Nach Wahl in Taiwan: China setzt neue Präsidentin unter Druck
Die Vorsitzende der Fortschrittspartei (DPP), die aus der Unabhängigkeitsbewegung entstanden ist, hatte die Wahl am Samstag mit 56 Prozent der Stimmen gewonnen. Ihr Herausforderer Eric Chu von der china-freundlichen Kuomintang (KMT) scheiterte nach Angaben der Wahlkommission in Taipeh mit nur 31 Prozent. Nach acht Jahren der Annäherung an China verlor die bisherige Regierungspartei sogar zum ersten Mal in der Geschichte Taiwans ihre Mehrheit im Parlament.
Die Fortschrittspartei steigerte hingegen die Zahl ihrer Abgeordneten von 40 auf 68 und hält eine klare Mehrheit in der 113 Sitze zählenden Legislative. Dagegen rutschte die Kuomintang von bisher 64 auf nur noch 35 Abgeordnete ab. Die neugegründete Partei der neuen Kraft, die aus der «Sonnenblumenbewegung» der Studenten entstanden ist, erzielte fünf Sitze und ist damit drittgrößte Partei im Parlament.
Die kleine Volkspartei (PFP) des dritten Präsidentschaftskandidaten James Soong, dessen Bewerbung um das höchste Amt mit nur zwölf Prozent der Stimmen scheiterte, hält im neuen Parlament drei Sitze. Jeweils einen Sitz erzielten das Solidaritätsbündnis und ein unabhängiger Abgeordneter. Die Wahlbeteiligung war mit 66 Prozent (2014: 74 Prozent) so niedrig wie noch nie in den bisher sechs Präsidentenwahlen der jungen Demokratie seit 1996.
Nach dem Wahlsieg der moderaten Juraprofessorin, die eher auf Distanz zu Peking geht und Taiwans Eigenständigkeit betont, forderte die Führung in Peking umgehend ein Bekenntnis zum «Ein-China-Grundsatz». «Die chinesische Regierung ist felsenfest entschlossen, die nationale Souveränität und territoriale Integrität zu schützen», warnte das Taiwanbüro des Staatsrates. In den sozialen Medien Chinas wurde die Suche nach Tsai Ing-wen oder Taiwan-Wahl geblockt.
Die neue Präsidentin wurde aufgefordert, den «Konsens von 1992» anzuerkennen, der die Grundlage für die Kooperation sei. Mit der Formel erkennen beide Seiten an, dass es nur «ein China» gibt, akzeptieren jedoch unterschiedliche Vorstellungen, was darunter verstanden wird. Tsai Ing-wen hat es vermieden, sich zu dem «Konsens von 1992» zu bekennen, hat ihn aber auch nicht eindeutig abgelehnt.
China sei bereit, den Austausch mit allen Parteien zu fördern, «die den Grundsatz anerkennen, dass China und Taiwan zu einem China gehören», teilte das Taiwanbüro in Peking mit. «Wenn die DPP ernsthaft den Status quo wahren will, muss sie eine klare Antwort auf die entscheidende Frage geben, ob sie den Konsens von 1992 anerkennt», hieß es in einem Kommentar der Staatsagentur Xinhua.
Das Pekinger Außenministerium forderte auch die internationale Gemeinschaft auf, am Grundsatz festzuhalten, dass es nur ein China gebe und Taiwan ein Teil davon sei. Die Taiwanfrage sei eine «interne Angelegenheit» Chinas, sagte Sprecher Hong Lei.