das Blatt stolz sagen durfte "Spiegel-Leser wissen mehr" ist schon sehr lange vorbei. Selbst der jüngere SPIEGEL-Slogan "Keine Angst vor der Wahrheit" ist zur Lüge geronnen. Sinnvoll wäre der Spruch "Bild am Montag — im Netz auch stündlich".
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