In 17 Tagen zur Krankenpflegerin

  28 Januar 2019    Gelesen: 1406
In 17 Tagen zur Krankenpflegerin

Bildungsabschlüsse in Bosnien sind häufig gefälscht – das ergab eine Recherche des Onlinemagazins Zurnal aus Sarajevo. Mit diesen Abschlüssen, wie etwa in der Krankenpflege, wanderten viele Bürger Bosniens aus, um in anderen EU-Ländern zu arbeiten. Damit kommt das Problem auch nach Deutschland.

Der erste Schritt zum Schulabschluss ist ein kurzes und unkompliziertes Telefongespräch.

„Ich habe ein Angebot für einen Job in Deutschland. Jetzt wüsste ich gerne, wie lange das dauert. Das Zeugnis bräuchte ich Mitte Januar.“

Problem ist landesweit bekannt

Die junge Frau ist in Wahrheit ein Lockvogel des Onlinemagazin Zurnal aus Sarajevo. Der Journalistin gelingt es nach wenigen Treffen mit einem Kontaktmann innerhalb von nur 17 Tagen ein Zeugnis zu bekommen, in dem ihr eine Umschulung zur Krankenpflegerin bescheinigt wird. Kostenpunkt: umgerechnet 1.250 Euro. Es ist ein Originalzeugnis mit Brief und Siegel, ausgestellt von einer existierenden Bildungseinrichtung. Normalerweise hätte Sie dafür mindestens ein Jahr lang die Schulbank drücken müssen. Zurnal-Redakteur Avdo Avdic:

„Seit Jahren schon weiß die Öffentlichkeit in Bosnien und Herzegowina mehr oder weniger Bescheid, dass es möglich ist, Schulabschlüsse auf diese Weise zu bekommen. Aber es fehlte jemand, der sich traut, so etwas zu machen.“

Mit der Aktion wollten die Investigativjournalisten auf ein Problem hinweisen, das in Bosnien und Herzegowina massenhaft vorkomme, sagt Journalist Avdo Avdic.

„Nach einigen Informationen sind etwa 5.000 solcher Zeugnisse in Bosnien und Herzegowina im Umlauf. Nicht nur für medizinisches Personal. 5.000 Zeugnisse, die so oder so ähnlich zu bekommen waren.“

Staatsanwaltschaft unternimmt nichts

Die Recherche hat in Bosnien und Herzegowina hohe Wellen geschlagen und auch schon erste Folgen. So sollen etwa die Bildungsabschlüsse aller Mitarbeiter im gesamtstaatlichen Parlament überprüft werden. Laut dem Leiter der Parlamentsverwaltung Kenan Vehabovic warte man nur noch auf das „Go“ der Datenschutzbehörde. 

„Wir gehen davon aus, dass wir sehr bald eine Stellungnahme der Datenschutzbehörde bekommen werden. Und dann können wir mit der Überprüfung beginnen.“

Das wird nicht viel bringen, sagt Journalist Avdo Avdic, denn so ließen sich höchstens gefälschte Zeugnisse identifizieren. Gekaufte Orginalzeugnisse aber nicht. Hierfür müssten laut Avdic die Mechanismen der Betrugsmasche aufgedeckt und strafrechtlich verfolgt werden. Doch die Staatsanwaltschaft unternehme so gut wie nichts, berichtet Avdo Avdic.

„Als wird die Geschichte geplant haben, haben wir als Erstes recherchiert. Als wir alle relevanten Dokumente zusammen hatten, haben wir festgestellt, dass sie der Staatsanwaltschaft bereits im September vorlagen. Sie hätte Ermittlungen aufnehmen müssen, hat das aber abgelehnt.“

Problem kommt auch nach Deutschland

Laut dem jüngst veröffentlichten Migrationsbericht sind 2016 und 2017 mehr als 50.000 Bürger Bosnien und Herzegowinas nach Deutschland ausgewandert. Viele von ihnen haben in Deutschland Jobs in sogenannten Mangelberufen. Ihre bosnischen Abschlüsse müssen sie sich in Deutschland anerkennen lassen. Zuständig sind Anerkennungsstellen der Bundesländer. Im Zweifelsfall kommt die Zentralstelle für Ausländisches Bildungswesen der Kultusministerkonferenz ins Spiel. Sie erstellt im Auftrag der Anerkennungsstellen der Länder Gutachten und prüft ausländische Dokumente.

Auf Anfrage des ARD-Studio Wien heißt es von dort, dass die beschriebenen Vorfälle aus Bosnien und Herzegowina bekannt seien und die zuständigen Anerkennungsstellen bereits informiert worden sind. Journalist Avdo Avdic glaubt, dass es schwierig ist, diesen Betrug zu beenden, solange die Masche in Bosnien nicht ausermittelt und geklärt ist.

„Bis dahin können die Deutschen nichts Anderes tun, als bosnische Arbeitskräfte zu meiden. Denn wenn sie nicht wollen, dass Automechaniker Kranke behandeln, dann müssen sie verhindern, dass Menschen mit solchen Zeugnissen ins System eindringen.“

 

deutschlandfunk


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