„Totales Diktat“ prüft Deutschkenntnisse der Russen

  28 Februar 2019    Gelesen: 833
„Totales Diktat“ prüft Deutschkenntnisse der Russen

Im Russisch-Deutschen Haus in Moskau hat die Allrussische Aktion „Totales Diktat 2019“ stattgefunden. An einem Tage haben allein dort über hundert Teilnehmer Texte auf Sprachniveau A2 und B1 geschrieben. Im Internet läuft die Aktion bis zum 1. März weiter. Folglich kann man weltweit von jedem Ort aus das Diktat mitschreiben.

Anschließend sollen die Arbeiten überprüft und die Gewinner ausgezeichnet werden. „Totales Diktat“ wird zum siebenten Mal auf Initiative russlanddeutscher gesellschaftlicher Organisationen veranstaltet, um die deutsche Sprache zu verbreiten und eine weitere Motivation zum Deutschlernen zu schaffen. Das allererste „Totale Diktat“ wurde 2013 von Studenten der Universität Tomsk und 130 Schülern der Klassen 6 bis 11 dieser sibirischen Stadt geschrieben.

Mit jedem Jahr haben immer mehr Menschen den Wunsch geäußert, sich in der Kenntnis der deutschen Grammatik miteinander zu messen. Voriges Jahr haben sich 68 Regionen Russlands der Aktion angeschlossen, aber auch Teilnehmer aus Kasachstan, Kirgisien, Ukraine, Deutschland, Spanien, den Niederlanden und den Balkanländern — insgesamt knapp 26.000. Über 5.000 davon haben Preise gewonnen.

Natalia Wega-Ofre, Kundenbetreuerin der Schule „Deutsch Online“, einer der größten Seiten im russischen Internet, teilte mit, dass das Netzwerk über eine Million Menschen vereinige, die Deutsch lernen und sich für die Kulturen der deutschsprachigen Länder interessieren. „Weltweit sprechen gut 100 Millionen Deutsch als Muttersprache, und sein Beherrschen eröffnet neue Möglichkeiten für Studium, Karriere und Privatleben.“

Die stellvertretende Vorsitzende des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur (IVDK), Olga Martens, betonte in ihrer Ansprache an die Teilnehmer des Diktats: „Deutsch ist ja unsere Muttersprache. Für andere Bürger Russlands ist das ein Instrument der Kommunikation mit Europa und der Welt.“ Die deutsche Botschaft in Moskau versteht die Russlanddeutschen als Träger beider Kulturen, der russischen wie der deutschen: „Vor allem sie sind es, die zwischen Russland und Deutschland Brücken zu bauen haben.“

Zum Thema des Diktats wurde die Geschichte des deutschen Theaters in Russland gewählt, die schon im 17. Jahrhundert ihren Ursprung hat, als in der Sommerresidenz von Zar Alexej Michailowitsch einmal eine Theatervorstellung gegeben wurde. Der Zar fand Gefallen am Theater, dessen Schicksal dadurch vorbestimmt war. Die Rollen bei jener Aufführung waren von Zöglingen der deutschen Gemeindeschule besetzt.

Das Erlernen der deutschen Sprache in Russland habe eine riesengroße Tradition, sagte im Sputnik-Interview Galina Perfilowa, Vorsitzende der Russischen Deutschlehrergemeinschaft, Mitglied des IVDK-Rats für Spracharbeit – „Angefangen von den Schulen mit erweitertem Deutschunterricht zu Sowjetzeiten bis heute, wo die deutsche Sprache als zweite Fremdsprache gelernt wird.“

Das sei eine Herausforderung für Russland, so die Lehrerin, „weil in der letzten Zeit in der Schule mehrere Sprachen als zweite Sprache nach dem Englischen angeboten werden. Das sind Spanisch und Italienisch. Französisch gab es immer schon, aber auch Chinesisch. Eine große Auswahl, bei der die deutsche Sprache sich durchsetzen muss. Es kommt dabei auf die Bereitschaft der Schule und der Eltern an.“

Perfilowa fährt fort: „Die Schule muss über die notwendigen Einrichtungen verfügen und eine Deutschlehrerin haben. Man muss sagen, dass die Schulen mit erweitertem Deutschunterricht zum Glück bis heute noch erhalten geblieben und sehr beliebt sind. Vorwiegend sind es Gymnasien. Dabei ist Deutsch in den Großstädten, egal wo sie sind – im Süden, Norden, im Westen oder Osten Russlands –, eher gefragt als in den Dörfern, weil dort nicht die notwendigen Kapazitäten vorhanden sind. Es gibt auch mehr erfahrene Lehrer in den Großstädten, wo es auch Universitäten für Fremdsprachen gibt, die Deutschlehrer ausbilden.“

Sprechen Russlanddeutsche Hochdeutsch oder pflegen ihren Dialekt?

Um mit der Umgebung Deutsch zu sprechen, brauche man Kommunikation in der Familie, meint Perfilowa. „Es gibt zurzeit einen neuen Trend, dass junge Eltern ihren kleinen Kindern Deutsch beibringen. So entstehen auch Kindergärten, wo Deutsch gepflegt wird. Es gibt Lehrbücher für den Kindergarten und die Zeitschrift „Schrumdirum“. Das ist ein Neuanfang, wobei die jungen Russlanddeutschen Interesse für die Sprache ihrer Vorfahren zeigen.“

„In den Dörfern, wo immer noch geballt Deutsche wohnen und wo man ursprünglich deutsche Dialekte gesprochen hat“, urteilt die Lehrerin, „wird versucht, das aufrechtzuerhalten und zu unterstützen. Was die Großstädte anbetrifft, so setzt sich die deutsche Sprache in dialektaler Form unter den Verwandten, selbst im Rahmen einer Familie weniger durch.“

Für Galina Perfilowa sei es jedoch wichtig, „dass die jungen Russlanddeutschen, die neue Generation sich ihrer Wurzeln bewusst ist und dazu neigt, ihre Kultur aufzugreifen, weiterzuentwickeln und zu modernisieren. Sie machen gern ihre Ausbildung auf Deutsch, durch Austausch und Sprachkurse. Andererseits sind auch unsere Partner da: das Goethe-Institut und die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, wo die Lehrer aus Deutschland kommen und in den Schulen den Lehrkräften Hilfe leisten.“

Die Lehrerin merkt an: „Meine Mutter hat natürlich Dialekt gesprochen. Ich habe sie verstanden, obwohl sie sich manchmal über meinen Dialekt lustig gemacht hat, nachdem ich in der Schule schon Deutsch gelernt hatte. Ich spreche bis auf einige Sätze selber keinen Dialekt. Es gibt auch noch Familien, wo Volkslieder der Russlanddeutschen gesungen werden. Ich war vor zwei Jahren in Engels, einer Stadt an der Wolga, und habe eine Vielfalt von Volkstrachten gesehen, die ich mir gar nicht vorstellen konnte.“

sputniknews


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