Streitigkeiten zwischen Deutschland und USA: neue Möglichkeiten für Russland?

  26 Februar 2019    Gelesen: 780
  Streitigkeiten zwischen Deutschland und USA: neue Möglichkeiten für Russland?

Niemals zuvor waren Meinungsdifferenzen auf beiden Seiten des Atlantiks so stark wie jetzt. Die USA und Europa – genauer gesagt Deutschland – trennen unterschiedliche Standpunkte. Doch in erster Linie geht es um das wachsende Streben nach mehr Selbstständigkeit, das sich im Vertrag von Aachen widerspiegelt. Der Politologe Giulio Virgi kommentiert.

Die Amerikaner wollen, dass Europa mehr Waren „Made in USA“ kauft und weniger eigene Waren in die USA exportiert. Zudem wollen sie, dass Deutschland unter anderem mehr amerikanisches Gas kauft, wobei die Energieabhängigkeit von Moskau verringert wird, die durch die Nord-Stream-2-Pipeline zunehmen soll. Zudem drohen die USA mit Vergeltungsmaßnahmen auf dem Binnen-Automarkt, einem wichtigen Bestandteil der Handelsbilanz Deutschlands. Berlin könnte dadurch mehrere Milliarden Euro verlieren.

Merkel reagierte daraufhin mit einer selten emotionalen Rede, in der Beobachter den Keim eines deutschen Gaullismus sahen.

Der Zusammenstoß mit den USA festigt de facto den Prozess der Renationalisierung der deutschen Außenpolitik mit unvorhersehbaren, jedoch potentiell wichtigen Folgen für das europäische und globale Gleichgewicht der Interessen. Unter den möglichen Richtungen, die Deutschland wählen kann, ist Russland, weil Berlin eine Annäherung an Moskau in Erwägung zieht, um seine Distanz von der jetzigen US-Administration zu verdeutlichen.

In der Tat handelt es sich um eine Rückkehr zu der Politik, die von Deutschland seit Beginn des Jahrzehnts gefahren wurde, als es schien, dass demnächst ein Abkommen abgeschlossen wird, das den Weg der strategischen Partnerschaft zwischen Russland und Deutschland frei machen und die Bedeutung der Nato reduzieren wird.

Es könnte die Frage gestellt werden, warum das Ziel dieser Politik nicht erreicht wurde. Natürlich spielten die Ukraine-Krise und der Euro-Maidan dabei eine Rolle. Die Deutschen drückten ihre Unzufriedenheit mit dem Verhalten Kiews bei den Beziehungen zu Moskau jedes Mal aus, als die Probleme bei den russisch-ukrainischen Beziehungen zur Verzögerung bzw. Blockade der Gaslieferungen nach Deutschland führten. Zum Teil wegen der Notwendigkeit, die Unbestimmtheit durch die Aufstellung einer Lite-Version der EU-Schutzherrschaft in Kiew zu beseitigen, unterstützte Deutschland das „Regime“, das in der Ukraine 2014 entstand. Mit der Annäherung der Ukrainer an die EU könnten Brüssel und Berlin mögliche Probleme mit Moskau direkt unter besseren Bedingungen lösen, hieß es aus der deutschen Hauptstadt.

Dennoch änderte das neue politische Regime in Kiew stark die europäische geopolitische Situation, was zur Verschlechterung der Beziehungen zwischen Europa und Russland führte. Moskau spürte, dass es angegriffen wird, und schlug erstmal die Tür zu. Nun sollte man zum Aufbau der Beziehungen einer neuen Ordnung zwischen Deutschland und Russland zunächst alle Fragen der Politik Deutschlands und Europas gegenüber ihrem östlichen Nachbarn klären.

Zudem kann trotz der feindseligen US-Handlungen, die Russland schaden, nicht ausgeschlossen werden, dass Trump einen Plan für eine große Versöhnung mit Moskau hat, vielleicht in seiner zweiten Amtszeit. Wenn es dazu kommt, wird Russland die zuvor fehlende Möglichkeit bekommen, seine Partner im Westen auszuwählen, was seine jetzige Position verbessern würde. Der Kreml sollte alle Pros und Contras bewerten, doch die Realität sieht so aus, dass es der jetzigen US-Administration, die durch den rasanten Aufstieg Chinas überrascht wurde, zunehmend schwerer fallen wird, die antirussische Politik fortzusetzen.

In Berlin tauchen Zweifel an der Wichtigkeit auf, die Merkel dem Thema Neokonservatismus und globale Demokratisierung beimisst. Russland und Deutschland stehen im Wettbewerb um einzelne Einflussgebiete. Dennoch zeigt die Geschichte, dass Russen und Preußen in Napoleons Zeiten es geschafft hatten, sich zusammenzuschließen.

Wird es erneut dazu kommen? Oder werden wir eine neue Ausgabe der großen antideutschen Allianz aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges sehen? Fast schier unglaubliche Szenarien können unter bestimmten Bedingungen in Erfüllung gehen, und Russland kann als Protagonist auftreten, trotz aller Versuche, es von der großen Weltpolitik auszusperren.

sputniknews


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