Wie Deutschland und Österreich ihre Grenzen dicht machen - “Ohne hässliche Bilder wird es nicht gehen“

  15 Januar 2016    Gelesen: 764
Wie Deutschland und Österreich ihre Grenzen dicht machen - “Ohne hässliche Bilder wird es nicht gehen“
Offiziell ist die Linie der Bundeskanzlerin diese: Der Flüchtlingszuzug soll stark gebremst werden. Durch eine Verbesserung der Situation in den Herkunftsländern. Durch Grenzkontrollen an Europas Außengrenzen. Durch gerechte Verteilung in der EU. Also: Ohne eine Schließung der deutschen Landesgrenzen.
"Zu glauben, wir können zum alten Grenzkontrollregime zurückkehren, ist relativ naiv“, sagte Merkel erst am Mittwoch laut einem Bericht des "Münchner Merkur“. Dafür sei die Welt inzwischen zu verflochten.

CDU-Politiker wollen Merkel deswegen mit einer Unterschriftenaktion zur lückenlosen Grenzkontrolle zwingen. So sollen all jene abgewiesen werden, die aus einem sicheren Drittstaat kommen – an den Landesgrenzen de facto alle. Das entspräche auch geltendem europäischen und deutschem Recht. Verfassungsrechtler hatten Merkels Vorgehen in den vergangenen Tagen deshalb auch massiv kritisiert.

Tatsächlich macht Deutschland seine Grenzen zwar noch nicht zu, aber offenbar weniger durchlässig. Auch mit der Hilfe Österreichs.

Erst am Dienstag wurde bekannt, dass Deutschland an der Grenze zu Österreich mehr Flüchtlinge zurückweist, die nicht im Land bleiben, sondern nach Skandinavien weiterreisen wollen. "Die Zahl ist von täglich 60 im Dezember auf täglich 200 seit Jahresbeginn gestiegen", sagte ein österreichischer Polizeisprecher der Nachrichtenagentur AFP.

Das hänge mit den üblichen Schwankungen beim Andrang an der Grenze zusammen, sagten verschiedene Sprecher der Bundespolizei auf Anfrage der Huffington Post. Nicht jeden Tag kämen gleich viele. Außerdem sei wegen besserer Ausstattung den Polizisten jetzt eine intensivere Prüfung möglich. Soll heißen: Wenn früher ein Flüchtling behauptete, er könne nicht verstehen, wenn er gefragt wurde, wohin er reisen wolle, dann ließ man ihn einreisen. Wenn jetzt ein Dolmetscher klärt, dass er nach Schweden will, wird er zurückgewiesen.

Eine neue politische Order, sagen mehrere Sprecher der Bundespolizei, gebe es aber nicht. Seit Beginn der Kontrollen am 13. September nicht.

Österreichs Polizei verweist allerdings darauf, dass die Zurückweisungen zugenommen hätten, seit Schweden und Dänemark Ziel vieler Menschen an der deutsch-österreichischen Grenze, ihre Grenzkontrollen massiv verschärft haben.

Wie passt das zusammen? Sollte es trotz aller Dementi eine Anweisung deutscher offizieller geben, Flüchtlinge vermehrt nicht ins Land lassen, wäre aus Sicht des Politikwissenschaftlers Heinrich Oberreuter das südliche Nachbarland der Verlierer: „In dem Moment ,in dem Deutschland die Flüchtlinge zurückweisen würde und Dublin wieder in Kraft setzen würde, herrscht Chaos in Österreich." Ein solches Verhalten wäre aus Sicht des Passauers jedoch "kein freundschaftlicher Akt“.

Die deutschen Bundespolizisten haben zur Grenzsicherung auch in extremem Maß Überstunden geschoben: knapp zwei Millionen Überstunden seit September. Das berichtet die "Wirtschaftswoche“ am Donnerstag.

Auch eine Kooperation mit anderen Ländern soll Druck von Deutschland nehmen. Wie die österreichische "Kronenzeitung“ am Donnerstag berichtet, bestätigte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, dass bald scharfe Kontrollen der Grenze von Slowenien zu Kroatien durchgeführt würden – in einer Kooperation Österreichs, Deutschlands und Sloweniens Polizisten. Darüber gebe es bereits eine grundlegende Einigung. Als erstes hatte "Spiegel Online“ über diese Pläne Österreichs berichtet.

Im deutschen Innenministerium weiß man allerdings von dieser Zusammenarbeit noch nichts. Wie ein Sprecher der Huffington Post auf Anfrage mitteilte, arbeite Deutschland seit dem Herbst eng mit den slowenischen Behörden zusammen, es gebe eine förmliche Vereinbarung, auf deren Grundlage derzeit elf Bundespolizisten die slowenische Polizei an der dortigen Schengen-Außengrenze unterstützen. Aber weder Österreich noch Slowenien seien bislang offiziell mit konkreten Überlegungen ans Ministerium herangetreten, wie die Medienberichte suggerierten.

Laut "Kronenzeitung“ plant Österreich sogar den Einsatz der Armee zur Grenzsicherung. Es solle die gesamte grüne Grenze Österreichs überwachen.

Viele Menschen in Deutschland wünschen sich eine Wiedereinführung der Grenzkontrollen. Im ARD-Deutschlandtrend sprachen sich Anfang des Monats 57 Prozent der Befragten dafür aus. Wesentlich mehr als noch im September. Auch Verfassungsrechtler sehen den Staat in der Pflicht. Denn die europäische Grenzsicherung funktioniere nicht, ebenso wenig das Dublin-System. Es schreibt vor, dass Flüchtlinge in dem EU-Land einen Asylantrag stellen müssen, das sie als erstes betreten.

Grenzkontrollen wären also zunächst einmal nichts Verwerfliches. Verwerflich ist aber, was Kanzlerin Merkel damit macht. Einerseits die deutschen Grenzen nicht kontrollieren zu wollen – es aber zu begrüßen, wenn andere es für uns tun, ist scheinheilig.

Österreichs Kurs mag martialisch wirken. Und sicher gibt es einiges, was diskussionswürdig ist. Aber er ist ehrlicher. So warnte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz am Mittwoch in der "Welt“ die Europäische Union bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise vor einer zu engen Zusammenarbeit mit der Türkei: Es sei nachvollziehbar, "dass viele Politiker Angst vor hässlichen Bildern bei der Grenzsicherung haben“, sagte er. "Es kann aber nicht sein, dass wir diesen Job an die Türkei übertragen, weil wir uns die Hände nicht schmutzig machen wollen. Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen.“

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